Das musst du wissen
- Ein Social-Media-Trend auf dem Prüfstand: Verbessern Kollagen-Ergänzungsmittel die Haut? Dies wollten Forschende wissen.
- Fazit: Kollagen unterstützt zwar die Hautgesundheit. Verantwortlich sind aber eher die darin enthaltenen Aminosäuren.
- Es geht also auch einfacher: Wer täglich mehr Fleisch oder Gemüse isst, beobachtet vermutlich einen ähnlichen Effekt.
Warum wir darüber reden. Die Idee ist nicht neu, aber in den sozialen Netzwerken wieder aktuell: Influencer reden unaufhörlich von den angeblichen Vorteilen der Kollagen-Ergänzungsmittel.
Im Laufe der Jahre fand es den Weg in Bier, Matcha-Tee und Kaffee mit Mandelmilch. In New York wurde sogar eine Bar mit kollagenreicher Bouillon eröffnet. Dort können Sie eine klassische Winterbouillon aus Ochsenschwanz oder Huhn probieren, nur in einer verführerischeren und teureren Version.
Sogar Nestlé macht mit. In seinem Jahresbericht für 2019 kündigte der Lebensmittelriese bereits seine Ambitionen an, «die Referenz für Kollagen zu werden», insbesondere mit seiner Marke Garden of Life. Ausserdem erwarb das Unternehmen 2020 eine Mehrheitsbeteiligung an Vital Proteins, einer Marke, die sich auf Nahrungsergänzungsmittel, Getränke und Kollagenriegel spezialisiert hat.
Wesentliche Rolle für den Körper. Wenn Kollagen als Heiliger Gral der Ästhetik gilt, dann aus folgendem Grund: Dieses Protein – oder vielmehr diese Proteine, denn es gibt 28 verschiedene Arten – spielt für das Funktionieren des menschlichen Körpers eine wesentliche Rolle.
«Es handelt sich um die grösste Proteinfamilie im menschlichen Körper», erklärt Laure Gibot, Forscherin am nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung CNRS in Frankreich. Sie beschäftigt sich insbesondere mit der Haut und der Regeneration von Hautgewebe:
«Kollagene haben eine strukturbildende, stützende und architektonische Funktion. Sie kommen in allen Bindegeweben vor – in den Knochen, um die Blutgefässe, im Knorpel oder auch in der Haut.
Je nach Zusammensetzung des Kollagens und der Organisation der Proteine untereinander verleihen sie dem Gewebe unterschiedliche mechanische Eigenschaften.»
Die Produktion nimmt mit zunehmendem Alter ab. Das Problem ist, dass die Produktion von Kollagen und seine Organisation im Laufe des Lebens abnimmt. Dies auf zellulärer Ebene, und insbesondere unter dem Einfluss von Tabak, UV-Strahlen oder Alkohol.
Kann es helfen, täglich ein paar Gramm Kollagen oder Kollagenpeptide – auch Kollagenhydrolysat genannt – einzunehmen? Als Anti-Aging-Behandlung? Oder unterstützt es Sportler dabei, sich von einem intensiven Training zu erholen?
Ein vielversprechender Markt. In seinem Jahresbericht 2019 schreibt Nestlé, dass sein Programm Nestlé Health Science, zu dem auch Vital Proteins und Garden of Life gehören, «ein breites Portfolio an wissenschaftlich fundierten Produkten für die medizinische Ernährung und Gesundheit» umfasst.
Auf welche internen Studien oder Tests stützen sie die verschiedenen Behauptungen für ihre Produkte? Das Unternehmen hat darauf nicht geantwortet.
Die wissenschaftlichen Daten. Mehrere Studien haben sich jedoch mit der Frage der Kollagenergänzung befasst und zeigen deren positive Wirkungen.
In einer Studie, die 2020 im Journal of Cosmetic Dermatology veröffentlicht wurde, fasste ein iranisches Team die Ergebnisse von zehn Publikationen zusammen, die sich mit den klinischen Auswirkungen der oralen Einnahme von Kollagen auf die Haut befassten. Einige der Studien waren so angelegt, dass sowohl die Teilnehmenden als auch die Forschenden nicht wussten, ob sie das interessante Molekül oder ein Placebo erhielten.
Resultat:
«Die Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die orale Einnahme von Kollagen die Hautgesundheit verbessert. Fast alle untersuchten Studien berichteten über die positiven Wirkungen der Kollagenergänzung.»
Es ist jedoch anzumerken, dass die Versuchsprotokolle der Studien sehr unterschiedlich sind. Dies sowohl was die Stichproben betrifft – von zehn bis mehr als 150 Personen –, die Dauer der Nachbeobachtung – von einigen Wochen bis zu einem Jahr – und die Dosierung – von 500 Mikrogramm Rinderkollagen bis zu zehn Gramm Schweinekollagen.
