Das musst du wissen

  • Im Umkreis von 100 Kilometern um ein Kriegsgebiet haben Kinder ein grösseres Risiko, im ersten Lebensjahr zu sterben.
  • Sogar Kinder, die erst Jahre nach Kriegsende geboren werden, haben eine deutlich höhere Sterblichkeit.
  • Die Gründe liegen wohl in gesundheitlichen Problemen der Mütter, Unterernährung und Infektionen als Folgen der Kriege.

Es sind Bilder des Grauens: tote Kinder – verwundet, verstümmelt, geschändet. Afrikas Kriege fordern unzählige Opfer unter den Allerjüngsten der Gesellschaft. Doch nicht alle sterben durch Gewalt, sondern viele auch an den Folgen der Kriege: Bewaffnete Konflikte sind wesentlich für die hohe Kindersterblichkeit in Afrika verantwortlich. In welchem Ausmass, wurde bisher unterschätzt, wie eine kürzlich in der Fachzeitschrift «The Lancet» erschienene Studie zeigt.

«Wir wollen die langfristigen Folgen der Kriege für die Bevölkerung zeigen», schreibt Eran Bendavid, Mediziner an der Stanford University in einer Mitteilung. Das ist dem internationalen Forscherteam gelungen. Die Ergebnisse sind erschütternd: Ein Kind, das im Umkreis von rund 50 Kilometern um eine Kriegsregion aufwächst, trägt ein rund acht Prozent höheres Risiko, vor dem ersten Geburtstag zu sterben, als ohne bewaffnete Konflikte in der Umgebung. Abhängig von der Intensität des bewaffneten Konflikts – gemessen an der Anzahl Kriegstoter – steigt die Kindersterblichkeit zusätzlich an: Während die Sterberate in ganz Afrika bei durchschnittlich 67 Todesfällen pro 1000 Geburten liegt, steigt sie durch Konflikte auf bis 27 Prozent über diesen Wert. Auch in Regionen, die 100 Kilometer vom Konfliktherd entfernt sind, ist die Kindersterblichkeit noch deutlich erhöht. Und dies sogar bei Kindern, die bis acht Jahre nach Kriegsende geboren sind.

Kriege gehen nicht einfach so vorbei

«Dass der Krieg für eine höhere Kindersterblichkeit verantwortlich ist, kann uns nicht überraschen», kommentiert Enzo Nussio, Forscher am Center for Security Studies der ETH Zürich, die Studie. «Aber jetzt kann das auch belegt werden. Der Einfluss auf die Kindersterblichkeit ist enorm.» Das zeigen auch die Berechnungen der Forschenden aus Stanford: Zwischen 1995 und 2005 sind in Afrika 4,9 bis 5,5 Millionen Kinder unter fünf Jahren an den Folgen von Kriegen gestorben. Die Forschenden vermuten, dass gesundheitliche Probleme der Mütter, Unterernährung und Infektionen als Folgen der Kriege die Kindersterblichkeit erhöhen.

Zwischen 1995 und 2005 sind in Afrika 4,9 bis 5,5 Millionen Kinder unter fünf Jahren an den Folgen von Kriegen gestorben.

«Es herrscht die falsche Vorstellung vor, dass Kriege einfach vorbeigehen, dass man die Gegner auskämpfen lässt. Damit das Leben danach weitergehen kann», sagt Enzo Nussio. «Aber das funktioniert nicht.» Der Konfliktforscher untersucht seit vielen Jahren, welche Auswirkungen Gewalt auf das Leben der Menschen hat und wie gegen sie vorzugehen ist. «Wir müssen die Gewalt so gut wie möglich kennenlernen. Erst dann können wir sie vielleicht irgendwann verhindern.»

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