Dass Computer eine kreative Ader wie Menschen haben können, galt bis vor Kurzem als unmöglich. Doch schon heute besiegen lernfähige Computerprogramme Schach- und Go-Weltmeister mit überraschend kreativen Spielzügen. Und kürzlich kam ein von einem Programm geschriebenes Buch in die engere Auswahl eines Literaturpreises. Andere intelligente Programme malen Bilder, komponieren Musik oder schreiben Gedichte. Zwar benötigen sie für ihre Werke meist eine Art Vorlage. Doch aus dieser kreieren sie etwas Neues.

The Painting Fool

So sieht Painting Fool einen Baum.

Der wohl am weitesten fortgeschrittene Computerkünstler ist der vom britischen Forscher Simon Colton entwickelte Painting Fool. Ursprünglich sollte er helfen, kreative Prozesse beim Menschen zu analysieren. Dabei ist er selbst zu einem ausdrucksstarken Künstler geworden. Heute kreiert er Gemälde, die sogar in Galerien ausgestellt werden, sowie dank zusätzlicher Algorithmen Skulpturen und Gedichte.

Für seine Werke ist der Painting Fool nicht auf Menschen angewiesen: Er holt sich seine Inspiration im Internet und sucht sich selbst Online-Artikel aus, deren Inhalt er künstlerisch umsetzt. Seine Kreationen und die Arbeiten weiterer Computerkünstler stellen wir hier vor.

Ein Roboter malt mit Ölfarbe und Pinsel

Einen Roboter, der mit Pinsel und Ölfarbe echte Gemälde malt, haben Forschende der Uni Konstanz entwickelt. Den E-David genannten stählernen Künstler wollten wir testen und gaben bei ihm ein Gemälde in Auftrag.

E-David besteht aus einem Einarm-Roboter und einer intelligenten Software. Er beherrscht zahlreiche Malstile, die er selbst verändern und variieren kann. Als Vorlage erhält er ein Foto, das er dann in Ölfarbe auf der Leinwand umsetzt.

René Ruis

Der Roboterkünstler E-David malt ein Selbstporträt.

«E-David beherrscht das Malen schon fast so gut wie mancher menschliche Maler», sagt Oliver Deussen, Computergrafiker und «Vater» des Roboters. Denn auch Menschen malen oft nach einer Vorlage, die sie in ihrem Stil neu abbilden.

Einen grossen Unterschied zu Menschen gebe es allerdings, sagt Deussen: «E-David weiss noch nicht, was er malt.» So ist ihm wohl auch nicht bewusst, was er für uns auf die Leinwand brachte – es war, wie bei jedem grossen Künstler, ein Selbstporträt.

E-David

Selbstporträt in Öl, 30 x 40 Zentimeter gross.

Aus Geschichten werden Musikstücke

Wie klingt der Soundtrack zu Büchern? Diese Frage stellten sich zwei US-Forscher und entwickelten eine Software namens Transprose, die die Stimmung von Texten einfängt und in Musik umwandelt. Dafür analysiert sie die Wörter im Text. Aus einem Lexikon mit über 14’000 Begriffen kann sie so die vorherrschenden Stimmungen eines Buches ableiten – zum Beispiel Wut, Zweifel oder Überraschung.

Danach beginnt die Software, ein passendes Klavierstück zu komponieren. Die unterschiedlichen Tempi und Tonhöhen repräsentieren dabei verschiedene Stimmungen.

Für higgs komponierte Transprose Musikstücke aus «Wilhelm Tell», «Heidi» und der Bundesverfassung. Beim Hören wird schnell klar, dass die Technologie noch in den Kinderschuhen steckt. Doch schon in einigen Jahren soll die Software Filmmusik komponieren.

 

Originelle Ideen für Experimente

Die Quantenphysik ist die Königsdisziplin der Wissenschaft. Nur die gescheitesten Köpfe verstehen die hoch komplexe Materie. Doch selbst sie stossen manchmal an die Grenzen ihres Vorstellungsvermögens. Insbesondere das Planen komplizierter Experimente ist für Physiker eine grosse Herausforderung. Eine Forschungsgruppe in Wien hat sich deshalb die Hilfe künstlicher Intelligenz geholt. Ein von ihnen programmierter Algorithmus hat mit seinen unkonventionellen Vorschlägen für Experimente so sehr geholfen, dass ihn die Gruppe auch in Zukunft regelmässig konsultieren will.

Auch Computer können witzig sein

Was erhält man, wenn man einen Orca mit Öl einreibt? Einen Killerwöl.

Diesen Witz hat nicht ein Mensch, sondern ein Algorithmus erfunden. Entwickelt haben den Joking Computer schottische Forschende. Seinen Sinn für Humor hat sich der Computer-Witzbold mithilfe von Kindern erarbeitet: Während eineinhalb Jahren haben sie online bewertet, wie lustig die kreierten Wortspiele waren. So hat das Programm mit der Zeit gelernt, immer bessere Witze zu reissen.

«Kreativität entsteht nie aus dem Nichts»

Gottlieb Guntern ist Kreativitätsforscher und Buchautor.

Herr Guntern, können Computer überhaupt kreativ sein?

Ja, prinzipiell ist das möglich. Sie benötigen für ihre Werke zwar eine Vorlage und programmierte Regeln, doch das ist kein Hindernis. Denn auch bei uns Menschen entsteht Kreativität nie ganz aus dem Nichts: Sie beginnt immer mit dem Kern einer Idee, die wir dann weiterentwickeln.

Dann gibt es gar keinen Unterschied zwischen der Kreativität von Computern und Menschen?

Eigentlich kaum. Zwar haben Computer und Menschen unterschiedliche Herangehensweisen. Entscheidend ist aber das Endprodukt. Damit dieses kreativ ist, muss es bestimmte Kriterien erfüllen: Es muss einzigartig sein und auch funktionieren, also seinen Zweck erfüllen. Und es soll uns berühren und inspirieren – möglicherweise über Generationen hinweg. An diesen Kriterien scheitern auch Menschen immer wieder, etwa die selbst ernannten «Kreativen» aus der Werbebranche. Deshalb erzeugen viele TV-Spots beim Publikum nur gähnende Langeweile.

Können Computer das vielleicht sogar eines Tages besser?

Sie werden immer mehr Kunstwerke kreieren, etwa Gedichte und Romane, Musikstücke oder auch Parfüms. Ob sich ihre Werke aber mit menschlicher Kreativität messen können, lässt sich jetzt noch nicht sagen. Das bestimmen künftig wir als Publikum gemeinsam.

Die Erstversion dieses Beitrags erschien am 6. Mai 2016.
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