Das musst du wissen

  • Pro Tag brauchen Menschen dreissig bis fünfzig Prozent weniger Wasser als die anderen Menschenaffen.
  • Das könnte daran liegen, dass die frühen Menschen ihre Ernährung auf weniger wasserhaltige Kost umstellten.
  • Dass wir auf weniger Wasser angewiesen sind, könnte auch mit unserer abstehenden Nase zu tun haben.
Den Text vorlesen lassen:

Affen halten uns Menschen den Spiegel vor – und helfen uns so zu verstehen, was uns eigentlich zu Menschen macht. Vergleichen wir uns mit anderen Primaten, denken wir womöglich schnell an unsere deutlich grösseren Gehirne und daran, dass wir uns mit zwei und nicht vier Beinen fortbewegen. Wir können uns komplex ausdrücken und arbeiten kooperativ zusammen. Dies sind weitere Fähigkeiten, die bei uns Menschen besonders ausgeprägt sind. Andere Primaten zeigen dieses soziale Verhalten meist in einer einfacheren Form.

Nun hat ein internationales Team aus Forschenden zum ersten Mal Unterschiede im Wasserhaushalt genauer unter die Lupe genommen. Dabei ermittelten die Anthropologen und Evolutionsbiologen, wie viel Flüssigkeit wir im Vergleich zu anderen Menschenaffen jeden Tag umsetzen, wie viel wir also aufnehmen und ausscheiden. Die Studie dazu ist kürzlich in der Fachzeitschrift Current Biology erschienen. Die Forschenden sind zum Schluss gekommen, dass wir Menschen uns im Laufe der Evolution zu regelrechten Wassersparern entwickelt haben. Im Vergleich zu unseren nächsten Verwandten brauchen wir viel weniger Wasser – und nutzen es auch effizienter.

Science-Check ✓

Studie: Evolution of water conservation in humansKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Anzahl der untersuchten Menschenaffen und Menschen ist nicht besonders gross. Weitere Experimente müssen durchgeführt werden, um unsere abweichende Durstreaktion und das Wasser-Kalorie-Verhältnis zu bestätigen. Ob das beobachtete Muster des Wasserumsatzes bei den Menschenaffen über alle Spezies hinweg konsistent ist, muss noch überprüft werden: zum Beispiel auch mit wildlebenden Menschenaffen.Mehr Infos zu dieser Studie...

Um nun den Wasserverbrauch von Menschen und anderen Menschenaffen zu vergleichen, bestimmten die Forschenden zuerst zwei Versuchsgruppen. Die erste Gruppe bestand aus 309 Probanden, welche aus Amerika, Ghana, Tansania, Jamaika und den Seychellen stammten. Zu den Teilnehmenden gehörten sowohl traditionell lebende Bevölkerungsgruppen der Jäger und Sammler als auch Bauern und moderne Büroangestellte. Zudem beobachteten die Forschenden 72 Menschenaffen: Orang-Utans, Schimpansen, Bonobos und Gorillas. Die Affen lebten alle in Gefangenschaft, das heisst in Zoos oder Auffangstationen. Für die Messung bekamen alle Teilnehmenden markiertes Wasser, das nach dem Ausscheiden wiedererkennbar ist. Um den Wasserumsatz zu berechnen, erfassten die Forschenden die gesamte eingenommene und ausgeschiedene Menge an Wasser.

Die Resultate der Studie waren eindeutig: Wir Menschen sind das Sparmodell unter den Menschenaffen. Wir brauchen ganze dreissig bis fünfzig Prozent weniger Wasser am Tag. Eine durchschnittliche Person konsumiert drei Liter am Tag, der Schimpanse im Durchschnitt fast doppelt so viel.

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Diese Ergebnisse überraschten die Forschenden, denn wir Menschen haben eine hervorragende Fähigkeit: Wir schwitzen und verlieren dabei äusserst viel Wasser. Bis zu zwei Liter Schweiss können wir pro Stunde ausscheiden. Im Vergleich zu Schimpansen haben Menschen ungefähr zehn Mal so viele Schweissdrüsen. Dies könnte ein Vorteil gewesen sein, als unsere Vorfahren Regionen mit heisserem Klima erschlossen. Denn damals wie heute ist Schwitzen gesund für uns: Es schützt den Körper vor Hitzestress.

