Das musst du wissen

  • Täglich betreut Gregory Fretz, leitender Arzt der Inneren Medizin am Kantonsspital Graubünden, Long-Covid-Betroffene.
  • Eine Impfung kann manchen Personen Linderung und Heilung verschaffen – bei anderen kann die Krankheit Jahre dauern.
  • Von experimentellen Therapien, die Schaden anrichten könnten, rät Fretz ab – anderes könne man ruhig ausprobieren.

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Herr Fretz, was ist die medizinische Definition von Long Covid?

Nicht alle verstehen das Gleiche darunter. Long Covid ist primär eine zeitliche Beschreibung, wenn Personen nach einer akuten Covid-19-Erkrankung noch längere Zeit Symptome haben. Im Spital halten wir uns eher an den Begriff des Post-Covid-Syndroms, der Symptome beschreibt, die noch zwölf Wochen nach der akuten Erkrankung anhalten.

Müdigkeit, kognitive Beeinträchtigungen, Hirnnebel: Ist eine langsame Erholung schon Long Covid?

Ja, bei einer Erholung, die sich über vier Wochen hinzieht, spricht man im Prinzip schon von Long Covid. Sehr unterschiedlich sind dann die klinischen Verläufe: Es gibt diejenigen, die sich nach wenigen Wochen glücklicherweise wieder komplett erholen. Doch dann gibt es auch jene, die sich über Monate, oder sogar Jahre nicht erholen. Die erste Patientin, die wir gesehen haben, kam im März 2020 zu uns. Sie ist noch immer schwer eingeschränkt. Das kann also wirklich über Jahre andauern.

Was bedeutet schwer eingeschränkt?

Die Frau arbeitete im Gesundheitswesen und war zusätzlich selbstständig. Seit zwei Jahren ist sie nun arbeitsunfähig. Immer wenn sie sich körperlich oder kognitiv anstrengt oder wenn sie emotional belastet wird, geht ihre Energie auf Null. Dann treten Kopf- und Gliederschmerzen auf – viele Betroffene beschreiben das als Grippegefühl, worunter sich wohl alle etwas vorstellen können. Dann liegt man also mehr oder weniger flach.

«Frauen machen etwa zwei Drittel der Betroffenen aus.»

Gibt es typische Long-Covid-Patientinnen und -Patienten?

Häufig sind es bei uns und in anderen Long-Covid-Zentren junge Patientinnen. Frauen machen etwa zwei Drittel der Betroffenen aus, die meisten sind zwischen zwanzig und dreissig, vielleicht vierzig Jahre alt.

Warum leiden Frauen deutlich häufiger unter den Langzeitfolgen?

Dazu gibt es erst Hypothesen. Eine basiert auf der Fehlfunktion des Immunsystems: Ein grosser Teil des Immunsystems wird auf dem X-Chromosom kodiert, wovon Frauen zwei haben, Männer nur eins. Man weiss aus Untersuchungen, dass Frauen grundsätzlich anders auf Infektionen reagieren als Männer. Wahrscheinlich ist das auch bei Long Covid einer der Hauptgründe.

Es hält sich das Vorurteil, dass sich jeder, der etwas müde ist, die Diagnose Long Covid verschreiben lässt. Ist es so einfach?

Nur Müdigkeit hat in der Regel keinen Krankheitswert. In der Sprechstunde nehmen wir uns daher viel Zeit für die Diagnose: Es gibt Fragebögen und Werte, anhand denen wir einschätzen können wie schwer die Erschöpfung ist, und welche anderen Symptome auftreten. Es ist sehr selten, dass die Müdigkeit allein auftritt.

Es werden ganz verschiedene Risikofaktoren für Long Covid genannt – von hoher Viruslast, über Autoantikörper und das Eppstein-Barr-Virus bis Diabetes Typ 2. Wirft man da nicht alles, was man nicht genau kennt, in einen Topf?

