Das musst du wissen

  • An einem Wirkstoff, der die Hirnleistung von Menschen mit Down-Syndrom verbessern soll, wird schon länger geforscht.
  • Erst kürzlich hat eine Studie zwei Substanzen an Trisomie-21-Mäusen getestet – mit positiven Resultaten.
  • Bleibt die Frage: Soll die Medizin dem Hirn von Menschen mit Down-Syndrom auf die Sprünge helfen?

Menschen mit Down-Syndrom sind anders. So anders, dass viele von ihnen in geschütztem Rahmen leben und zwischen betreuten Wohnheimen, Sonderschulen oder Werkstätten pendeln. Von Geburt an haben die meisten mit gesundheitlichen Problemen wie Herzfehlern, Fehlbildungen des Darms oder Hörschäden zu kämpfen. Das Down-Syndrom verursacht aber auch unterschiedlich ausgeprägte Hirnschäden. So haben Menschen mit Trisomie 21 oft Mühe mit dem Lernen und können sich weniger gut erinnern.

Ihrem Gehirn auf die Sprünge zu helfen – damit beschäftigt sich die Medizin schon seit Jahren. In einer kürzlich veröffentlichten Studie steigerten Forscher der Universität Pompeu Fabra in Barcelona mit zwei Wirkstoffen die Hirn- und Gedächtnisleistung tatsächlich. Die Wirkstoffe «Rimonabant» und «Ness 0327» sind bislang aber nur an Trisomie-21-Mäusen getestet worden. Andere Studien sind schon weiter – mit Tests am Menschen. So lancierte der Pharmakonzern Roche im Jahr 2010 eine Studie mit dem Wirkstoff «Memantin», der später zu «Basmisanil» umbenannt wurde. Das Medikament zeigte jedoch letztlich keine bahnbrechende Wirkung, woraufhin die Studienautoren den Test 2016 vorzeitig beendeten.

Komplexe Erbkrankheit

Gerade im Zusammenhang mit Trisomie 21 sei das nicht ungewöhnlich, sagt Anita Rauch, Direktorin des Instituts für Medizinische Genetik an der Universität Zürich. Bei anderen Krankheiten sei ähnliches passiert: «Bei Mäusen haben diese Substanzen jeweils super Ergebnisse erzielt, später beim Menschen aber nicht.» Zwar seien die Erbanlagen von Maus und Mensch zu 99 Prozent ähnlich, das eine Prozent mache aber einen grossen Unterschied. Nur schon die Hirnleistung ist bei Nagern offensichtlich viel weniger ausgeprägt. Daher geht Rauch mit Tierversuchen vorsichtig um – gerade die Erbkrankheit Trisomie 21 sei sehr komplex. Das liege insbesondere am überschüssigen Chromosom. Denn Menschen mit Down-Syndrom haben statt zwei Kopien des 21. Chromosoms deren drei. Und das in jeder einzelnen Zelle des Körpers. «Dennoch können womöglich einzelne Medikamente Menschen mit Down-Syndrom helfen», sagt sie. Etwa um Teilaspekte, wie eben die Denkleistung zu verbessern. Gerade unter diesem Defizit würden Menschen mit Down-Syndrom häufig am stärksten leiden. «Die Betroffenen, die ich kenne, fühlen sich ausgegrenzt und würden gerne mehr selbstständig machen können», sagt sie. Rauch kennt aber auch Eltern, die kritisch eingestellt sind. «Die kennen es nicht anders und wollen nichts ändern. Oder haben Angst, dass Studien-Medikamente ihren Kindern schaden könnten.»

Möglichst hohe Lebensqualität zum Ziel

Menschen mit Trisomie 21 mit Medikamenten zu helfen, scheint eine ethische Gratwanderung zu sein. Wie kann dieser Spagat also gelingen? Laut Nikola Biller-Andorno, Professorin für Biomedizinische Ethik an der Universität Zürich, ist es wichtig, Personen mit Down-Syndrom in ihrem Anderssein zu respektieren. Gleichzeitig soll man ihnen aber auch keine therapeutischen Fortschritte vorenthalten. Um die Beteiligten gut zu verstehen, sei es wichtig, mit ihnen, ihren Angehörigen oder Selbsthilfegruppen zusammenzuarbeiten. Sie findet aber grundsätzlich: «Warum sollte der medikamentöse Ansatz anders gesehen werden als andere Therapieangebote, die Menschen mit Down-Syndrom helfen, ein Leben mit möglichst hoher Lebensqualität zu führen?» Dennoch gebe es eine klare, rote Linie. «Sie verläuft dort, wo Menschen mit Trisomie 21 als Versuchskaninchen missbraucht würden», sagt sie. Dies sei mit Blick auf die strengen Regeln beim Durchführen von Studien allerdings kaum möglich.

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