Das musst du wissen

  • Der Wissenschaftsbetrieb ignoriert das Wissen von Indigenen und Lokalbevölkerung grösstenteils.
  • Wenn sich die Wissenschaft mit deren Wissen beschäftigt, dann nur, um bereits bestehendes Wissen zu bestätigen.
  • Um nachhaltigen Wandel zu erzielen, könnten die Perspektiven der Lokalbevölkerung aber einen wichtigen Teil beisteuern

Wenn Forschende und Medien darüber diskutieren, wie nachhaltige ökologische Entwicklung in Zeiten des Klimawandels aussehen muss, dann kommen gewisse Menschen noch kaum zu Wort: Die Indigenen und die Lokalbevölkerung verschiedenster Weltgegenden. Diese haben oft keinen Zugang zum westlichen Wissenschaftsbetrieb. Damit bleiben sie ausgeschlossen davon, welches Wissen über nachhaltigen Wandel heutzutage produziert wird. Und das, obwohl gerade indigene Völker nicht nur besonders stark von den Folgen der aktuellen Nachhaltigkeitspolitik betroffen sind, sondern lokale Gruppen auch seit Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden mit ihrer Umwelt leben und dementsprechend viel darüber wissen.

Forschende der Leuphana-Universität in Lüneburg haben nun eine Überblicksstudie zur Nachhaltigkeitsforschung im Magazin Ecology & Society veröffentlicht, die zeigt: Es gibt zwar Studien im Bereich Nachhaltigkeit, die das Wissen indigener Völker über nachhaltige Veränderungen beachten. Diese können so unterschiedliche Themen wie von Inuit generierte Wetterdaten oder das ökologische Wissen von Wanderhirten in Spanien untersuchen. Doch in den meisten Fällen geschieht das nur, um die bereits generierten Erkenntnisse über das arktische Wetter oder das Ökosystem auf den Wanderweiden zu bestätigen.

Science-Check ✓

Studie: Indigenous and local knowledge in sustainability transformations research: a literature reviewKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Forschenden weisen in ihrer Studie selbst darauf hin, dass ihre Ergebnisse möglicherweise dadurch verzerrt sind, dass nur auf der Datenbank Scopus und nur in englisch gesucht wurde. Relevante Studien, welche das Wissen der Lokalbevölkerung anwenden, könnten in anderen Sprachen erschienen sein. Auch ist die Anzahl Studien mit 81 eher klein. Die Studie gibt deshalb einen Hinweis aber kein gesichertes Wissen. Sie ist der Startpunkt für weitere Forschung.Mehr Infos zu dieser Studie...

Das haben sie festgestellt, indem sie auf der Datenbank Scopus systematisch diejenigen Studien identifizierten, die sowohl die Themenbereiche «transformation» als auch «indigenous local knowledge» umfassten. An den 81 entsprechenden Studien führten sie eine qualitative Datenanalyse durch, wobei sie unter anderem identifizierten, welche Methodologie die Studie benutzte, welches Verständnis von Transformation und indigenem Wissen die Forschenden anwandten.

Nach dieser Analyse mussten sie feststellen: Nur vier der 81 Studien bestätigten ihre Ergebnisse nicht nur durch lokales oder indigenes Wissen, sondern wandten es auch an, um nachhaltige Transformation zu erforschen.

Hauptautor Philip Lam erklärt in einer Mitteilung: «Wir registrierten ein sehr wissenschaftliches, positivistisches und westliches Verständnis davon, wie wir unsere Gesellschaft nachhaltiger gestalten können. Sauberere Technologien, CO₂-Reduktion und erneuerbare Energien stehen deshalb oft im Fokus.» Oft seien die Forschungsmethoden auch durch eine politische Agenda bestimmt, wie zum Beispiel beim vorherrschenden Ansatz der Konservation.

Wichtig sei es jedoch auch, einen Perspektivwechsel zu vollziehen und zu fragen, was nachhaltige Veränderung für lokale Bevölkerungsgruppen heisse. Denn dass es die Verbundenheit und Einstellung zur Natur sind, die sich ändern müssen, habe man eigentlich auch schon längst erkannt. «Indigene Völker und lokale Gemeinschaften haben ganz andere Beziehungen zur Natur, die unser wissenschaftliches Verständnis für eine nachhaltigere Gesellschaft ergänzen können.» Transformation können nur geschehen, wenn die Lokalbevölkerung einbezogen werde.

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