Das musst du wissen

  • Katzenallergien sind weit verbreitet: Rund eine von zehn Personen leidet daran.
  • Neue Methoden zur Behandlung zielen nicht mehr nur auf die allergisch reagierenden Menschen, sondern auf die Katzen.
  • Dazu gehören beispielsweise Impfungen oder Spezialfutter, wobei letzteres bereits erhältlich ist.
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Die Corona-Pandemie hat einen regelrechten Run auf Haustiere ausgelöst. Doch die Freude am neuen Mitbewohner verfliegt bei vielen Menschen schlagartig. Dann nämlich, wenn die Augen jucken, die Nase läuft oder unvermittelt Niesanfälle kommen. Nach Milben und Pollen sind Haustiere die häufigsten Auslöser von Allergien. Am meisten Probleme machen dabei Katzen: Etwa jeder zehnte Mensch in westlichen Ländern reagiert allergisch auf sie. Insgesamt treten Katzenallergien rund drei- bis viermal häufiger auf als Hundeallergien.

«Es gibt bislang keine wirklich allergenfreie Katzenrasse»Ebenezer Satyaraj, Immunologe und wissenschaftlicher Leiter Purina

Häufiges Missverständnis dabei: Die Reaktion wird nicht durch die Katzenhaare selbst, sondern hauptsächlich durch ein Protein namens Fel-d1 ausgelöst, das die Tiere über ihren Speichel auf dem Fell verteilen. Die mikroskopisch kleinen Teilchen können sich an Staubpartikel heften und so über die gesamte Wohnung verteilen. Empfindlichen Allergikern hilft es daher nicht einmal, den Kontakt zu den Tieren zu meiden. Schlimmer noch: Selbst wenn man sich von der Katze trennt, können die Allergene auch nach Jahren noch im Haushalt nachweisbar sein.

Was lässt sich gegen eine Katzenallergie tun?

Die gängige und bislang einzig wirksame Behandlung ist eine Allergen-Immuntherapie, auch Hyposensibilisierung genannt. Dabei werden den Betroffenen über einen Zeitraum von mehreren Jahren stetig steigende Dosierungen des Hauptallergens unter die Haut gespritzt – zunächst im Wochentakt, dann in immer grösser werdenden Abständen, bis die grösstmögliche Dosis erreicht ist und dann im Monatstakt verabreicht wird. So soll sich der Körper über etwa drei Jahre allmählich an das Allergen gewöhnen, dabei Antikörper bilden und den Fremdstoff nicht mehr als Bedrohung einstufen. Auch eine Einnahme als Tropfen oder Tabletten ist möglich, wenn auch weniger effektiv.

Doch die Hyposensibilisierung hat gleich mehrere Risiken und Nachteile: Sie ist relativ teuer und zeitaufwändig. Zudem müssen Betroffene typischerweise nach jeder Spritze mindestens eine halbe Stunde in der Arztpraxis verweilen, um sicherzustellen, dass es nicht zu schweren allergischen Überreaktionen kommt. Und schliesslich gibt es auch nach jahrelanger Behandlung und Dutzenden Spritzen keine Garantie auf Erfolg. Untersuchungen deuten grob auf eine Verbesserung bei drei von vier Allergikern hin, doch die Datenlage ist relativ dünn und die Studienergebnisse zum Teil widersprüchlich. Bei Asthma und einer Reihe von anderen Erkrankungen ist diese Art der Therapie ohnehin meist keine Option.

Eine Katze schaut jagdlustig unter einer Decke hervor.unsplash/Mikhail Vasilyev

Die Allergene von Katzen können auch noch jahrelang in der Wohnung nachgewiesen werden.

Forschende suchen daher nach Alternativen, um Katzenallergien in den Griff zu bekommen – und so manches Familiendrama abzuwenden. Dabei zeichnet sich ein grundlegender Richtungswechsel ab: Nicht mehr der allergische Mensch, sondern die Katze soll behandelt werden, um Linderung zu verschaffen.

