Das musst du wissen

  • Am 20. Juli 1969 betrat der US-Amerikaner Neil Armstrong als erster Mensch den Mond.
  • Am Samstag jährt sich das historische Ereignis zum 50. Mal.
  • Zur Feier lässt higgs die Apollo-11-Mission mit einem Ticker noch einmal aufleben.

16. Juli, 4:15 Uhr Houston-Zeit (9:15 MEZ)

Zwei Stunden vor Sonnenaufgang klopft es an der Tür von Neil Armstrongs Zimmer im Kennedy Space Center in Florida: «Es ist ein wunderschöner Tag», ertönt die Stimme von Deke Slayton, Chef des Nasa-Astronautenbüros. «You’re go!». Es ist Nasa-Slang für: Ihr habt grünes Licht. Der ehemalige Kampfflugpilot Armstrong ist Kommandant der Apollo-11-Mission, die erstmals Menschen auf den Mond bringen soll.

Nach einer Rasur und Dusche trifft Armstrong seine Mitstreiter Edwin «Buzz» Aldrin und Michael Collins. Es folgt ein kurzer Gesundheitscheck, dann das traditionelle Frühstück vor Raumfahrtmissionen: Orangensaft, Rührei, Toast und Kaffee. Es wird keine gewöhnliche Mission: Clayton geht nicht etwa das Start-Prozedere mit den Astronauten durch, sondern bespricht mit ihnen die Landschaft des Mondes.

Nasa

Astronauten-Direktor Donald K. Slayton geht mit Collins (links), Armstrong und Aldrin (neben Slayton) beim Frühstück am Abflugstag nochmal Mond-Landkarten durch.

Während unzählige Menschen bis in die Morgenstunden feierten – die Bars am nahegelegenen Cocoa Beach hatten eine Spezialbewilligung – zogen sich die drei Astronauten am Vorabend schon um 21 Uhr in ihre Zimmer im Kennedy Space Center zurück. Eine Stunde später, während draussen der Regen nieselte, schlummerten sie bereits.

Unweit davon entfernt sass Wernher von Braun im Schneidersitz in seinem Zimmer des Cocoa Beach Holiday Inn und ging ein letztes Mal über den Startplan. Er stiess ein Gebet aus, bevor er sich ins Bett legte. Von Braun fiel in einen unruhigen Schlaf. Seine Trägerrakete Saturn V soll die Astronauten ins All bringen. Für von Braun würde nicht nur ein Traum in Erfüllung gehen – es war auch eine Chance, sich von seiner Vergangenheit als Raketeningenieur der Nazis im Zweiten Weltkrieg zu rehabilitieren.

Nach dem Frühstück gehen die Astronauten zurück auf ihre Zimmer. Sie putzen sich die Zähne, holen ihre Sachen und begeben sich schliesslich in den Umziehraum. Hier steht ein vierköpfiges Team bereit, das ihnen hilft, in ihre Raumanzüge zu kommen. In wenigen Stunden geht es los. In wenigen Stunden geht es auf zum Mond.

Nasa

Die Astronauten machen sich auf den Weg zur Startrampe und werden in den Gängen des Space Center beglückwünscht.

16. Juli, 9:32 Uhr (14:32 MEZ)

Als die Astronauten, bereits in Vollmontur, bei der Startrampe 39A des Kennedy Space Center ankommen, fallen die ersten Sonnenstrahlen auf die Erde. Ein Lift bringt Collins, Aldrin und Armstrong zum neunten Stock – hier wartet das Kommandomodul, in dem sie in den nächsten Tagen durchs All reisen werden.

Die drei Sitze befinden sich direkt unter der Einstiegsluke. Da Buzz Aldrin für die Mitte vorgesehen ist, muss er warten, während Armstrong und Collins in ihren Sitzen festgezurrt werden. «Ich sah die Wuchtigkeit der Saturn-V-Rakete unten und die ausgezeichnete Präzision von Apollo darüber», wird er sich später erinnern. Dann ist es auch für Aldrin Zeit, einzusteigen und gesichert zu werden.

Nasa

Die Astronauten kurz vor dem Einstieg: Collins (links), Aldrin (mitte) und Armstrong (hinten im Gespräch).

