Benedikt Meyer
Benedikt Meyer ist Historiker und Autor. Mit «Im Flug» hat er die erste wissenschaftliche Geschichte der Schweizer Luftfahrt geschrieben, mit «Nach Ohio» seinen ersten Roman veröffentlicht. Bei higgs erzählt er in der «Zeitreise» jeden Sonntag Episoden aus der Geschichte der Schweiz. Von den Wanderungen der Helvetier bis Erasmus von Rotterdam, vom Mord in Augusta Raurica bis zu Catherine Reponds tragischem Ende und von Henri Dunant bis zu Iris von Roten.
Das Hochburgund war bedroht. Durch fehlenden Nachwuchs und übermütige Grafen. Diese waren früher bloss Beamte des Königs gewesen, unter Rudolf III aber begannen sie sich selbst wie kleine Könige aufzuführen und versuchten, sich von Rudolfs Herrschaft zu lösen. Dann, als wären die Zeiten nicht schon unruhig genug, machte der Burgunderkönig auch noch ein seltsames Geschenk. Er schenkte das Kloster Moutier-Grandval samt den zugehörigen Besitztümern dem Bischof von Basel.
Warum er dies tat, ist nicht geklärt. Möglicherweise glaubte er ans Ende der Welt im Jahr 1000 und wollte mit der Gabe an den Bischof etwas für sein Seelenheil tun. Denkbar ist aber auch ein taktisches Motiv. Hatte ein Machthaber Mühe, sich in einem Gebiet durchzusetzen, konnte er den Schaden begrenzen, wenn er es verschenkte. Einerseits wahrte er sein Gesicht, andererseits ging das Gebiet nicht an einen Rivalen.
Rudolf war 29 und kinderlos, als er das Kloster verschenkte und blieb es, bis er mit 62 Jahren starb. Sein Erbe ging an die deutschen Könige, mit denen er lose verwandt war. Die heutige Westschweiz geriet so unter Einfluss des «heiligen römischen Reichs deutscher Nation» (zu dem auch die Deutschschweiz gehörte).

Vom verschenkten Kloster zeugt heute nur noch die Kapelle von Chalières in Moutier.
Der Basler Bischof nahm Rudolfs Geschenk dankbar entgegen. Er agierte fortan als «Fürstbischof», wurde also auch weltlicher Herrscher und dehnte seinen Besitz später ungefähr aufs Gebiet des heutigen Kantons Jura (plus Berner Jura und Laufental) aus. Das Kloster wiederum wechselte zuerst vom Benediktiner- zum Augustinerorden, bevor es in der Reformation aufgelöst wurde. Erhalten ist heute bloss noch eine unscheinbare Kapelle auf dem Friedhof von Moutier.
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