Diese Gefahr besteht. Gerade das Eppstein-Barr-Virus wurde in der Vergangenheit für ganz verschiedene Krankheiten verantwortlich gemacht. Doch es gibt auch Studien dazu, erst kürzlich fanden Forschende einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Eppstein-Barr-Virus und gewissen Fällen von Multipler Sklerose. Deshalb ist es nicht erstaunlich, dass das jetzt auch bei Long Covid kommt. Für mich ist aber noch unklar, ob da jetzt ein ursächlicher Zusammenhang besteht.

Nun ist es aber so, dass praktisch jede Person mit dem Eppstein-Barr-Virus Kontakt hatte. Dann ist es doch keine Überraschung, wenn es die Long-Covid-Erkrankten in sich tragen?

Etwa neunzig Prozent der erwachsenen Schweizer Bevölkerung sind positiv für Antikörper, hatten also Kontakt mit dem Epstein-Barr-Virus. Der Schlüssel liegt darin, dass der Körper nicht bei allen Menschen gleich auf Viren reagiert. Man konnte bei Long Covid nachweisen, dass gewisse Immun-Dysfunktionen noch nach acht Monaten messbar sind. Anhand der Messung gewisser Mediatoren im Blut kann man sehen, dass diese noch nach lange Zeit anders sind als bei Gesunden.

Und die Autoantikörper, was hat es damit auf sich?

Das ist eine spannende Geschichte. Wir sehen gewisse Phänotypen oder Cluster von Betroffenen: Es gibt jene, die vor allem die neurokognitiven Symptome haben, bei anderen stehen eher die autonomen Fehlfunktionen im Vordergrund – Magen-Darm-Beschwerden und Kreislaufprobleme. Bei letzteren findet man häufig die Autoantikörper, also solche, die sich gegen den eigenen Körper richten.

«In grossen Studien hat man inzwischen gesehen, dass bei Long Covid innerhalb eines Jahres nach dem Infekt diverse Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich häufiger auftreten.»

Im persönlichen Umkreis berichtete ein Mann mittleren Alters vom Kopfnebel-Symptom nach der Covid-Erkrankung. Das Symptom sei von einem auf den anderen Tag verschwunden, nachdem er sich impfen liess. Kann das sein?

Man weiss, dass die Impfung bei einigen zu einer deutlichen Verbesserung der Symptome führt. Das muss nicht immer in dem Masse sein wie bei Ihrem Bekannten. Aber die Symptome werden zwischen wenig und sehr viel schwächer. Das hat man auch in Genf schon bei einer kleinen Gruppe untersucht. Etwa einem Drittel der Betroffenen hilft die Impfung wirklich.

Schützt denn die Impfung auch vor Long Covid, wenn man sich nach der Impfung ansteckt?

In grossen Studien hat man inzwischen gesehen, dass bei Long Covid innerhalb eines Jahres nach dem Infekt diverse Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich häufiger auftreten. Dabei sind jene, die einen schweren Verlauf hatten, viel häufiger betroffen. Wir wissen auch, dass die Verläufe bei Geimpften milder sind als ohne Impfung. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass die Impfung vor Long Covid schützt, auch wenn es noch nicht hundertprozentig bewiesen ist.

Wie viele Leute in der Schweiz haben Long Covid?

Aus Zürich gibt es Untersuchungen, die davon ausgehen, dass es zwanzig Prozent der Erkrankten sein könnten, die über mindestens sechs Monate Symptome haben.

Bei 2,8 Millionen bestätigten Infektionen in der Schweiz wären als mehr als 500 000 Fälle. Kann das sein?

Es hängt von der Untersuchung ab: Wenn man alle Betroffenen anruft und eine ganze Palette von Symptomen abfragt, dann scheinen diese Zahlen realistisch. Die Frage ist, ob es immer klinisch bedeutsam ist. Das ist es zum Glück wohl nicht. Es sind sicher deutlich weniger, die langfristig so schwere Symptome haben, dass sie eingeschränkt sind. Da gehen wir eher von zwei bis drei Prozent aus. Die Zahlen für die Schweiz liegen dann aber natürlich noch immer bei deutlich über 50 000.

team higgs

Gregory Fretz (rechts) betreibt im Kantonsspital Graubünden die Long-Covid-Sprechstunde.

