Das musst du wissen
- Flexible Arbeitszeiten bringen viele Vorteile, doch sie bergen die Gefahr der Selbstausbeutung, zeigt nun eine Studie.
- Menschen, die flexibel arbeiteten, machten im Schnitt eine unbezahlte Überstunde pro Woche.
- Das war vor allem bei kinderlosen Männern und Frauen sowie bei Müttern, die in Teilzeit arbeiteten, der Fall.
Morgens in Ruhe den Nachwuchs in den Kindergarten bringen und erst um zehn Uhr ins Büro gehen, abends nach der Gutenachtgeschichte noch zwei, drei E-Mails schreiben. Für viele Menschen ist es eine Erleichterung, wenn sie selbst bestimmen können, wann und wo sie arbeiten. Und für Eltern ist es ein Weg, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Doch hinter flexiblen Arbeitszeiten kann sich auch eine Form der Ausbeutung verstecken, wie eine kürzlich erschienene Studie aufzeigt.
Darin untersuchen zwei Soziologen Arbeitszeitdaten aus Grossbritannien. Sie analysierten, wie sich verschiedene Modelle flexiblen Arbeitens auf die Anzahl unbezahlter Überstunden auswirkten. Überraschenderweise arbeiteten diejenigen, die Beginn und Ende ihres Arbeitstages selbst bestimmen konnten, fast eine Stunde pro Woche mehr – und das unbezahlt.
Bisherige Studien hatten aufgezeigt, dass flexible Arbeitszeiten bestimmte Vorteile bringen. Zum Beispiel vermindere eine freie Zeiteinteilung Konflikte zwischen Arbeits- und Familienleben, Arbeitnehmende seien generell zufriedener und identifizierten sich stärker mit ihren Unternehmen, erklärt Andreas Hirschi, Leiter der Abteilung Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Bern.
Überstunden bei hohem Leistungsdruck
Aber die aktuelle Studie zeige: «Wenn man Menschen die Flexibilität gibt, zu arbeiten wann und wo sie wollen, dann birgt das auch die Gefahr, dass diese Menschen einfach mehr arbeiten. Sie setzten sich vielleicht abends nochmal hin und beantworten E-Mails, ohne dass sie diese Zeit aufschreiben oder sie ihnen vergütet wird», sagt Hirschi. Das gelte besonders dann, wenn die Flexibilität mit anspruchsvollen Leistungszielen verbunden sei. Denn laut der Studie machten die Arbeitnehmenden dann unbezahlte Überstunden, wenn ihre gleitenden Arbeitszeiten Teil einer Strategie zur Leistungssteigerung ihres Unternehmens waren. Das heisst, sie waren zwar flexibler, aber man erwartete auch mehr von ihnen.
Dabei waren es hauptsächlich kinderlose Männer und Frauen, die unbezahlte Mehrarbeit leisteten. Mütter mit einem Arbeitspensum von 100 Prozent machten hingegen keine unbezahlten Überstunden. «Es ist immer noch so, dass Mütter im Schnitt mehr Hausarbeit leisten als Väter. Voll arbeitende Mütter haben also gar nicht die Möglichkeit, für Überstunden zusätzliche Zeit aufzubringen», sagt Hirschi. Anders Mütter, die in Teilzeit arbeiteten: Ähnlich wie kinderlose Männer und Frauen machten auch sie pro Woche fast eine unbezahlte Überstunde. So bringen sie zwar Beruf und Familie unter einen Hut; effektiv arbeiten sie aber einfach mehr für weniger Geld.