Benedikt Meyer
Benedikt Meyer ist Historiker und Autor. Mit «Im Flug» hat er die erste wissenschaftliche Geschichte der Schweizer Luftfahrt geschrieben, mit «Nach Ohio» seinen ersten Roman veröffentlicht. Bei higgs erzählt er in der «Zeitreise» jeden Sonntag Episoden aus der Geschichte der Schweiz. Von den Wanderungen der Helvetier bis Erasmus von Rotterdam, vom Mord in Augusta Raurica bis zu Catherine Reponds tragischem Ende und von Henri Dunant bis zu Iris von Roten.
Der Bräutigam war Pfarrer und die Braut sichtbar schwanger. Die Hochzeit von Ulrich Zwingli und Anna Reinhart war skandalös – für jeden, der die Ereignisse der letzten Jahre komplett verschlafen hatte.
Zwinglis Biografie beginnt recht gewöhnlich: Aufgewachsen im Toggenburg, Lateinschulen und Studium in Bern, Basel und Wien. 1506 wurde er Pfarrer in Glarus, schloss Ehen, taufte, predigte, bestattete und nahm Beichten ab. Er setzte sich für eine neue Schule ein, trieb einen Holzsplitter auf, der aus dem Kreuz Jesu stammen soll, und er riet kriegslustigen jungen Glarnern, sich besser vom Papst anwerben zu lassen, als von den Franzosen. Schliesslich zog Zwingli selbst in den Krieg: 1515 beobachtete der Feldprediger das Debakel von Marignano – und predigte von da an gegen das Söldnerwesen.
1516 erschien Erasmus’ neue Übersetzung der Bibel. Erasmus vertrat, was auch Zwingli an der Kirche störte. Er begann, gegen Wallfahrten zu predigen, gegen den Ablass, gegen katholische Grundsätze. 1519 wurde er Priester am Zürcher Grossmünster. Die Zürcher Obrigkeit stützte seine Positionen und bei der Bevölkerung kamen seine verständlichen und engagierten Predigten gut an. 1522 wurden Worte zu Taten: Zwingli war dabei, als im Haus seines Druckers das Fastengebot demonstrativ gebrochen und Fleisch gegessen wurde. Ein Jahr danach wurde Zwingli der Ketzerei bezichtigt, woraufhin die Regierung ihn und seine Widersacher zur «Disputation» vorlud. Zwingli gewann und predigte als Nächstes gegen die Bilderverehrung und die Messe. Es folgte ein weiterer Disput, Zwingli gewann erneut, die Bilder wurden schrittweise entfernt und die Liturgie geändert. Im Frühling 1524 heiratete Zwingli Anna Reinhart, mit der er seit Jahren in wilder Ehe gelebt hatte.

Zwinglis Tod bei Kappel 1531, dargestellt auf einer Druckgrafik aus dem 19. Jahrhundert.
Im selben Jahr begannen er und einige Unterstützer mit der Übersetzung der Bibel. Teilweise auf der Grundlage von Erasmus – und deutlich vor Martin Luther. Zwingli vernetzte sich mit Gleichgesinnten, gewann auch die Berner für die Reformation, biss aber bei den Innerschweizern auf Granit. Es kam zum Krieg. Der «Erste Kappeler Krieg» endete mit der vorläufigen Versöhnung bei der «Kappeler Milchsuppe». Den zweiten überlebte Zwingli nicht. Die Schweiz war von nun an konfessionell gespalten. Einige Kantone blieben katholisch, andere wandten sich der neuen, reformierten Kirche zu. Im Innern führte das zu ständigen Spannungen und Konflikten. Aussenpolitisch bedeutete es, dass sich in konfessionellen Konflikten neutral verhalten musste, weil eine Parteinahme das eidgenössische Bündnis zerrissen hätte.
Zeitreise
