Benedikt Meyer


Benedikt Meyer ist Historiker und Autor. Mit «Im Flug» hat er die erste wissenschaftliche Geschichte der Schweizer Luftfahrt geschrieben, mit «Nach Ohio» seinen ersten Roman veröffentlicht. Bei higgs erzählt er in der «Zeitreise» jeden Sonntag Episoden aus der Geschichte der Schweiz. Von den Wanderungen der Helvetier bis Erasmus von Rotterdam, vom Mord in Augusta Raurica bis zu Catherine Reponds tragischem Ende und von Henri Dunant bis zu Iris von Roten.

Alles begann mit dem Habicht des Grafen Radbot – jedenfalls gemäss Legende. Als der Herrscher des Klettgaus in der Nähe von Brugg auf die Jagd ging, stürzte sich der Greifvogel nicht auf die davonspringenden Hasen, sondern flog stattdessen auf einen Hügel: den Wulpelsberg. Radbot wollte das wertvolle Tier nicht verlieren, folgte ihm auf die Anhöhe und bemerkte, dass man von dort einen ausserordentlich guten Blick über das Umland hatte. (Das hatten übrigens schon die Römer bemerkt, weshalb sie hier unweit des Legionslagers in Windisch einst eine Signalstation errichtet hatten).

Radbot liess der Ort keine Ruhe und bald begann er auf dem Wulpelsberg mit dem Bau einer Burg. Zu Ehren des Vogels, der ihn dazu inspiriert hatte, nannte er sie Habichtsburg. Allerdings ging ihm bald das Geld aus und so bat er seinen Bruder Werner – seines Zeichens Bischof von Strassburg – um Unterstützung. Dieser wollte sich erst einmal anschauen, in was er sein Geld investierte und besuchte Radbot auf dem neuen Sitz. Die Enttäuschung war gross: Nur ein steinernes Haus, dazu ein paar hölzerne Hütten und Verschläge waren zu sehen. Nicht mal eine ordentliche Burgmauer fand er vor!

Schweizerisches Nationalmuseum

Ansicht der Habsburg aus der Chronik von habsburgischen Adligen, um 1560.

Radbot beruhigte seinen Bruder: Er solle sich schlafen legen. Bis zum nächsten Morgen würde Radbot eine Mauer um die Burg ziehen. Als Werner erwachte, war er überrascht: Rund um die Burg lagerte eine beträchtliche Zahl schwer bewaffneter Ritter. Treue Gefolgsleute – erklärte Radbot – seien eben wichtiger als starke Burgmauern.

Auch Werners Besuch ist historisch nicht gesichert. Die Geschichte weist aber auf einen wahren Punkt mittelalterlicher Herrschaft hin: Beziehungen waren oft wichtiger als Burgen und Landbesitz. Radbot und seine Nachfahren jedenfalls pflegten beides. Die Burg über dem Städtchen Brugg wurde kontinuierlich ausgebaut und war um 1250 bereits eine der grössten der Gegend. Noch beeindruckender waren aber die politischen Erfolge der Familie von der Habichts- oder eben von der Habsburg: Sie wurde zum wohl mächtigsten Adelsgeschlecht überhaupt. Die Habsburger beherrschten nicht nur grosse Teile Europas, nach 500 Jahren reichte ihr Herrschaftsgebiet sogar in die Neue Welt. Bloss die Habsburg und ihre aargauischen Stammlande hatten die Habsburger bis dahin verloren.

Digital in die Vergangenheit


Dieser Beitrag erschien erstmals auf dem Blog des Schweizerischen Nationalsmuseums.

Der Blog des Schweizerischen Nationalmuseums publiziert regelmässig Artikel über historische Themen. Diese reichen von den Habsburgern über Auslandschweizer bis hin zu heimischer Popmusik, die es zu Weltruhm gebracht hat. Der Blog beleuchtet viele Facetten der Landesgeschichte in den Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch. Mehr dazu gibt es unter: blog.nationalmuseum.ch

Zeitreise

In der «Zeitreise» erzählt der Historiker und Autor Benedikt Meyer Episoden aus der Geschichte der Schweiz. Von den Wanderungen der Helvetier bis Erasmus von Rotterdam, vom Mord in Augusta Raurica bis zu Catillons tragischem Ende und von Henri Dunant bis Iris von Roten. Die Serie erschien erstmals bei Transhelvetica und auf dem Blog des Schweizerischen Nationalmuseums.
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