Das musst du wissen

  • Mit Raketen, die wieder zurück auf die Erde kommen, bewerben Musk und Bezos, wie nachhaltig ihre Raumfahrt ist.
  • Trotzdem könnte die Massenware im All zum Problem werden.
  • Ein Schweizer Astrophysiker sieht eine massive Zunahme von Weltraumschrott auf uns zukommen.

Private Raumfahrt boomt: Erst Anfang Jahr hat der milliardenschwere Amazon-Gründer Jeff Bezos mit seinem Raumfahrtunternehmen «Blue Origin» sechs Kleinsatelliten in den Orbit geschickt. Gefolgt von Elon Musks Satelliten, von denen der Tesla- und SpaceX-CEO kürzlich gleich sechzig ins All entsandt hat – rund 12 000 weitere sollen folgen. Videos von zurückkehrenden Trägerraketen, die die Satelliten ins All bringen, wollen weismachen, dass deren Konzept nachhaltig sei.

«Ist es aber nicht», sagt Thomas Schildknecht, Astrophysiker und Vizedirektor des Astronomischen Instituts der Uni Bern. Die eigentliche Idee hinter diesem Geschäftsmodell sei nicht die Nachhaltigkeit, sondern: «Je mehr Satelliten sich von einer Firma im All befinden, desto weniger macht es aus, wenn einige ausfallen», sagt Schildknecht. Neue Satelliten sind zwar so programmiert, dass sie sich am Ende ihrer Laufzeit selbst zum Wiedereintritt in die Erdatmosphäre bringen und dort verglühen. Doch ein Satellitenbetreiber müsse damit rechnen, dass nicht alle seine Satelliten die vorgesehene Betriebsdauer erreichten, etwa wenn ihre Geräte von Trümmerteilchen getroffen würden. Im Normalfall liegt die Ausfallrate von Satelliten bei etwa zehn bis zwanzig Prozent. Bei tausend Satelliten und einer Ausfallrate von zehn Prozent blieben also 100 Stück als Schrott oben. «Dieser zusätzliche Weltraumschrott ist eine grosse Herausforderung.»

Thomas Schildknecht

Thomas Schildknecht ist Astrophysiker und Vizedirektor des Astronomischen Instituts des Universität Bern. Mit seinem Team beobachtet er Weltraummüll-Teilchen und sammelt Daten zu deren Anzahl, Grösse und Position.

Immer mehr Schrottsplitter

Unser Orbit ist ohnehin schon voller Müll. Raketenreste, ausgediente Satelliten und Trümmerteile. Von den über einen Zentimeter grossen Objekten hat es mehr als 900 000. Im Weltraum können selbst kleinste Teilchen von ein paar Millimetern Durchmesser und einer Geschwindigkeit von bis zu 40 000 Kilometern pro Stunde zu gefährlichen Geschossen werden. Das wird zunehmend zur Gefahr für aktive Satelliten, die durch eine Kollision ausfallen könnten. Auch die internationale Weltraumstation ISS musste schon mehrere Male Schrottteilchen ausweichen. Vor allem die Zahl der kleinen Teilchen nimmt exponentiell zu. Denn immer, wenn Objekte miteinander kollidieren, zersplittern sie in noch kleinere Teile.

Konzepte, um diesen Müll zu beseitigen, gibt es viele: Laser etwa, die die Teilchen zu Fall bringen sollen, oder Sonden, die sie einfangen. «Alles herunterzuholen, ist sicher nicht realistisch», sagt Schildknecht. Wichtig sei die Entsorgung grosser Objekte wie alte Trägerraketen oder ausrangierte Satelliten, da diese bei einer Kollision am meisten Bruchstücke produzieren würden.

Hier siehst du, wie ein Satellit von SpaceX ins All geschossen wird und die Seitenteile der Rakete danach wieder am Boden landen.

«Wir müssen das Problem Weltraumschrott in den Griff bekommen»

Doch noch drängender sei es angesichts der neuen Raumfahrt-Ära der Massenproduktion und Kommerzialisierung, neuen Schrott zu vermeiden. Damit das funktioniere, sollte es etwa verboten werden, defekte Objekte oben zu lassen. Das dränge insbesondere deshalb, weil keiner wisse, wie sich die kommerzialisierte Raumfahrt weiterentwickle. «Wenn man aber in fünfzig Jahren noch sinnvoll Weltraumfahrt betreiben will, müssen wir das Problem Weltraumschrott klar in den Griff bekommen.»

Für den Nerd in dir:

Hier kannst du in Echtzeit nach Weltraumschrott Ausschau halten. (Aufgepasst: Die Teilchen sind grafisch grösser dargestellt als sie in Wirklichkeit sind.)

Diesen Beitrag haben wir ursprünglich für nau.ch geschrieben.
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