Impfung für die Katze

Diesen Ansatz verfolgt die Schweizer Firma Saiba Animal Health. Sie hat eine Impfung für Katzen entwickelt, die deren allergische Eigenschaften reduzieren soll. Ihr Impfstoff Hypo-Cat soll Katzen injiziert werden und das Immunsystem der Tiere dazu anregen, Antikörper gegen ihr eigenes Allergen Fel-d1 zu produzieren. Diese binden dann an den Allergieauslöser und machen ihn für den Menschen unschädlich.

Das geschieht über virusartige Partikel, die aus einem Pflanzenvirus gewonnen und mithilfe von Bakterien hergestellt werden, sich aber nicht vermehren können. «Wir koppeln das Fel-d1 chemisch an die Oberfläche dieser Partikel. Das Immunsystem der Katze reagiert dann, als würde es sich um ein Virus handeln, und entwickelt eine Immunantwort mit Antikörpern», erläutert Martin Bachmann, Leiter des Bereichs Immunologie am Unispital Bern und Firmengründer von Saiba Animal Health.

Die Idee, mit der Behandlung am Tier anzusetzen, sei hauptsächlich aus pragmatischen Gründen entstanden: «Eine Zulassung für einen Tierimpfstoff ist allein aufgrund der ganzen Auflagen einfacher zu bekommen als für einen Menschenimpfstoff.» Beim Menschen koste dies schon Millionen, bevor man überhaupt mit Tests zur Wirksamkeit anfangen könne, sagt der Immunologe und fügt an: «Es ist auch einfacher, eine Katze nicht mehr allergisch zu machen als alle Menschen, die mit ihr in Kontakt kommen.»

Wie sicher ist die Katzenimpfung?

Wenn sich das Immunsystem in einer starken Reaktion dauerhaft gegen körpereigene Stoffe wendet, spricht man von einer Autoimmunerkrankung. Ist das Risiko nicht zu gross, diese bei der Katze durch die Impfung auszulösen? «Darauf müssen wir am meisten aufpassen bei unserer Vorgehensweise. Wir haben deshalb sehr genau bei unseren Katzen hingeschaut, ob sie irgendeine Erkrankung zeigen, die durch die Impfung hervorgerufen werden könnte. Das war aber nicht der Fall», meint Bachmann.

Allerdings haben der Immunologe und sein Team bislang nur wenige Dutzend Katzen in Studien untersucht. Doch diese zeigen: Die Konzentration des Allergens sank um den Faktor zwei bis zehn, je nach Katze und Studie. Das hat bei sieben von neun menschlichen Probanden nach einigen Wochen zu einer deutlichen Reduktion der allergischen Symptome geführt. Ihren Erfolg messen die Forschenden dabei auch in der deutlich verlängerten Zeitspanne, nach der Streicheleinheiten allergische Reaktionen auslösten. Diese Zeit verlängerte sich bei acht der zehn Versuchspersonen von durchschnittlich 17 auf knapp 28 Minuten.

Science-Check ✓

Studie: Immunization of Cats against Fel d 1 Results in Reduced Allergic Symptoms of OwnersKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDiese explorative Studie basiert auf einem sehr kleinen Datensatz. Zudem gab es keine Kontrollgruppe. Die Resultate sind darum mit Vorsicht zu geniessen und müssen durch weitere Studien mit einer grösseren Zahl an Katzen und Personen bestätigt werden.Mehr Infos zu dieser Studie...

Dass durch die Impfung ein körpereigener Stoff der Katze unterdrückt wird, macht Bachmann bislang keine Sorgen. «Nach unserem bisherigen Wissen hat Fel-d1 in der Katze keine bekannte Funktion», sagt er. Es könne in sehr unterschiedlichen Konzentrationen und mit hohen Schwankungen selbst bei ein und derselben Katze auftreten, ohne dass sich irgendetwas anderes dadurch am Tier verändere.

Impfung als heiliger Gral?

Aber: Ganz verschwinden lassen könne man das Allergen auch durch die Impfung nicht, stellt Bachmann klar. Das sei auch gar nicht das Ziel. Von einer deutlichen Reduktion versprechen sich die Forschenden eine Linderung der Beschwerden für Menschen mit leichten bis mittelschweren Allergien. Für hochallergische Patienten sei diese Methode nicht geeignet, sagt Bachmann.