Eine geschätzte Million Augenzeugen haben sich für das Spektakel bei den Stränden und Autobahnen in der Nähe der Startrampe eingefunden. In einem VIP-Bereich sitzt die Hälfte des US-Kongresses, unweit von ihnen warten mehr als 3500 Journalisten aus 55 Ländern auf den Countdown. Rund 3000 Boote voll erwartungsvoller Menschen treiben vor der Küste.

Roman Rey | higgs

Rund eine Million Zuschauer verfolgten das Spektakel live, unter ihnen 3000 Journalisten.

Neun Sekunden vor der geplanten Abflugszeit zündet die erste Raketenstufe der Saturn V. Die Zuschauer sehen einen riesigen Feuerball, und sekundengenau um 9.32 Uhr löst sich die 3000 Tonnen schwere Rakete langsam vom Boden und beginnt ihre Reise zum Mond. Erst in absoluter Stille: 14 Sekunden dauert es, bis der Schall die ersten Zuschauer erreicht – dann walzt der donnernde Lärm wie eine Flutwelle übers Land.

Das Nasa-Video Apollo-11-Starts

Vom Kontrollzentrum erreicht die Astronauten ein herzlicher Abschiedsgruss: «Good luck and Godspeed». Kommandant Armstrong antwortet: «Vielen Dank. Wir wissen, dass es ein guter Flug wird.»

16. Juli, 11:16 Uhr (16:16 MEZ)

Die ersten beiden Stufen der Saturn-V-Rakete sind gezündet und haben die Apollo-11-Crew innerhalb von zwölf Minuten in die Erdatmosphäre auf 190 Kilometern Höhe getragen. Nachdem die Stufen ihre Dienste getan hatten, waren sie abgetrennt und in den Atlantik abgeworfen worden, um Gewicht zu sparen.

Die Nasa hat 14 sogenannte Gefahrenpunkte definiert: Kritische Momente, bei denen alles perfekt ablaufen muss, damit die Mission gelingt. Der erste Gefahrenpunkt war der Start. Nun steht der zweite an, die «Translunare Injektion»: Dieses Manöver bringt die Crew auf Mondkurs.

Ein Foto des Mondes von der Apollo aus.Nasa

Ein Foto des Mondes von der Apollo aus.

Zwei Stunden und 44 Minuten nach dem Takeoff, nach eineinhalb Erdumdrehungen, ist es soweit: Collins zündet die Rakete ein letztes Mal, um das Raumschiff aus der Erdumlaufbahn in Richtung Mond zu schleudern – beziehungsweise dorthin, wo der Mond in drei Tagen sein wird, wenn die Crew dort ankommt.

Alles verläuft nach Plan. Nach der schweisstreibenden Aufgabe gönnt sich Michael Collins einen Blick nach draussen: «Ich sehe einen hellen Stern da draussen. Das muss die Venus sein».

Damit die Apollo auf ihrer dreitägigen Reise keinen Schaden von der brennenden Sonne nimmt, positioniert Collins das Raumschiff mit der Breitseite zur Sonne und lässt es wie ein Spanferkel entlang der langen Achse rotieren – so wird die Hitze gleichmässig verteilt. «Barbecue-Modus» nennen sie die Technik.

Dann kann auch Armstrong erstmals durchatmen. «Houston, wir hatten kaum Zeit und konnten euch gar nicht sagen, was wir aus dem Fenster sehen. Das Wetter ist fast überall gut. Nur im Norden von Kanada gibt es einen Wolkenwirbel. Über Grönland ist es klar, wir konnten die Eiskappe sehen.»

Collins sagt: «Wenn wir etwas spät antworten, liegt es daran, dass wir Sandwiches mampfen».
Der Sprecher in der Kommandozentrale seufzt: «Ich wünschte, das könnten wir hier unten auch».
Collins erwidert: «Verlass bloss die Konsole nicht!»

Und jetzt tuckern sie also mit einer Geschwindigkeit von 39000 km/h gen Mond.

17. Juli, 8:48 Uhr (13:48 MEZ)

«Apollo 11, Apollo 11, hier ist Houston. Over.»
«Guten Morgen, Houston», antwortet Neil Armstrong aus dem All.

