Das musst du wissen

  • LSD und Magic Mushrooms wirken angstlösend und antidepressiv und werden darum in Psychotherapien eingesetzt.
  • Die Halluzinationen, welche von den Drogen ausgelöst werden, können in einigen Fällen aber zu Horrortrips führen.
  • Darum tüfteln Forschende an nicht halluzinogenem LSD. Ein Basler Experte ist unsicher, ob dieses bei Menschen wirkt.

Den Text vorlesen lassen:

Die Welt um einen herum versinkt in einem bunten Farben- und Formenspiel, selbst Geräusche werden sichtbar – und der endlose Farbstrudel hält an, selbst wenn man die Augen schliesst. Wahrnehmung und Gefühle verschmelzen – so beschrieb schon Albert Hofmann vor bald achtzig Jahren die Wirkung der psychedelischen Droge LSD. Der Basler Forscher wollte ein Mittel finden, das den Kreislauf anregt und stolperte über die halluzinogenen Effekte, welche LSD den Ruf als Hippie-Droge bescherten. Seit einigen Jahren feiert sie ihr Comeback in der medizinischen Forschung. Depressionen, Angststörungen und Alkoholismus sollen durch LSD-unterstützte Therapien gelindert werden. In der Schweiz darf die Droge – weltweit einzigartig – nach Genehmigung des Gesundheitsamts zur Psychotherapie eingesetzt werden. Halluzinogene Pilze derweil könnten in den USA bald als Arzneimittel bei Depressionen zugelassen werden.

Doch Drogen als Therapiemöglichkeiten sind ein sensibles Thema – einige Menschen fürchten die Halluzinationen, welche von den Wirkstoffen ausgelöst werden: «Halluzinationen von psychedelischen Drogen können einen Horrortrip auslösen – deshalb stellen sie bei der Behandlung ein Risiko für Menschen mit nur milden Depressionen dar. Vermutlich wurden sie darum auch nur an kleinen Gruppen behandlungsresistenter Personen zur Therapie getestet», sagt der Chemiker Jianjun Cheng von der Technischen Universität Shanghai gegenüber higgs. Deshalb arbeitet er gemeinsam mit seinem Team an sogenannten Analoga von LSD – das sind gewissermassen «Cousins» der Droge, die allerdings keine Halluzinationen auslösen. Erste Tests mit Mäusen zeigten eine antidepressive Wirkung ohne Halluzinationen, berichten die Forschenden im Fachmagazin Science.

Science-Check ✓

Studie: Structure-based discovery of nonhallucinogenic psychedelic analogsKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Studie untersucht bislang nur Mäuse und beobachtet dabei auch lediglich das Verhalten der Tiere. Die Forschenden können den Mäusen nicht in den Kopf gucken und sie auch nicht fragen, ob sie wirklich keine Halluzinationen haben. Sie konnten lediglich beobachten, ob die Mäuse mit den Köpfen zucken, was bei Mäusen und anderen Tieren als Anzeichen für Halluzinationen gilt. Das Kopfzucken ist jedoch laut dem derzeitigen Stand der Forschung ein guter Indikator dafür, ob Halluzinationen auch bei Menschen auftreten. Ob die Analoga bei Menschen die gleiche Wirkung zeigen, ist allerdings noch gänzlich unklar und muss in weiteren Studien untersucht werden.Mehr Infos zu dieser Studie...

LSD und Magic Mushrooms wirken wie Glückshormone

Die halluzinogene Wirkung von LSD ist seit fast achtzig Jahren bekannt – doch wie genau die Droge im Gehirn wirkt, wird noch immer untersucht. 2016 zeigten Hirnmessungen, dass bei LSD-Konsum die Aktivität im gesamten Gehirn erhöht wird – gleiches gilt für den Magic-Mushrooms-Wirkstoff Psilocybin. Bekannt ist, dass beide Wirkstoffe im Hirn an jene Rezeptoren andocken, die den Botenstoff Serotonin binden. Serotonin, im Volksmund auch als Glückshormon bezeichnet, macht uns gelassen und zufrieden. Die Serotonin-Rezeptoren könnten nach derzeitigem Kenntnisstand der Forschung eine Rolle bei der Entwicklung von Depressionen im Gehirn spielen. Viele Antidepressiva sollen deshalb auch den Serotonin-Spiegel im Hirn erhöhen.

Die Forschenden aus China untersuchten nun, wie genau die Wirkstoffe von LSD und Zauberpilzen an den Serotonin-Rezeptoren andocken. Das ermöglichte ihnen, die chemische Struktur der Stoffe – und damit auch ihre Wirkung – leicht zu verändern. Die Analoga testeten sie an durch Stresshormone deprimierten Mäuse. Danach untersuchten sie, ob die Mäuse Anzeichen für Halluzinationen und Depressionen zeigten. Kopfzucken gilt dabei als Hinweis auf eine Halluzination, Unbeweglichkeit als Anzeichen einer Depression. Insgesamt testeten sie drei Analoga, bei zwei davon blieben die Mäuse in körperlichen Tests beweglich, es wurde aber kein Kopfzucken gemessen. Für die Forschenden heisst das: Die veränderten Drogen lindern Depressionen auch ohne halluzinogene Wirkung.

Sind Halluzinationen für die Therapie am Mensch notwendig?

Bislang sind die Analoga nur an Mäusen getestet worden. Weitere präklinische Untersuchungen sollen folgen, um herauszufinden, ob die Wirkstoffe auch als Arzneimittel für Menschen taugen. «Es ist derzeit noch unklar, ob Psychedelika ohne psychedelische Wirkung therapeutisch nutzbar sind», sagt Matthias Liechti, klinischer Pharmakologe am Universitätsspital Basel. Er erforscht seit Jahren, wie LSD auf den Menschen wirkt – aktuell läuft eine Studie zur antidepressiven Wirkung der Droge.

Matthias Liechti sagt: «Wir gehen derzeit davon aus, dass die antidepressive und angstlösende Wirkung zumindest zum Teil mit der psychedelischen Effekten der Droge zusammenhängen.» Es gebe allerdings auch Hinweise, dass die therapeutischen Effekte unabhängig von der subjektiven Erfahrung sind: Viele Psychedelika fördern die Erneuerung des Nervengewebes und die Bildung neuer Nervenzellen im Hirn, was für die kognitive und psychische Gesundheit förderlich ist. «Manche Patienten spüren das LSD nicht oder kaum und machen trotzdem therapeutische Fortschritte», kann Liechti bestätigen. Dennoch sind die Halluzinationen für ihn kein unerwünschter Nebeneffekt. In den meisten Fällen würden diese nämlich als angenehm und bereichernd beschrieben. Nicht für alle dürfte das chinesische LSD ohne farbenfrohen Trip ins Wunderland also ein Fortschritt sein.

Diesen Beitrag teilen
Unterstütze uns

regelmässige Spende