Von 2021 gibt es die Zahl, dass etwa 1800 Menschen aufgrund von Long Covid neu eine IV-Rente beantragt haben.

Diese Zahl ist verlässlich. Laut den Patientenorganisationen gibt es aber noch sehr viele, die diesen Schritt noch gar nicht gewagt haben, weil sie denken, dass sie das nicht brauchen und wieder gesund werden. Die Patientenorganisationen gehen daher von einer relevanten Dunkelziffer aus. Das kann gut das drei- oder vierfache sein.

Seit Sie sich mit Long Covid beschäftigen, sind Ihre Patientinnen und Patienten deutlich jünger als jene, die üblicherweise in der inneren Medizin sind. Was verändert das?

Üblicherweise behandle ich Menschen, die siebzig oder achtzig sind, die Long-Covid-Sprechstunde wird mehrheitlich von sehr jungen Menschen besucht. Das führt zu faszinierenden Herausforderungen: Einerseits sind sie untereinander gut vernetzt. Sie kommen schon sehr gut informiert in die Sprechstunde: Da kommen viele Vorschläge für Therapien oder Fragen zu neuen Studien, da müssen wir immer auf dem neuesten Stand sein. Junge Menschen haben auch den Anspruch, dass man viel präsenter ist und unmittelbarer in seinen Antworten. Wir bekommen E-Mails, werden über die sozialen Medien kontaktiert. Die Kommunikation mit den Betroffenen ändert sich. Für mich ist das in gewisser Weise ein Ausblick in die Zukunft, wie die Behandlung in allen Bereichen einmal sein wird.

Im Internet kursiert auch eine Menge Unsinn zu angeblichen Therapien: Chlorbleiche trinken, das Entwurmungsmittel Ivermectin – wie gehen Sie damit um?

Primär ist das für mich ein Ausdruck von Verzweiflung. Die Patienten und Patientinnen haben Symptome, ihnen konnte bisher nicht geholfen werden, sie tauschen sich aus und versuchen etwas. Wir nehmen das ernst und versuchen dann natürlich aufzuklären. Wir unterscheiden auch: Es gibt Dinge, die nicht schaden. Bei anderen Dingen, beispielsweise Ivermectin, raten wir ab. Da gibt es keine belastbaren Daten.

Stossen sie damit nicht auf Unverständnis, wenn sie so etwas ablehnen?

Nein, im Gegenteil: Die Betroffenen sind froh, wenn wir das ernst nehmen, aufklären, auf die Bedenken eingehen. Chlorbleiche und Ivermectin sind Extrembeispiele, es gibt aber auch einen grossen Graubereich, bei dem auch wir sagen müssen, dass wir es einfach nicht wissen.

Auch Klangschalen sollen gegen Long Covid helfen.

Das ist ein Beispiel für eine Behandlung, die nicht schadet. Und wir wissen, dass Achtsamkeit und Meditation bei vielen Krankheiten durchaus positive Effekte haben können. Wenn ich weiss, dass etwas keinen Schaden anrichtet, dann kann man das auch ausprobieren. Wenn ich etwas aber nicht genau beurteilen kann, bin ich vorsichtig.

«Wenn der Akku leer ist, verstärken sich die Symptome.

Aber Klangschalen bringen Long Covid nicht zum Verschwinden.

Das stimmt. Man muss aufpassen, dass die Betroffenen nicht nach jedem Strohhalm greifen. Denn das Energiemanagement ist bei Long Covid zentral. Wenn der Akku leer ist, verstärken sich die Symptome. Man spricht von der Post Exertional Malaise. Das müssen wir unbedingt verhindern. Wenn zu viele Therapien ausprobiert werden, ist das eine Gefahr.

Das Wirtschafts-Onlineportal «Inside Paradeplatz» veröffentlichte einen Artikel: «Wie der SRF Club eine Krankheit erfindet». Im Artikel wird behauptet, es gebe kein Long Covid. Das sei alles Einbildung. Die Meinung trifft man auch an anderen Orten. Was sagen Sie dazu?