Die Kommandozentrale gibt den Astronauten einen Überblick über die Nachrichtenlage. US-Vizepräsident Spiro T. Agnew fordert, bis zum Jahr 2000 einen Menschen auf den Mars zu schicken. Hippies sollen nicht mehr in Mexiko einreisen dürfen, ausser wenn sie sich die Haare schneiden und duschen. Und: Ein geplantes Mini-U-Boot aus den USA würde das Monster von Loch Ness nicht verletzen, falls es eingesetzt würde.

Alles so weit, weit weg. Ein Stück Information ist aber tatsächlich relevant für die Crew: Ein britisches Radargerät hat keine Signale mehr von Luna 15 erhalten – «es scheint, dass sie am Mond vorbeigeflogen ist», so ein Sprecher. Die unbemannte russische Sonde ist drei Tage vor Apollo 11 gestartet und hatte ebenfalls den Mond zum Ziel.

PD

Ein Foto von Luna 16, die sich kaum von der Luna-15-Sonde unterscheidet.

Die Mission ist mutmasslich ein verzweifelter Versuch der Russen, vor den Amerikanern die ersten Gesteinsproben des Mondes auf die Erde zurückzubringen. Die USA und die Sowjetunion liefern sich in einem erbitterten Wettlauf ins All – und bei der ersten bemannten Mondmission zeichnet sich für die Russen eine empfindliche Niederlage ab.

1962 kündigte US-Präsident John F. Kennedy an, bis zum Ende des Jahrzehnts einen Menschen auf den Mond zu schicken

Dass die Mission praktisch gleichzeitig stattfindet, macht die Nasa nervös. Man befürchtet, die Luna-Sonde könnte dem Apollo-Raumschiff in die Quere kommen oder sie im schlimmsten Fall sogar mit ihr zusammenkrachen.

17. Juli, 12:17 Uhr (MEZ 16:17)

Das Apollo-Raumschiff wird von Michael Collins navigiert, dem Piloten der Kommandokapsel. Da er den Mond auf einem Grossteil der Reise gar nicht sieht, muss sich der Kampfjet-Pilot an den Sternen orientieren.

Nasa

Michael Collins hält die Apollo als Navigator des Kommandomoduls auf Kurs.

Erstmals steht eine kleine Korrektur der Flugbahn an. Collins zündet das Triebwerk drei Sekunden lang, und das Raumschiff ist wieder auf Kurs. Gleichzeitig herrscht Gewissheit, dass die Triebwerke, die später zur Mondlandung benutzt werden, einwandfrei funktionieren.

Buzz Aldrin hat ebenfalls den Job eines Piloten – er wird für die Navigation der Mondlandefähre zuständig sein, die ihn und den Kommandeur Armstrong auf den Erdtrabanten bringen wird. Er weiss schon jetzt: Sollte die Mission gelingen, werde ich nicht der erste, sondern der zweite Mann auf dem Mond sein.

Nasa

Der Astronaut Buzz Aldrin im Innern der Mondlandefähre.

17. Juli, 19:31 Uhr (MEZ 0:31)

Video-Grüsse auf halbem Weg zum Mond

Es ist der Abend des zweiten Tages im All – Abend, weil sich die Astronauten an der Zeit des Kontrollzentrums in Houston im US-Bundesstaat Texas orientieren. Einen Tag- und Nachtrhythmus gibt es im All eigentlich nicht, die Raumfähre wird ständig von der Sonne beschienen.

Das Raumschiff ist ziemlich genau in der Hälfte auf dem Weg zum Mond – und startet eine erste TV-Übertragung. Das Video beginnt damit, dass ein Astronaut die Erde vor die Linse nimmt und versucht, ein möglichst gutes Bild hinzubekommen. «Ihr seht die Erde, wie wir sie aus unserem linken Fenster sehen, ein bisschen mehr als die halbe Erde.» (ab 1:48)

Nach einer Viertelstunde gibt es eine verwackelte Tour durch die Apollo-Kommandokapsel. Buzz Aldrin erklärt die Sternenkarten, die die Crew zur Navigation braucht. Und dann demonstriert er, wie einfach Liegestütze in der Schwerelosigkeit sind (ab 20:55).

Es folgt eine Beschreibung des Essenschranks, und Astronaut Mike Collins zeigt, wie man im All Hühnereintopf zubereitet. «Bis jetzt war das Essen wirklich gut, wir könnten nicht glücklicher sein», sagt er. (ab 22:17)

Die 36 Minuten lange Übertragung endet, wie sie angefangen hat. Mit einem verwackelten Bild der Erde aus der Sicht der Astronauten. Ein schöner Anblick zum Einschlafen.

