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Interessant an der Studie ist, dass sie vor der Pandemie durchgeführt worden ist – und auch vor dem Sturm auf das Capitol. In diesem Sinne würde ich ihr attestieren, dass sie nicht von den Turbulenzen der letzten eineinhalb Jahre beeinflusst oder verfälscht ist. Also so etwas wie einen Grundzustand aufzeigt.

Dass Menschen – egal ob konservativ oder liberal – eher Behauptungen glauben, die ihre politischen Ansichten unterstützen, ist bekannt. Aber, so zeigt die aktuelle Studie, bei Konservativen führt dies häufiger dazu, dass sie Unwahrheiten akzeptieren, während sie Wahrheiten ablehnen.

Einer der Hauptfaktoren für dieses Phänomen ist – gemäss Studienautor Kelly Garrett, Professor für Kommunikation an der Ohio State University – dass das amerikanische Mediensystem stark in rechte und liberale Medien aufgeteilt ist. Aber auch für Schweizer Verhältnisse können wir Schlüsse ziehen.

An der Studie nahmen zwischen Januar und Juni 2019 1204 amerikanische Erwachsene teil. Sie bekamen eine Anzahl politische Nachrichten vorgesetzt.

Dann mussten die Befragten entscheiden, ob sie die Geschichten für wahr oder falsch halten – und sie gaben an, wie sicher sie sich bei ihrer Einschätzung waren.

Die Teilnehmer hatten 240 Aussagen zu einem breiten Spektrum von Themen und vielen verschiedenen Standpunkten zu bewerten. Und es wurde ihre politische Positionierung erhoben.

Insgesamt neigten sowohl Liberale als auch Konservative dazu, Geschichten zu glauben, die ihre Seite begünstigten – egal ob wahr oder nicht.

Aber es gibt dennoch krasse Unterschiede. Zum Beispiel bei folgender wahren Aussage: «Eine Untersuchung der Homeland Security hat festgestellt, dass in mehreren texanischen Einrichtungen für Migranten sehr schlechte Bedingungen herrschen. Darunter extreme Überbelegung und ernsthafte Gesundheitsrisiken.»

Dies hielten 54 Prozent der Demokraten für korrekt, – im Vergleich zu nur 18 Prozent der Republikaner. Zur Erinnerung: Sie ist wahr.

Umgekehrt war das Resultat bei einer klar falschen Aussage: «Hillary Clinton hat mit Russland den Verkauf von 20 Prozent der amerikanischen Uranreserven abgesprochen und dafür Spenden für die Clinton-Stiftung erhalten.» Das ist ein Fake. Und nur zwei Prozent der Demokraten haben ihn geglaubt, aber 41 Prozent der Republikaner.

Wem nützt Wahrheit – und wem Unwahres?

Krass auch der Befund, wie die Leute einschätzten, wem Wahrheiten und Unwahrheiten nützen: 66 Prozent der wahren Aussagen wurden als vorteilhaft für Liberale charakterisiert, während nur zehn Prozent der wahren Behauptungen als vorteilhaft für Konservative angesehen wurden. Auf der anderen Seite wurden 46 Prozent der falschen Behauptungen als vorteilhaft für Konservative eingestuft, während 23 Prozent der falschen Behauptungen als nützlich für die Liberalen eingestuft wurden.

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Dazu sagt der Studienleiter: «Wir sahen, dass virale politische Unwahrheiten tendenziell Konservativen zugutekommen, während Wahrheiten eher Liberale begünstigten.»

Einen Grund für diese Differenz sieht die Studie darin, dass konservative Menschen eher ein enges Spektrum an Informationskanälen nutzen, während Liberale ein breiteres Informationsangebot nutzen. Aber, so der Autor, das sei nicht der einzige Grund.

Denn selbst wenn die Informationsumgebung berücksichtigt wurde, neigen Konservative etwas häufiger zu Fehleinschätzungen als Liberale.

Kein generelles Unvermögen

Warum das so ist, lässt sich nicht sagen. Jedenfalls ist es nicht ein generelles Unvermögen, wahr von unwahr zu unterscheiden. Bei Aussagen ohne politische Bedeutung haben Konservative und Liberale genau gleich gut abgeschnitten. Je mehr aber die sachlich korrekten Geschichten als politisch erkennbar waren, desto besser wussten Liberale gegenüber Konservativen, wahr von falsch zu unterscheiden.

Das ist relevant für die Demokratie, sagt der Studienautor. Denn Demokratie gerät ins Wanken, wenn die Menschen Schwierigkeiten haben, sich darauf zu einigen, was wahr ist.

Was ist die Lösung? Es braucht in der Schule möglichst früh Medienkunde. Denn surfen und News konsumieren tun Kids sowieso. Aber sie müssen lernen, wahr von unwahr zu unterscheiden.

Der Faktist

Der Faktist schaut ganz genau hin. Im Dschungel der wissenschaftlichen Studienresultate behält er den Überblick. Zeigt, was zusammenhängt. Und was einfach nicht aufgeht. Der Faktist ist Beat Glogger, Gründer und Chefredaktor von higgs. Jeden Dienstag als Sendung auf Radio 1 und als Video auf higgs.
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