Die Grossbank Credit Suisse (CS) und die Universität St. Gallen (HSG), die für ihre wirtschafts- und rechtswissenschaftlichen Studiengänge bekannt ist, kündigten im März dieses Jahres eine strategische Partnerschaft an. Im Rahmen dieser Kooperation sollen in den nächsten zehn Jahren zwanzig Millionen Schweizer Franken von der Bank an die HSG fliessen.

Von diesen privaten Fördermitteln sind zehn Millionen Franken für den Start eines neuen Forschungszentrums, des HSG Center for Financial Services Innovation, und den Aufbau mehrerer Professuren bestimmt. Das neue Forschungszentrum wird sich auf «Schnittstellen zwischen Finanz, Management und Recht» konzentrieren. Später sollen weitere Kooperations-Projekte folgen.

«Zusätzlich zur unabdingbaren öffentlichen Grundfinanzierung ermöglichen solche Kooperationen mit externen Partnern internationale Spitzenforschung, -lehre und -weiterbildung an der HSG», wurde Rektor Bernhard Ehrenzeller in einer Stellungnahme im März zitiert.

Die Universität unterstrich, die Partnerschaft mit der Credit Suisse beeinträchtige die Freiheit von Forschung und Lehre nicht. Dies sei «selbstverständlich auch» in den vertraglichen Vereinbarungen verankert worden.

Bei einer Pressekonferenz hiess es weiter, die Hochschule mache sich keine Sorgen, dass Probleme der Bank – aktuell leidet die Credit Suisse unter den finanziellen Auswirkungen ihres Engagements bei zwei gescheiterten Firmen, darunter Greensill – den Ruf der HSG beeinträchtigen könnten.

Die HSG ist bei weitem nicht die einzige Schweizer Bildungsinstitution, die sich in einem weiteren Umkreis nach Finanzmitteln umschaut: Am selben Tag im März gaben die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ) und das Technologieunternehmen ABB bekannt, dass sie ihre bestehende Partnerschaft auf Robotikforschung ausgeweitet haben.

Tatsächlich werden fast alle zehn Universitäten und die beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen der Schweiz in irgendeiner Form von Unternehmen (und anderen privaten Geldgebern wie etwa Stiftungen) unterstützt. Und die Tendenz ist steigend.

Mangelnde Finanzierungsmöglichkeiten

Es stellt sich die Frage, warum die Schweizer Universitäten zunehmend nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten Ausschau halten. Die Schweizer Hochschul-Institutionen haben einen guten internationalen Ruf und ziehen regelmässig Studierende und Personal aus der ganzen Welt an. Aber ihre Kernfinanzierung kommt von den Kantonen oder dem Bund und die Studiengebühren sind nach wie vor niedrig.

Und hier liegt ein Teil des Problems. Die öffentliche Finanzierung reiche für bestimmte Bereiche der Wissenschaft heute nicht mehr aus, erklärte die HSG bei der Ankündigung ihrer Partnerschaft mit der Credit Suisse (weitere Sponsoren sollen später hinzukommen). Experten fügten hinzu, strategische Partnerschaften würden den Universitäten mehr Autonomie erlauben, ihre eigenen Prioritäten zu setzen.

Lehren gezogen

Die HSG hat ihren Vertrag mit der Credit Suisse öffentlich gemacht, und viele andere Schweizer Hochschul-Institutionen tun dies im Namen der Transparenz heute ebenfalls. Sie zogen damit die Lehren aus den Erfahrungen der Universität Zürich (UZH), die 2013 ihren zuvor geheimen Sponsoringvertrag mit der UBS offenlegen musste, der grössten Schweizer Bank.

Der Hundert-Millionen-Franken-Deal aus dem Jahr 2012 hatte die private Finanzierung für staatliche Hochschulen und das Thema Transparenz ins Rampenlicht gerückt. Seit 2019 veröffentlicht die UZH eine Liste ihrer Drittmittel-Spenden.

Risiken bleiben

Damit seien die Risiken nicht einfach aus dem Weg geräumt, sagt Markus Müller, Professor für öffentliches Recht an der Universität Bern und einer der Initianten des Zürcher Appells. Diese Online-Petition für die Wahrung der akademischen Unabhängigkeit war im Zuge der Vereinbarung zwischen der UZH und der UBS ins Leben gerufen worden.

Das Hauptproblem beim Sponsoring an Universitäten seien nicht allein die offensichtlichen Risiken für die Forschung, argumentiert er. Es gehe um die langfristige Unterminierung der Glaubwürdigkeit der Hochschul-Institutionen.

Wenn beispielsweise die Credit Suisse, eine auf dem internationalen Finanzmarkt wichtige Bank, einen erheblichen finanziellen Beitrag an eine Forschungseinrichtung leiste, die genau in diesem Bereich forsche, entstehe der Eindruck einer Abhängigkeit, sagt er. Dieser Eindruck lasse sich auch durch Zusicherungen der Unabhängigkeit durch den Sponsor oder die Universität nicht ausräumen.

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«Was in Verträgen steht, ist das eine; der Eindruck, den die Öffentlichkeit bekommt, ist etwas anderes. Für die Glaubwürdigkeit der Forschung ist Letzteres entscheidend», sagt Müller.

Es mag sein, dass es nicht genügend öffentliche Gelder für gewisse Forschungseinrichtungen gibt. «Das rechtfertigt aber nicht, Gelder zu beschaffen und private Sponsoren anzuziehen, welche die Integrität des betroffenen Forschungsbereichs gefährden», so Müller weiter.

«Meiner Meinung nach gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder man verzichtet auf diese Forschungseinrichtung oder man sammelt Gelder, die nicht in der von mir zuvor erwähnten Art und Weise ‹toxisch› sind.»

Chancen

Andere hingegen sehen im Bereich des Sponsorings noch «grosses ungenutztes Potenzial», um einen Teil des Titels eines Positionspapiers des Schweizerischen Wirtschaftsverbands Economiesuisse aus dem Jahr 2018 zu diesem Thema zu zitieren.

Der Anteil privater Finanzmittel für Hochschulen in der Schweiz (17 Prozent wie in der Grafik unten zu sehen, gegenüber 14 Prozent im Jahr 2013) liegt noch weit hinter anderen Ländern zurück. In Japan, den USA und Grossbritannien zum Beispiel ist die Praxis viel weiter verbreitet.

Entscheidend in der Debatte um die Unabhängigkeit sei ein klares Rollenverständnis bei solchen Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Universitäten, erklärt Rudolf Minsch, Chefökonom der Organisation.

«Private Sponsoren müssen akzeptieren, dass das Forschungsergebnis nicht planbar ist, und dass die Forschenden an die Grundsätze der guten wissenschaftlichen Praxis gebunden sind», sagt Minsch.

«Die Universitäten müssen akzeptieren, dass ihr Wissen wichtig ist für die Innovation in diesem Land, welche die Basis unseres Wohlstands ist. Das Ziel ist nicht immer, ein [Einkommen generierendes Technologie]-Spin-off [Unternehmen] zu gründen. Oft ist ein Wissenstransfer oder eine Zusammenarbeit mit bestehenden Firmen erfolgversprechender.»

Dieser Text erschien zuerst bei swissinfo und wurde von Rita Emch aus dem Englischen übertragen.
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