Die Forschenden staunten ausserdem über die Ergebnisse, weil wir Menschen im Vergleich zu anderen Menschenaffen sehr aktiv sind. Orang-Utans, Gorillas, Bonobos und Schimpansen schlafen bis zu knapp zehn Stunden am Tag und haben auch sonst einen eher gemütlichen Lebensstil. Wie gross und aktiv ein Körper ist, korreliert stark damit, wie viel Wasser er benötigt.

Obwohl Menschen sich also mehr bewegen, brauchen sie weniger Wasser als ihre nächsten Verwandten. Zudem speichern sie die Flüssigkeit auch besser. Wie das dem menschlichen Körper gelingt, ist noch unklar. Die Studienautoren stellen aber Hypothesen auf, wie sich diese Fähigkeit entwickelt haben könnte.

Die Forschenden vermuten, dass sich die Fähigkeit, mit weniger Wasser auszukommen, während der Evolution herausgebildet hat. Wenn Säugetiere essen, werden im Darm Reize ausgelöst. Diese Signale werden dann ans Gehirn weitergeleitet, wo das Durstzentrum aktiviert wird. Diese Durstreaktion hat sich im Laufe der Evolution beim Menschen anders entwickelt als bei anderen Tieren. Als die Menschen zu Jägern und Sammlern wurden, änderten sie ihre Ernährung. Sie begannen, Fleisch zu essen und ihre Nahrung zu kochen. Pro Mahlzeit stand ihnen nun eine viel dichtere Menge an Kalorien zur Verfügung. Im Vergleich zu Menschenaffen, die im Regenwald leben, enthält unsere Nahrung achtzig Prozent mehr Energie pro Gramm und zudem weniger Wasser.

Pro Kilokalorie, die wir uns heute zuführen, nehmen wir ausserdem achtzig Prozent weniger Wasser auf als Menschenaffen. Dieser Unterschied von weniger Flüssigkeit pro Nahrungsenergie zeigt sich schon in unserer Muttermilch: In unserer Babynahrung nehmen wir im Vergleich zu den restlichen Menschenaffen 25 Prozent weniger Flüssigkeit zu uns. Die Ernährungsumstellung machte uns zu Trinkern: Der Mensch begann, seinen Wasserbedarf nicht nur über die Nahrung zu decken, sondern sich eine Erfrischung zu gönnen. Alle eng mit uns verwandten Menschenaffen hingegen beziehen das Wasser hauptsächlich aus der Nahrung. Diese wasserhaltige Kost besteht meist aus Früchten und Blättern. Deshalb können sie manchmal sogar wochenlang auskommen, ohne zu trinken. Allerdings nur, wenn Nahrung vorhanden ist.

Die Evolution scheint über die Jahrtausende physiologische Veränderungen beim Menschen befördert zu haben, welche den Wasserumsatz verringerten. Aufgrund der physiologischen Anpassungen über eine sehr lange Zeit, konnten die Menschen sich immer weiter von Nahrungsquellen, Wasserlöchern und Flüssen entfernen – weiter als andere Primaten. «Etwas länger ohne Wasser auszukommen, war ein grosser Vorteil für die frühen Menschen, die anfingen, die trockenen Savannen zu besiedeln», sagt Herman Pontzer, Professor für evolutionäre Anthropologie an der Duke University und Hauptautor der Studie, in einer Mitteilung. Die damaligen Menschen seien weniger von Gefahren bedroht gewesen, wenn sie Wasserquellen mehr meiden konnten. Denn wo es Wasser gibt, hat es auch eher Feinde.

Eine weitere Hypothese, warum der Mensch weniger Wasser braucht, könnte unsere Nase sein. Aus Fossilfunden wissen wir, dass schon unser Vorfahre Homo Erectus vor 1,6 Millionen Jahren eine prominente Nase hatte. Die untersuchten Menschenaffen haben im Gegensatz zu uns ein eher flaches Riechorgan. Die abstehenden Nasengänge könnten helfen, das Wasser zu konservieren, so die Hypothese der Forschenden. Die ausgeatmete Luft kühlt in den Gängen ab und kondensiert dadurch. Die so entstandene Flüssigkeit kann an der Innenseite der Nase wieder aufgenommen werden. Mit jedem Atemzug sparen wir also vielleicht ein wenig Wasser.

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