Wie viele Impfungen es braucht und ob sich irgendwann ein dauerhafter Effekt einstellt, müsse sich noch zeigen. «Am Anfang muss man zwei- bis dreimal in kurzen Abständen impfen. Danach würden wir fürs Erste von einer jährlichen Auffrischimpfung ausgehen», erklärt Bachmann. «Es kann aber gut sein, dass die nach einiger Zeit nicht mehr nötig ist.»

Eigentlich wollten die Forscher ihren Impfstoff schon 2022 auf den Markt bringen. «Es hat sich aber herausgestellt, dass das viel schwieriger ist, als wir damals gedacht haben», sagt Bachmann. Das Hauptproblem: Die Behörden in Europa verlangen, dass ein Katzenimpfstoff auch tatsächlich der Katze nützt – und nicht nur dem dazugehörigen Menschen. «Dadurch haben wir ein Nachweisproblem und das Zulassungsverfahren ist viel komplizierter, als man das für normale Impfstoffe kennt.» Die Forschenden argumentieren, dass die Katze ein besseres Verhältnis zu ihrem Besitzer hat, wenn dieser weniger allergisch auf sie reagiert. «Aber einen ganz direkten Nutzen, wie etwa den Schutz vor einer bestimmten Krankheit, gibt es natürlich nicht», räumt der Immunologe ein. In Europa hängt das Verfahren damit in der Schwebe. Anders sei dies in den USA, wo nicht die Katze im Vordergrund stehe, erklärt Bachmann. Aktuell traut er sich keine Prognose zu, wann sein Impfstoff auf den Markt kommt, geht aber von mehreren Jahren aus. Schliesslich müsste dieser vorher noch in grösseren Studien an ein paar Hundert Tieren getestet werden, so der Wissenschaftler.

Spezialfutter gegen Allergene

Eine andere Strategie verfolgt das Nestlé-Tochterunternehmen Purina. Es verspricht Personen mit einer Katzenallergie Abhilfe ganz ohne Piks für Mensch oder Tier. Es hat dazu ein spezielles Katzenfutter entwickelt. Die Firma bewirbt ihr Trockenfutter «Pro Plan LiveClear» als «das erste und einzige Katzenfutter weltweit, das Allergene auf Katzenhaaren und -schuppen effektiv reduziert und deiner Katze gut tut.»

Es enthält ein aus Eiweiss gewonnenes Protein, das das Katzen-Allergen binden und blockieren soll, sobald es an den Speichel abgegeben wird. Das neutralisierte Protein wird zwar trotzdem über die Fellpflege der Katzen in der Umgebung verteilt, aber vom Immunsystem der Besitzer nicht mehr als Allergen eingestuft. Schon ab der dritten Woche der Fütterung soll das schädliche Fel-d1-Protein auf Katzenhaaren im Schnitt um knapp fünfzig Prozent reduziert werden, behauptet das Unternehmen und verweist auf eine hauseigene Studie.

Teuer erkaufte Linderung

Im Gegensatz zu anderen experimentellen Produkten ist das Spezialfutter von Purina bereits auf dem Markt. Unabhängige Studien zur Wirksamkeit und Qualität gibt es noch nicht, weshalb Kundenbewertungen auf den Verkaufsplattformen bislang die einzige Orientierungshilfe sind. Einzelne Personen beklagen dort eine Unverträglichkeit oder gar Haarausfall bei ihren Tieren, doch von der überwiegenden Mehrheit bekommt das Futter gute Bewertungen.

Ein Allheilmittel ist das Futter aber auch nicht. «In vielen Fällen müssen Katzenbesitzer zusätzlich zum Futter noch andere Strategien heranziehen, um ihre Allergien in den Griff zu bekommen», sagt Ebenezer Satyaraj, Immunologe und wissenschaftlicher Leiter des Unternehmens. Auch das Futter wirkt also vor allem bei milden Symptomen – und hat auch einige Nachteile: Zunächst einmal muss das Futter auch von den Katzen angenommen und vertragen werden. Ist das der Fall, muss es konstant als Hauptfutter zum Einsatz kommen, da der Effekt nur bei einer dauerhaften Fütterung anhält.