18. Juli, 8:32 Uhr (MEZ 13:32)

Die Kommandozentrale lässt die Astronauten gnädigerweise eine Stunde länger schlafen als geplant. Die Stimmung an Bord ist gut. Der Funker aus der Erde liest die News vor und schliesst mit dem Gewinner der Haferbrei-WM.

«Ich möchte Aldrin für die nächste Haferbrei-WM anmelden», sagt Michael Collins.
«Ist er ziemlich gut darin?», fragt der Mann in Houston.
«Er ist an seiner 19. Schüssel», erwidert Collins.

Auch Buzz Aldrin, der vor dem Start damit gehadert hat, dass er nicht als erster Mann auf dem Mond vorgesehen war, scheint in guter Stimmung. Dennoch ist es an Bord meist ruhig, wenn die Funkgeräte und Kameras nicht laufen.

Armstrong und Aldrin sind von Natur aus nicht gesprächig, und sie verbringen die Zeit damit, Checklisten und Pläne durchzugehen. Und da der eigentlich redselige Collins nicht so weit gehen würde, Selbstgespräche zu führen, schliesst er sich der stillen Atmosphäre an.

Seine Energie steckt Collins in die Routinearbeiten und etabliert sich als eine Art Hausmeister: Er lädt Batterien auf, leert Treibstoffzellen, entsorgt Abwasser, chloriert Wasser und bereitet die meisten Mahlzeiten vor. Das getrocknete und mit heissem Wasser zubereitete Apollo-Essen ist eine merkliche Verbesserung zu der Flüssignahrung, die die Astronauten von anderen Raumflügen kannten. Gestern gab es Poulet-Salat, einen Shrimp-Cocktail und Apfelmousse.

Im Schiff etabliert sich langsam eine Routine. Experimente müssen die Astronauten im Vergleich zu ihren Vorgängern praktisch keine machen – sie sollen optimal auf die Mondlandung vorbereitet sein.

18. Juli, 16:41 Uhr (MEZ 21:41)

In der zweiten Übertragung wird die Mondlandefähre inspiziert

Rund 175 000 Kilometer von der Erde entfernt und knapp 90 000 vom Mond beginnt die Crew eine zweite TV-Übertragung. Einmal mehr ist Collins für die Scherze zuständig. Als der blaue Planet vor der Linse kommt, sagt er: «Houston, könntet ihr die Erde ein bisschen drehen, damit wir ein bisschen mehr sehen als nur Wasser?»

Die Astronauten öffnen die Luke der Mondlandefähre, die auf den Eagle (Adler) getauft wurde: Erst Armstrong und dann Aldrin zwängen sich durch den 75 Zentimeter engen Durchgang. Collins sieht und kommentiert: «Da ist ein Typ, der wartet, und wenn man die Tür öffnet, macht er das Licht an.»Die Antwort aus Houston: «Na sowas. Genau wie im Kühlschrank.»

Armstrong und Aldrin inspizieren das Vehikel, das sie in übermorgen auf die Mondoberfläche bringen soll. Alles sieht einwandfrei aus.

18. Juli, 23:12 Uhr (MEZ 4:12)

Die Astronauten schlafen bereits, während sich ein weiterer Meilenstein der Reise ereignet: Für Apollo 11 ist die Anziehungskraft des Mondes nun grösser als die der Erde. «In weniger als zehn Sekunden wechseln wir in die Einflusssphäre des Mondes», sagt ein Nasa-Kommunikator. Das Raumschiff ist 345 Kilometer von der Erde und 62 600 Kilometer vom Mond entfernt. «Alles läuft nach Plan.»

Kurz bevor sich die Crew für die Nacht verabschiedet hat, war über den Funk Musik zu hören. «Wer spielt das Horn?», fragte der Funker aus Houston. «Wir unterhalten euch gerne», antwortet Collins. An Bord hat es einen Kassettenspieler, von dem die Astronauten immer wieder Gebrauch machen.

Nasa

Auf einem solchen Kassettenspieler können die Astronauten Musik hören – hier zu sehen das Gerät der Nachfolgemission Apollo 12.

