Das musst du wissen
- In den letzten Jahren sind die Verkaufszahlen von SUVs und die Flugzahlen stetig gestiegen.
- Im Wahlverhalten der Schweizer zeigt sich aber, dass auch das Umweltbewusstsein anzusteigen scheint.
- Diese ist nur auf den ersten Blick widersprüchlich: Grün wählen ist oft ein Freipass für umwelschädliches Verhalten.
Auf Schweizer Strassen fahren immer mehr grosse und schwere SUVs (Sport Utility Vehicles), oder Geländewagen. 2018 waren in Europa 34 Prozent aller verkauften Autos SUVs. Und in den ersten neun Monaten dieses Jahres transportierte die Swiss 4,4 Prozent mehr Passagiere als in der Vorjahresperiode. Auch der Flughafen Zürich befördert immer mehr Reisende. Die Fluglust der Schweizer und die grosse Beliebtheit von SUVs trotz schlechter Ökobilanz passen auf den ersten Blick nicht mit der Grünen Welle des vergangenen Wahlsonntags zusammen.
Laut Adrian Gadient-Brügger, Psychologe an der Universität Bern mit Schwerpunkt auf umweltfreundlichem Verhalten, schliesst das eine das andere nicht aus. «Die meisten Menschen verhalten sich konsistent. Wenn ihnen die Umwelt wichtig ist, sind sie auch bereit, auf umweltschädliche Dinge zu verzichten», sagt er. Das heisst: die Grünen-Wähler sind normalerweise nicht die Leute, die einen SUV kaufen.
Dennoch gibt es wahrscheinlich auch solche, die beides tun. Also Grün wählen aber trotzdem viel fliegen und ein grosses Auto kaufen. «Mit einem klimaschonenden Abstimmungsverhalten könnten sie sich sozusagen einen moralischen Freipass kaufen, um ihr sonst weniger umweltfreundliches Verhalten zu rechtfertigen», sagt Bernadette Sütterlin, Expertin für Konsumentenverhalten an der ZHAW und der ETH Zürich.
Auch die CO₂-Kompensation, die man beim Buchen eines Fluges zusätzlich zahlen kann, ist eine Form eines solchen Freipasses. Und die erfreut sich in letzter Zeit grosser Beliebtheit. «Gerade haben wir die Ein-Prozent-Marke geknackt, das heisst jeder hundertste Passagier zahlt einen kleinen Beitrag zur CO₂-Kompensation», schreibt eine Swiss-Sprecherin auf Anfrage. Im Vergleich zum Vorjahr hätten dieses Jahr achtmal soviele Reisende Kompensations-Zahlungen geleistet.
Weniger geflogen wird indes nicht. Die Auswirkung der vieldiskutierten Flugscham auf das Reisevolumen ist nicht wirklich sichtbar. Gerade beim Fliegen sei es wichtig, attraktive und umweltfreundliche Alternativen aufzuzeigen, findet Bernadette Sütterlin. Anstatt ins Flugzeug zu steigen, könne man entspannt Ferien in der Schweiz machen, ohne beispielsweise viel Zeit für die Reise aufzuwenden.
Trotzdem denkt Raphael Hörler, Experte für nachhaltige Mobilität an der ZHAW, der Faktor Flugscham könnte eine immer grössere Rolle spielen. «Aber so lange die Preise nicht steigen, oder attraktive Alternativen wie Nachtzugverbindungen gefördert werden, wird sich dieser Faktor in Grenzen halten. Denn der Preis ist eines der wichtigsten Kauf- oder Nicht-Kauf-Argumente.»