Es braucht relativ grossen Mut, so etwas nach zwei Jahren Pandemie mit so vielen Betroffenen zu behaupten. Man müsste ja quasi die Hypothese aufstellen, dass das eine Massenhysterie sei, dass alles nur Einbildung sei. Aber das ist es aus verschiedenen Gründen nicht: Man kann klein anfangen, mit dem, was wir in der Sprechstunde sehen. Die Symptome sind einerseits zwar sehr vielfältig, in sich aber stimmig und gleichen sich von Fall zu Fall. Mittlerweile gibt es auch viel Forschung, die bestätigt, dass es Long Covid gibt: Nicht nur die grossen Kohortenstudien – der Grund dafür könnte ja auch die Massenhysterie sein. Sondern auch Untersuchungen zum Immunsystem, zu den Autoantikörper oder metabolisch-bildgeberische Studien. Das alles zu negieren braucht viel Mut. Was man damit erreichen will, weiss ich nicht. Schlussendlich muss man feststellen, dass es offensichtlich sehr viele Leute gibt, die einen Leidensdruck haben. Dem müssen wir ja irgendwie gerecht werden. Da bringt es nichts, einfach zu sagen, dass die sich das alle nur einbilden.

International gibt es eine Art Krankheitskatalog, das Verzeichnis der Krankheiten ICD-10. Ist Long Covid offiziell schon eine Krankheit?

Man hat relativ rasch einen Code dafür geschaffen, der international gültig ist und den wir verwenden. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat die Krankheit anerkannt, Grossbritannien hat schon früh im Sommer 2020 erste Richtlinien publiziert und gesagt, dass es diese Krankheit gibt. Das wäre schon eine sehr grosse Täuschung der ganzen medizinischen Welt, wenn sich das als Fake News herausstellen würde.

Wenn man den Hirnnebel und andere Symptome anschaut, könnte man Long Covid auch als psychische Krankheit betrachten.

Die Diskussion ist sehr spannend: Psychische Erkrankungen sind auch heute noch häufig stigmatisiert – zu Unrecht, wie ich finde. Das ist auch der Grund, weswegen da eine starke Abgrenzung erfolgt. Eine grosse Studie zu Long Covid hat psychische Gesundheit beobachtet und kommt zum Schluss, dass psychische und neurokognitive Erkrankungen im Jahr nach Covid-19 deutlich häufiger sind. Insgesamt gibt es viel neue Forschung zum Thema Neuropsychoimmunologie. Manche Fachleute behaupten, dass wir in zwanzig Jahren nicht mehr von psychischen Krankheiten sprechen, sondern von Krankheiten des Immunsystems, weil das so eng verzahnt ist. Ich kann das nicht beurteilen. Aber was wir sehen, ist, dass auch die Psyche das Immunsystem beeinflussen und negativ beeinträchtigen kann – und umgekehrt. Deswegen finde ich, dass wir das viel mehr zusammenführen müssen.

Das Nervensystem, das Denken und das Abwehrsystem hängen also zusammen. Da muss ich an den Placebo- und den Noceboeffekt denken: Könnte es mit der dauernden Medienpräsenz von Long Covid nicht sein, dass ich Long Covid bekomme, weil ich es mir herbeidenke?

Das herbeizudenken, ist schwierig. Wir tragen ja alle unseren Rucksack mit uns mit – Traumata, die wir in der Vergangenheit erlebt haben, psychische Verletzungen und so weiter. Das macht etwas mit uns, auch mit dem Immunsystem. Wenn wir dann an Covid erkranken, können wir gewisse Symptome als stärker empfinden, weil sie in der Presse so viel thematisiert werden. Dieser Effekt könnte eine Rolle spielen, aber ich glaube nicht, dass das hauptverantwortlich ist. Natürlich versuchen wir, dem in der Sprechstunde gerecht zu werden, indem wir uns Zeit nehmen und indem auch fast alle Betroffenen bei uns auch psychosomatisch mitbetreut werden. Das ist entscheidend, wenn es genau darum geht, wo man ansetzen kann, wenn es jetzt ein Nocebo wäre.

