Laut dem globalen Friedensindex (Global Peace Index 2020) ist die Schweiz das zehnt-sicherste Land der Welt. Die Rangliste wird von Island, Neuseeland und Portugal angeführt.

Das scheint die Schweizer Bevölkerung jedoch nicht zu beruhigen: Laut einer Umfrage der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) aus dem Jahr 2018 glauben 61 Prozent der Befragten, dass die Kriminalität in der Schweiz in den letzten zehn Jahren zugenommen hat. 68 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass Ausländer und Ausländerinnen immer mehr Straftaten begehen.
Die gleiche Umfrage zeigt: 2,1 Prozent der Befragten wurden in den letzten zwölf Monaten Opfer einer Körperverletzung, 6 Prozent wurden Opfer eines Diebstahls und 0,4 Prozent eines bewaffneten Raubüberfalls.

Die Studie der Zürcher Forschenden zeigt, dass die Besorgnis über Kriminalität nur sehr wenig von persönlichen Erfahrungen beeinflusst wird. Es kommen andere Faktoren ins Spiel: Häufiges Schauen privater Fernsehkanäle erhöht das Gefühl der Unsicherheit, während das Lesen überregionaler Zeitungen es reduziert, so das Fazit der Studie. «Je rechter die Befragten eingestellt sind, desto eher sind sie der Meinung, dass Kriminalität ein Problem ist», sagt Dirk Baier, Leiter der Umfrage.

In der Eurostat-Datenbank, welche die Häufigkeit von Tötungsdelikten pro 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner in 31 europäischen Ländern zeigt, liegen die Schweiz und Norwegen an letzter Stelle. Beim Vergleich der Anzahl der Raubüberfälle liegt die Schweiz auf Platz 21.

Laut den Daten der Schweizer Polizei gehören Einbrüche zu den rückläufigen Straftaten der letzten Jahre: 2019 gingen sie im Vergleich zu 2018 um 6,3 Prozent zurück. Und die Zahl der schweren Gewaltverbrechen ist auch insgesamt stabil. Im Jahr 2019 gab es 46 vollendete Tötungsdelikte (fünfzig im Jahr 2018), 161 versuchte Tötungsdelikte (149 im Jahr 2018), 637 schwere Körperverletzungen (585 im Jahr 2018) und 679 Vergewaltigungen (626 im Jahr 2018). Insgesamt zeigen die Kriminalitätszahlen in der Schweiz unter Berücksichtigung aller Delikte einen rückläufigen Trend.

Die folgende Grafik zeigt die Anzahl der Anzeigen für drei Arten von Straftaten nach dem Aufenthaltsstatus der Täter: Schweizerinnen und Schweizer mit Wohnsitz in der Schweiz, Ausländerinnen und Ausländer (25 Prozent der Wohnbevölkerung hat keinen Schweizer Pass), Personen im Asylverfahren und Personen mit befristeter Aufenthaltsgenehmigung oder ohne Bewilligung.

Der Kriminologe Marcelo Aebi, der für die Erstellung der jährlichen Kriminalitätsstatistik des Europarats verantwortlich ist, erklärt: «Personen ohne Aufenthaltsgenehmigung haben keinen Zugang zum Arbeitsmarkt. Es besteht also die Gefahr, dass sie in der informellen Wirtschaft tätig sind. Es geht nicht darum, diese Situation zu rechtfertigen, sondern sie zu erklären: Wie kann man ohne Arbeit überleben und zu Geld kommen?»

Der Kriminologe weist darauf hin, dass der Drogenhandel ein klassisches Beispiel für diese Art von Aktivitäten ist. «Wenn wir die Daten analysieren, vor allem die Überrepräsentation von Menschen aus Afrika, sehen wir, dass sie hauptsächlich im Drogenhandel aktiv sind. Wir müssen uns diesbezüglich Fragen stellen.»

In der Polizeistatistik zu Drogendelikten, die von Personen ohne Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz begangen werden, sind Personen aus Westafrika (698) und dem ehemaligen Jugoslawien (538) auf den vorderen Plätzen. Die überwältigende Mehrheit sind Männer, wie in allen kriminalitätsbezogenen Statistiken.

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Grenzen der Statistik

Konzentriert man sich wieder auf die legale Wohnbevölkerung, sowohl die schweizerische als auch die ausländische, zeigen die Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS) eine Verurteilungsquote nach Nationalität pro 1000 Einwohner:

So haben laut BFS-Daten 2019 von allen Personen, die in der Schweiz wegen Delikten nach dem Strafgesetzbuch verurteilt wurden, diejenigen aus dem südlichen Westafrika mit 52 Verurteilungen die höchste Quote pro 1000 in der Schweiz lebenden Staatsangehörigen (30). Dahinter folgen Personen aus Westafrika (21,7) mit 279 Verurteilungen. In absoluten Zahlen sind die Schweizer jedoch mit 13 842 Verurteilungen und einer Quote von 2,6 in der Überzahl.

Warum werden Verurteilungen nach Region und nicht nach Land klassifiziert?

Laut BFS besteht eine der wichtigsten Massnahmen zur Sicherstellung der Datenqualität darin, diejenigen Straftäter, bei denen ein hohes Mass an Unsicherheit bezüglich ihrer Staatsangehörigkeit besteht, nach Regionen zusammenzufassen. Und unter denjenigen mit mehreren Vorstrafeneinträgen unter verschiedenen Nationalitäten kommen viele aus Afrika.

Marcelo Aebi und das BFS selbst weisen darauf hin, dass Statistiken keine Rückschlüsse auf die Ursachen von Kriminalität zulassen. Denn sie können nicht die Faktoren berücksichtigen, die das Verhalten einer Person beeinflussen können, wie beispielsweise den Bildungsstand, die wirtschaftliche Situation, die soziale Lage, die Solidarität der Familie oder der Gemeinschaft, die Dauer des Aufenthalts im Land und die Gründe für die Einwanderung.

Der Kriminologe betont, wie wichtig es ist, die vorhandenen Kriminalitätsdaten zu verbreiten. «In einer demokratischen Gesellschaft muss der Zugang zu Informationen gewährleistet sein. Aber wenn wir über Überrepräsentation sprechen, wird das Thema schnell zu einer ideologischen Debatte», so Aebi. «Als Wissenschaftler muss ich auf die Daten reagieren. Die Frage der Überrepräsentation von Ausländern ist ein Problem in Westeuropa. Und die Schweiz ist ein besonderer Fall, wahrscheinlich wegen ihrer geografischen Lage und ihrer Kaufkraft.»

Dieser Text erschien zuerst bei swissinfo.
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