Am liebsten hören sie sich klassische Musik, zum Beispiel «Aus der Neuen Welt», die 9. Sinfonie von Antonín Dvořák. Zu Armstrongs Favoriten gehört ein Jazz-Album aus dem Jahr 1947 namens «Musik vom Mond», auf dem die exotischen Klänge eines Theremins zu hören sind (hier kannst du reinhören). Aldrin hingegen zog gewöhnlichere Melodien vor, etwa die Ballade «People» von Barbara Streisand.

Für die Mondlandung hat Buzz Aldrin einen speziellen Song aufgespart: «Fly Me to the Moon» von Frank Sinatra, arrangiert von Quincy Jones: Es soll der erste Song werden, der auf dem Mond abgespielt wird.

19. Juli, 8:32 Uhr (MEZ 13:32)

Das Raumschiff tritt in den Schatten des Mondes. Die Sonne verschwindet und es wird stockdunkel. Die Schwärze des Alls bringt Neil Armstrong ins Schwärmen: «Houston, das ist was ganz Neues für uns. Der Himmel ist voller Sterne, wie in der Nacht auf der Erde. Zum ersten Mal auf dieser Reise können wir die Sterne sehen und Sternbilder erkennen.»

Der Kommandeur ist hin und weg: «Die Sicht auf den Mond ist wirklich spektakulär. Schon nur dieser Anblick macht die Kosten dieser Reise wett.»

Dann folgen die News des Tages. Die Apollo-Mission dominiert die Schlagzeilen auf der ganzen Welt. «Sogar die Prawda-Zeitung in Russland schreibt darüber und nennt Neil den ‹Zar des Schiffs›», heisst es aus Houston. Als der Nasa-Funker kurz darauf Armstrong anspricht, ertönt die Stimme von Michael Collins: «Der Zar putzt sich gerade die Zähne, ich springe für ihn ein.»

In gehobener Stimmung fliegen die Astronauten auf die Mondumlaufbahn zu, die nur noch wenige Stunden entfernt ist.

19. Juli, 12:58Uhr (17:58 MEZ)

Nasa

Der Daedalus-Krater, mit seinen 100 Kilometern Durchmesser einer der grössten Krater auf der Rückseite des Mondes.

Houston meldet sich über Funk: «Noch 23 Minuten bis zum Einschuss in die Mondumlaufbahn.» Die Besatzung macht sich bereit für einen weiteren Gefahrenpunkt, ein heikles Manöver, bei dem alles einwandfrei ablaufen muss. Ein Misserfolg könnte folgende Konsequenzen haben: Apollo 11 wird zur Erde zurückgeschleudert, oder aber in Richtung Sonne, oder auf dem Mond abstürzen.

Der Clou: Das Ganze muss auf der Rückseite des Mondes geschehen, wo keine Kommunikation mit der Erde möglich ist. Die Crew ist also auf sich allein gestellt.

Wenige Minuten später verschwindet die Apollo 11 hinter dem Mond. Armstrong sagt noch: «Wir sehen uns auf der anderen Seite, Houston», dann bricht der Funkkontakt ab.

Jetzt ist einmal mehr Michael Collins gefragt. Er dreht das Raumschiff um und bremst es mit einer sechsminütigen Triebwerkszündung von 9500 auf 6000 km/h herunter, die Apollo 11 wird von der Mondumlaufbahn erfasst. Alles läuft wie am Schnürchen. Gut gelaunt ruft Collins: «Hallo, alter Mond, wie geht es deiner Rückseite?»

Während die drei darauf warten, dass die Erde wiederauftaucht, bestaunen sie die Oberfläche des Mondes mit ihren riesigen Kratern, die nun gut sichtbar ist. Collins kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus: «Oh Mann, man könnte ein Leben damit verbringen, nur diesen Krater allein zu geologisieren.»

«Man könnte», gibt Armstrong lakonisch zurück.
«Ja, und da drüben hat es auch eine grosse Mutter», schaltet sich Aldrin ein.
«Komm schon Buzz, nenn sie nicht grosse Mütter, gib ihnen einen wissenschaftlichen Namen», antwortet Collins.

Kurz darauf raunt Aldrin: «Da ist sie, sie geht auf!»
«Was?», fragt Armstrong.
«Die Erde. Seht ihr sie?»
Und wenige Sekunden später ertönt es aus dem Funkgerät: «Apollo 11, hier ist Houston. Hört ihr uns?»

