Das musst du wissen

  • Im Herbst 2017 wurden in ganz Europa erhöhte Werte des Radioaktiven Stoffs Ruthenium-106 gemessen.
  • Forschende konnten nun nachweisen, dass die Wolke von der Nuklearanlage Majak in Russland stammt.
  • Für ihre Studie haben sie die Werte von 1300 Messstationen ausgewertet und meteorologische Daten hinzugezogen.

Ende September 2017 wurden bei Cadenazzo im Kanton Tessin Spuren des radioaktiven Elements Ruthenium-106 in der Luft gemessen. Und nicht nur da: In ganz Europa registrierten Messstationen den Stoff. Da die Grenzwerte deutlich unterschritten wurden, bestand keine Gefahr für die Bevölkerung.

Merkwürdig war der Vorfall dennoch: Denn die Ursache war unklar, niemand hatte einen Unfall mit radioaktiven Stoffen gemeldet. Doch schon nach wenigen Tagen teilte das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) mit, dass Berechnungen auf einen Ursprungsort im südlichen Ural hindeuteten.

Ein internationales Team aus 69 Forschenden bestätigt nun diese Theorie: Die radioaktive Wolke stammt mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Atomfabrik Majak in Russland, wo Kernbrennstoffe wiederaufbereitet werden. Es deute vieles darauf hin, dass es dort einen Unfall bei diesem Prozess gegeben habe, schreiben die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Proceedings oft the National Academy of Sciences (PNAS).

Im September 2017 wurde hier Ruthenium-106 in der Luft nachgewiesen.PNAS

Im September 2017 wurde hier Ruthenium-106 in der Luft nachgewiesen.

Ein Unfall in einem Krenkraftwerk lässt sich ausschliessen, denn dabei wären auch andere typische Spaltungsprodukte wie Rhodium und Palladium ausgetreten. In diesem Fall war es aber nur Ruthenium-106 – das dafür in grossen Mengen. «Im Vergleich zum Reaktorunfall von Fukushima waren die Konzentrationen bis zu einhundert Mal höher», sagt der an der Studie beteiligte Radioökologe Georg Steinhauser zu ORF.

Die Forschenden haben nun 1300 Messwerte von Stationen in Asien und Europa – darunter auch die aus Cadenazzo – ausgewertet und mit meteorologischen Daten kombiniert. So konnten sie die Bewegung des Ruthenium-106 ziemlich genau nachzeichnen – und landeten in Majak.

Ein weiteres Indiz sehen die Forscher in einem Auftrag aus Italien: Ein Teilchenphysiklabor hatte nämlich in Majak eine sehr starke Strahlenquelle bestellt. Kurz nachdem die Atom-Wolke über Europa schwappte, zog die russische Anlage ihr Angebot zurück. Man sei nicht in der Lage, die Quelle herzustellen, lautete die offizielle Erklärung.

Russland bestreitet einen Unfall in der Anlage Majak – damals wie heute. Als Alternativ-Erklärungen brachte das Land einen abgestürzten Satelliten oder einen Atom-Unfall in Rumänien ins Spiel. Beide werden in der Studie widerlegt.

Majak (zu Deutsch: Leuchtturm) ist kein unbeschriebenes Blatt. Dort ereignete sich bereits vor 2017 eine der grössten Atomkatastrophen der Geschichte, die aber erst Jahre später bekannt wurde: Im September 1957 explodierte ein Tank mit flüssigen Abfällen aus der Herstellung von Atomwaffen und verursachte eine massive Kontamination. Mehr als 10 000 Menschen im umliegenden Gebiet wurden umgesiedelt. Man geht heute davon aus, dass der Unfall mit den Katastrophen in Tschernobyl und Fukushima vergleichbar ist.

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