Wenn jemand also aufgrund seiner psychischen Verfassung eine Krankheit entwickelt, kann man die Krankheit dann mit dem gleichen Krankheitsbild vergleichen, das durch eine physische Ursache entstanden ist?

Das kann durchaus so sein. Man weiss, dass die Beeinflussung gegenseitig ist. Machen wir ein Extrembeispiel: Ein Patient hatte schon vorher schwere psychische Probleme, jetzt entwickelt er Long Covid. Dann gibt es viele, die sagen, er sei ja schon vorher krank gewesen, er bilde sich das ein. Vielleicht ist es so. Aber solche Personen können auch mit ihrer Vorerkrankung ein Long-Covid-Krankheitsbild entwickeln. Das wird dann genau gleich ernst genommen und genau gleich behandelt, natürlich mit einem besonderen Augenmerk auf die psychische Vorgeschichte.

Menschen, die Long Covid haben, werden ausgegrenzt. Was passiert da?

Mein Eindruck ist, dass sich das in letzter Zeit gebessert hat. Auch, weil das Problem viel Aufmerksamkeit in den Medien erhalten hat. Zu Beginn war die Skepsis deutlich ausgeprägter: Den oftmals jungen Patientinnen sah man nicht an, dass sie krank sind. Das führte dazu, dass sie teilweise verurteilt wurden, sie würden sich das einbilden. Das hat bei vielen zu grossen Konflikten geführt – nicht nur mit Arbeitgebern oder Versicherungen, sondern auch in der Familie.

Das erleben sie also auch in Ihrer Sprechstunde?

Ja. Praktisch bei allen.

Es wird bereits davon gesprochen, dass Long Covid ein Treiber des Arbeitskräftemangels werden kann, weil so viele Leute ausfallen. Folgt auf die Corona-Pandemie die Long-Covid-Pandemie, die unser Gesundheits- und Wirtschaftssystem auf den Kopf stellt?

Wir müssen alles daran setzen, dass das nicht passiert. Da läuft im Moment noch einiges, wo wir gegensteuern müssen. Es braucht viele gute Anlaufstellen. Die Betroffenen müssen ernst genommen werden, was inzwischen vielerorts der Fall ist. Zu Beginn war das schwierig: Wir Ärztinnen und Ärzte wussten nicht, wie man damit umgeht, kannten das Krankheitsbild nicht gut und in den klassischen Tests fand man nichts. Das hat sich gebessert. Es hilft, dass wir viele Betroffene haben, denen wir mit unseren interdisziplinären Sprechstunden wirklich helfen können. Es ist ja bei Weitem nicht nur so, dass wir Ärzte und Ärztinnen uns kümmern: Es braucht Ergotherapie, Physiotherapie, Psychosomatik, Versicherungsmediziner.

Also sitzt in allen Long-Covid-Sprechstunden nicht einfach ein Arzt oder eine Ärztin, sondern es handelt sich um ein Team von Fachexperten, die bei der Behandlung zusammenarbeiten?

Genau. Gerade gestern hatte ich einen Austausch mit dem Long-Covid-Zentrum in Genf. In dem Team sind es etwa fünfzehn Personen: Innere Medizin, Neurologie, Physio, Ergo, Psychiatrie, Neurologie, Pneumologie. Das ist in allen Zentren so. Das zeigt, wie komplex die Krankheit ist, und dass nicht einfach jemand allein sagt: Das ist jetzt Long Covid. Diese Absprache braucht es aber nicht bei allen. Ein sehr grosser Teil wird gut und kompetent in der Grundversorgung behandelt und ohne das würde es gar nicht funktionieren.

Auf der Seite der Forschung hat die Schweiz ein Nationales Forschungsprogramm zu Long Covid initiiert. Was muss auf der Seite der Politik noch passieren?

Politisch hat sich einiges getan. Das Bundesamt für Gesundheit hat eine Arbeitsgruppe, die sich jetzt sehr breit aufgestellt mit den Fragen rund um Long Covid auseinandersetzt. Vielleicht geht das teilweise etwas zu langsam, aber ich denke, man ist sich bewusst, dass viele Betroffene Hilfe brauchen, und man versucht dem gerecht zu werden.

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