Und das kann ganz schön teuer werden. Denn Purina verlangt mit rund 19 Franken pro Kilogramm einen stolzen Preis für sein Produkt. Auf Nachfrage wollten sich weder Satyaraj noch die PR-Beauftrage des Unternehmens dazu äussern, woraus sich der hohe Preis ergibt. Den Vorwurf, man nutze die Verzweiflung der Besitzer aus, die oft sehr grosse Opfer bringen, um ihr geliebtes Haustier behalten zu können, weisen die Verantwortlichen zurück. Ob das Produkt langfristig erschwinglicher wird, wollte man nicht beantworten.

Antiallergische Katzen durch Gentherapie?

Während es bei Hunden durchaus Rassen gibt, die für Menschen mit Allergien geeignet sind, haben allergische Katzenfans bislang schlechte Karten. «Es gibt bislang keine wirklich allergenfreie Katzenrasse», sagt Satyaraj. Denn sie alle produzieren das allergene Protein Fel-d1.

Durch traditionelle Züchtung wird man die Allergene also nicht aus den Katzen bekommen. Daher wollen einige Forschende das Problem mit moderner Gentechnik lösen: Denkbar wäre es, das Gen, das die Fel-d1-Produktion steuert, gänzlich zu entfernen oder aber so zu verändern, dass es eine abgewandelte, unschädliche Form des Allergens erzeugt.

Ein weiss-graubraunes Katzenbaby, das aussieht, als würde es auf einer Couch auf Kissen gestützt aufgerichtet sitzen.unsplash/Tran Mau Tri Tam

Alle Katzen produzieren das allergene Protein Fel-d1.

2006 behauptete ein kleines US-Biotech-Unternehmen, Letzteres geschafft zu haben: Es verkündete, dass es die weltweit erste anti-allergische Katze gezüchtet habe. Diese produziere zwar auch Fel-d1, doch in einer abgewandelten Form, die keine allergischen Reaktionen auslöse. Der Hype war so gross, dass Tierfreunde jahrelange Wartelisten in Kauf nahmen und bereit waren, fünfstellige Beträge für die Katzen zu zahlen. Doch als die ersten Käuferinnen und Käufer frustriert berichteten, dass ihre Niesattacken nicht weniger wurden, geriet das Startup in Schwierigkeiten. Schliesslich untersuchten unabhängige Fachpersonen Fellproben von vier der vermeintlichen Wunderkatzen und stellten fest, dass sich ihre allergischen Eigenschaften nicht von denen gewöhnlicher Stubentiger unterschieden. Das brachte der Firma Betrugsvorwürfe ein und versetzte ihr einen unrühmlichen Todesstoss.

Das hält andere Biotech-Unternehmen aber nicht davon ab, den gentechnischen Ansatz weiterzuverfolgen. Nicht zuletzt, weil ein Durchbruch in Sachen allergenfreie Katzen wohl ein Milliardengeschäft eröffnen würde. So experimentiert beispielsweise das US-Unternehmen Indoor Biotechnologies mit einer neuartigen Gentherapie. Sie soll die für das Allergen codierenden Gene ganz aus den Speichel- und Talgdrüsen der Katzen entfernen. Die Forschenden planen, die Gentherapie bei erwachsenen Katzen einzusetzen, anstatt Kätzchen im Reagenzglas zu züchten. Einen Schub erhoffen sie sich durch die Crispr-Technologie. Doch bis zur allergen-freien Katze dürfte es auch hier noch ein weiter Weg sein.

Solang es die antiallergische Katze also noch nicht gibt, könnte vielen Allergikerinnen und Allergikern in naher Zukunft ein Mix aus den anderen Instrumenten und strengen Hygienemassnahmen ein angenehmeres Leben mit ihren Tieren ermöglichen.

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