Dem Strassenverkehr wird oft vorgeworfen, er trage nichts zur Senkung des CO₂-Ausstosses in der Schweiz bei und verpasse seine Minderungsziele. Die Zahlen bestätigen dies auf den ersten Blick: In den Jahren 2008 bis 2012 war der Treibstoffverbrauch im Durchschnitt 13 Prozent höher als 1990. Damit wich er deutlich vom Ziel von minus acht Prozent des ersten CO₂-Gesetzes von 1999 ab. Das heute gültige Gesetz fordert für 2020 eine Reduktion von zehn Prozent gegenüber 1990.
Philippe Thalmann
Dem Lockdown sei Dank
Doch seit 2009 nimmt der Treibstoffverbrauch langsam ab. 2019 lag er nur noch drei Prozent über dem Wert von 1990. Dass Schweizerinnen und Schweizer während des Lockdowns im letzten Jahr viel weniger Auto gefahren sind, hat wahrscheinlich sogar dazu geführt, dass der Verbrauch etwa auf dem Niveau von 1990 war. Die Zahlen liegen noch nicht vor. Und es ist davon auszugehen, dass die Automobilität nach Corona wieder deutlich anziehen wird.
Trotzdem dürfte der Strassenverkehr damit sein Klimaziel für 2020 erreicht haben – auch wenn der Treibstoffverbrauch nicht wirklich tiefer ist als 1990 –, weil er seinen CO₂-Ausstoss gar nicht gross verringern muss! Vielmehr sieht das Gesetz vor, dass er zehn Prozent seiner Emissionen anderweitig kompensieren kann.
Über eine Milliarde Franken für Klimaprojekte
Treibstoffimporteure und ‑verteiler spannten zusammen und erheben gemeinsam einen Aufschlag auf die Benzin- und Dieselpreise. Das zusätzliche Geld fliesst in eine private Stiftung namens KliK. Seit 2013 hat dieser grosse Subventionstopf mit über einer Milliarde Franken Hunderte von Kleinprojekten zur Emissionsminderung gefördert. Das entspricht nicht gerade dem Ideal der liberalen Marktwirtschaft, aber so wollte es die Branche. Zudem mussten die Projekte alle noch von einer Bundesstelle geprüft werden.
In Zukunft muss die Branche einen wachsenden Anteil des CO₂ aus den Auspuffrohren über Klimaprojekte in der Schweiz kompensieren: dieses Jahr zwölf Prozent, ab 2022 mindestens 15 Prozent und ab 2025 mindestens zwanzig Prozent. Solche Projekte dürften in Zukunft allerdings immer schwerer zu finden sein, da auch die anderen Sektoren vermehrt in sie investieren. Es dürfte für KliK im Inland also teurer werden. Dagegen sind Kompensationen im Ausland immer noch günstig zu haben. Da kommt es der Branche entgegen, dass sie auch zunehmend im Ausland kompensieren kann: etwa fünf Prozent des CO₂-Austosses für 2022 bis 2024, dann zunehmend mehr bis 55 Prozent in 2030. Daneben wird der Brennstoffverbrauch in Zukunft weiter sinken, weil die Autos effizienter werden und die Bevölkerung immer mehr E-Autos kauft. Dafür sorgen die Emissionsgrenzen bei Neuzulassungen, die mit dem revidierten CO₂-Gesetz verschärft werden.
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Preisaufschlag wird zunehmen, aber nicht stark
Insgesamt bedeutet der wachsende Kompensationsanteil fürs In- und Ausland also nicht, dass KliK viel mehr Geld brauchen wird als heute. Der Preisaufschlag für Treibstoffe dürfte deshalb nur moderat von heute 1,5 Rappen auf gegen fünf Rappen pro Liter Treibstoff ansteigen, was der Obergrenze des heutigen CO₂-Gesetzes entspricht. Damit Autofahrerinnen und Autofahrer nicht mit exorbitanten Preisaufschlägen verängstigt werden, hat das Parlament auch ins revidierte Gesetz eine Obergrenze festgelegt: zehn Rappen bis 2024, zwölf Rappen danach. Solche Preisdeckel gehören eigentlich auch nicht in den Werkzeugkasten einer liberalen Klimapolitik.
Der Strassenverkehr ist sicher kein Vorreiter der Dekarbonisierung. Aber dank technischer Verbesserungen und umfangreicher Kompensationen hat er seinen Beitrag zu den Zielen des CO₂-Gesetzes geleistet. Mit dem revidierten Gesetz wird der von der Branche aufgebaute Mechanismus noch besser greifen – wenn auch zum Preis, dass ein zunehmender Anteil des Minderungsziels im Ausland erbracht wird.