Nasa

Die Erde von der Mondumlaufbahn aus gesehen.

20. Juli, 7.04 Uhr (MEZ 12.04): Der grosse Tag

«Apollo 11, Apollo 11, guten Morgen.»
Michael Collins ist nur leicht angegurtet und schwebt über seinem Sitz. Er braucht einen Moment, um aufzuwachen. «Guten Morgen Houston… ihr wacht aber früh auf.»

Ein paar Minuten später verschwindet das Raumschiff zum neunten Mal hinter dem Mond und der Kontakt zur Erde bricht ab. Die Astronauten haben etwa sechs Stunden geschlafen. Während Buzz Aldrin eine unruhige Nacht hinter sich hat, haben die anderen tief und fest geschlafen.

Nach den morgendlichen News konzentrieren sich die Astronauten auf ihren Job. Es ist ein wichtiger Tag. Heute steht eine Mondlandung auf dem Programm.

20. Juli, 13.46 Uhr (MEZ 18.46)

Auf der Rückseite des Mondes trennen sich Eagle und Columbia

Buzz Aldrin und Neil Armstrong verabschieden sich von Michael Collins und kriechen in die Mondlandefähre Eagle. Es gibt keine Sitze, sie stehen nebeneinander. «Nehmt es locker da unten, Jungs», sagt er. «Wenn ich euch keuchen und schnaufen höre, dann fange ich an zu schimpfen.»

Auf der Rückseite des Mondes, ohne Kontakt zur Erde, löst sich die Eagle vom Mutterschiff Columbia. «Der Adler hat Flügel, sieht gut aus», sagt Michael Collins, der dort zurückbleibt.

Während die beiden Elemente nebeneinander um den Mond kreisen, dreht Armstrong die Eagle ein ganzes Mal, damit Collins von der Columbia aus überprüften kann, ob es keine Schäden gibt und ob alles in Position ist. «Ihr habt eine tolle Flugmaschine, Eagle, obwohl ihr kopfüber seid», sagt Collins schliesslich. «Gleich geht’s los. Passt auf euch auf.» Armstrong antwortet: «Bis später.»

Noch ein gründlicher Check, bevor es losgeht.

20. Juli, 15.08 Uhr (MEZ 20.08)

Die Landung der Mondfähre

Armstrong feuert ein Triebwerk, das die Eagle aus der Umlaufbahn und in Richtung Mondoberfläche bringt. Auf einer Höhe von etwa 15 Kilometern beginnt das Landemanöver. Ein Bremstriebwerk soll den Fall immer mehr verlangsamen und eine sanfte Landung garantieren.

Da ertönt ein Alarm auf den Kopfhörern von Aldrin und Armstrong. Die beiden schauen sich an. Sie haben diesen Code noch nie gesehen. «Es ist ein 1202», sagt Armstrong angespannt. Nervosität im Kommandozentrum in Houston. Nach einer kurzen Besprechung kommen sie zum Schluss: Es ist nur eine Datenüberlastung, eine Kleinigkeit. «You are go», geben sie Armstrong durch: «weitermachen».

Als Armstrong von den Instrumenten wieder auf die Mondlandschaft blickt, stellt er fest, dass der Autopilot die Fähre an einer ungünstigen Stelle hinunterbringen möchte: einem Krater so gross wie ein Fussballstadion, umringt von riesigen Felsbrocken. Armstrong übernimmt die manuelle Steuerung, sein Puls schiesst auf 156.

Während Aldrin ihm die Daten der Instrumente vorliest, bringt Armstrong die Fähre zum Landen – mit einem letzten Rest Treibstoff. Es hätte für keine weitere Minute gereicht. «Houston, hier Tranquility Base», sagt er in Anspielung das Mondmeer Mare Tranquillitatis, wo sie sich befinden. «The Eagle has landed.»

Die Antwort aus Houston kommt postwendend: «Verstanden, Tranquility. Ein paar Leute hier sind schon blau angelaufen. Wir atmen wieder. Vielen Dank!»

Armstrong und Aldrin grinsen und schütteln sich die Hand. In Houston bricht Jubel aus.

20. Juli, 22:56 Uhr (MEZ 3:56)

Die ersten Schritte auf dem Mond

Neil Armstrong steigt aus der Mondfähre und betritt als erster Mensch den Mond. Er weiss: was er jetzt sagt, ist für die Geschichtsbücher:

«Ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein grosser Sprung für die Menschheit.»