Aminosäuren wie alle anderen auch. Was sagt die Expertin für die Regeneration von Hautgewebe dazu? Bevor sie antwortet, möchte Laure Gibot klarstellen, dass sie die Verdauung von Kollagen nie untersucht hat.
Die Forscherin, die auch Agraringenieurin ist, sagt: Kollegen werde – wie alle Proteine – zu Aminosäuren verdaut. Diese können die Darmbarriere durchdringen, ins Blut gelangen und sich im ganzen Körper verteilen. Doch letztlich spielt es keine Rolle, aus welcher Quelle diese Aminosäuren stammen:
«Ob man nun ein Stück Kollagen oder ein Stück Fleisch verdaut, man wird immer Aminosäuren erhalten, da es sich um Proteine handelt.
Ob jemand nun Nahrungsergänzungsmittel auf Kollagenbasis isst oder ein Steak, kommt in etwa auf dasselbe raus. Es gibt andere, viel effektivere Möglichkeiten, die Kollagensynthese zu stimulieren.»
Vitamin C ist ein Co-Faktor. Wenn man Fleisch, aber vor allem vitaminreiche Früchte und Gemüse isst, hat dies eine positive Wirkung: Vitamin C hilft den Enzymen, die für die Produktion und Organisation von Kollagenen verantwortlich sind, richtig zu funktionieren.
Stimulierung der produzierenden Zellen. Um die guten Ergebnisse von Versuchen mit Kollagenergänzungen zu erklären, stellen die Forscher folgende Hypothese auf: Die verdauten Kollagenpeptide werden die kollagenproduzierenden Zellen stimulieren.
Kollagenstücke, die aus bestimmten Abbauprozessen stammen, sind tatsächlich in der Lage, die Fibroblasten zu stimulieren – die wichtigsten Zellen, die Kollagen produzieren. Dies wurde zumindest in vitro auf zellulärer Ebene beobachtet. Wiederum mahnt Laure Gibot zur Vorsicht:
«In vitro funktioniert es, weil die Peptide in direktem Kontakt mit den Fibroblasten sind. Aber ich weiss, dass man in vitro viele Dinge beobachtet, die nicht auf den menschlichen Körper übertragbar sind. Mir sind keine verlässlichen Studien zu diesem Thema bekannt.»
Die in den Studien beobachteten Ergebnisse hängen also wahrscheinlich nicht vom Kollagen ab, sondern von Aminosäuren. Täglich mehr Fleisch oder Gemüse zu essen, würde womöglich zu ähnlichen Effekten führen.
Um überzeugende Ergebnisse zu erzielen, ist eine abwechslungsreiche, ausgewogene Ernährung unerlässlich: Dies mit viel Obst und Gemüse – vor allem Kohl und Zitrusfrüchte erhalten Vitamin C. Viel Flüssigkeit ist ebenfalls bedeutend, genauso wie der Verzicht auf Alkohol und Tabak, da sie der Haut schaden.
So viel zu den ästhetischen Aspekten. Doch auch Sportler und Bodybuilder, die ihre Leistung mithilfe von Kollagen steigern wollen, könnten enttäuscht werden.
Nicht interessant für Sportler. Finn Mahler ist Chefarzt der Abteilung für Sportmedizin am Hôpital de La Tour in Meyrin im Kanton Genf. Er hat seinen Patienten noch nie Kollagen verschrieben und versichert, dass dieser Trend in der Sphäre des Hochleistungssports nicht existiert:
«Es ist zwar wissenschaftlich nachgewiesen, dass die Einnahme einer grossen Menge an Kollagenpeptiden den Kollagengehalt in den Muskeln erhöht. Das kann man durch eine Biopsie feststellen. Alle Studien, die über Wochen und Monate durchgeführt wurden, zeigen jedoch keine Leistungssteigerung, keine Vermeidung von Verletzungsrisiken oder eine bessere Erholung der Muskeln.»
Der Arzt bestätigt eine echte Wirkung von Proteinen auf diese drei Parameter. Ihre Wirkung ist in der wissenschaftlichen Gemeinschaft und in der Sportmedizin anerkannt, aber nicht für Kollagen.
«Das Muskelvolumen nimmt vielleicht durch den höheren Kollagengehalt zu, aber die Muskelmasse bleibt unverändert, der Muskel wird nicht stärker. Persönlich glaube ich sogar, dass das Verhältnis von Gewicht zu Kraft mit einer Kollagenergänzung weniger interessant ist.»
Finn Mahler ist jedoch unbesorgt, denn es gibt keine besonderen Risiken bei der Einnahme von Kollagen. Der Facharzt für Physikalische Medizin und Rehabilitation ist der Meinung, dass es den Menschen in dieser Hinsicht freisteht, Kollagen nach eigenem Ermessen zu konsumieren. Man sollte sich nur darüber im Klaren sein, dass es keine wissenschaftlichen Gründe dafür gibt.