24. Juli, 12:51 Uhr (MEZ 17:51)

Roman Rey | higgs

Das Kommandomodul mit seinen drei Insassen stürzt 1800 Kilometer südwestlich von Honolulu in den pazifischen Ozean. Wenig später wird die Kapsel auf den Flugzeugträger U.S.S. Hornet gehievt. Ein Helikopter bringt Neil Armstrong, Buzz Aldrin und Michael Collins nach Houston in eine Quarantänekapsel. Dort müssen sie noch drei Wochen bleiben, aus Angst, dass sie vom Mond vielleicht gefährliche Keime eingeschleppt hätten.

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US-Präsident Richard Nixon begrüsst die Crew auf der Hornet.

Die erste bemannte Mondmission ist nach 195 Stunden, 18 Minuten und 35 Sekunden vorbei – und ein voller Erfolg. Noch heute gilt sie als eine der reibungslosesten Raumfahrtsmissionen der Geschichte.

Die Quellen

Dieser Ticker bezieht sich auf Nasa-Protokolle, Ton- und Videodokumente, Funktranskripte, Interview-Aussagen von Betroffenen und – insbesondere bei den Details, die in der offiziellen Dokumentation fehlen – auf das Buch «Shoot for the Moon», in dem der Autor James Donovan die Geschichte der Apollo-11-Mission detail- und faktengetreu nachzeichnet.

Alles, was du über den Mond wissen musst

  • Sputnik 1 war der erste Erdsatellit. Mit seinem erfolgreichen Start lancierte die Sowjetunion im Oktober 1957 das Zeitalter der Raumfahrt.
  • 109 Mondmissionen verzeichnet die Nasa seit 1958 – 31 davon waren nicht erfolgreich.
  • Unser Mond ist einer von über 190 bekannten Monden unseres Sonnensystems. Mit einem Durchmesser von 3475 Kilometern ist er leicht grösser als ein Viertel der Erde. Nur Pluto hat relativ gesehen grössere Monde.
  • 24 Menschen sind von der Erde bis zum Mond gereist – nur 12 haben ihren Fuss auf ihn gesetzt.
  • Der Erdtrabant ist kein Tennisball, sondern eine Zitrone. Sowohl der Entstehungsprozess als auch die Gravitationskraft der Erde haben zu dieser Form geführt.
  • Der Mond bewegt sich langsam, aber sicher von der Erde weg – und zwar 3,78 Zentimeter pro Jahr.
  • Die Erde umrundet der Mond in der gleichen Geschwindigkeit, wie er rotiert. Deshalb sehen wir immer die gleiche Seite – oder fast. Denn weil er sich in einer Ellipse um die Erde bewegt, variiert die sichtbare Oberfläche leicht. 59 Prozent davon können wir von hier aus sehen.
  • Lange dachten Forscher, der Mond sei staubtrocken. 2008 aber entdeckte die indische Mission Chadrayaan-1 Hydroxylmoleküle (OH). Spätere Missionen entdeckten Wassereis an den Polen.
  • Die Anziehungskraft auf dem Mond beträgt einen Sechstel der Erdgravitation. Ein 75 Kilogramm schwerer Astronaut wiegt auf dem Mond also nur 12,5 Kilogramm.
  • Der Mond gehört der ganzen Welt. Dies haben die Mondfahrer-Nationen bereits 1967 vor der ersten bemannten Landung im «Outer Space Treaty» bekräftigt. Die Nasa gab die Bodenproben der Apollo-11-Mission deshalb auch an die Russen weiter.
  • Am 11. Dezember 1972 betraten Astronauten das letzte Mal die Mondoberfläche. Ende der 70er-Jahre schwand das Interesse am Mond. Zwischen 1976 und 1994 starteten weder bemannte noch unbemannte Missionen.
  • Die letzte Mondmission fand am 22. Februar 2019 statt. Es war der erste Landeversuch einer privaten Firma. Die israelische Organisation SpaceIL wurde 2010 entwickelt, um den Lunar X Prize von Google zu gewinnen. Mit dem Preis wollte der Internetgigant private Unternehmen zur Raumfahrt animieren. Kein Unternehmen schaffte aber die Deadline im März 2018.

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