Das musst du wissen

  • Etliche chemische und natürliche Stoffe durchqueren die Plazentaschranke und gelangen so zum Fötus.
  • Viele der Nährstoffe sind wertvoll und nötig für das Ungeborene.
  • Gerade pflanzliche Stoffe werden durch Bakterien im Darm der Mutter in Abbauprodukte umgewandelt, die schaden könnten.

Was aus der Natur kommt, kann nicht schaden. Das sagen sich auch viele Schwangere und greifen grosszügig zu Esswaren, die als «Superfood» angepriesen werden. Goji-Beeren zum Beispiel. Oder Chia-Samen. Oder homöopathische Nahrungsergänzungsmittel. Gerade pflanzliche Stoffe aber könnten, in zu grossen Mengen, auch schädliche Auswirkungen auf das Ungeborene haben. Zu diesem Schluss kommen Forschende der Universität Bern in einer neuen Übersichtsstudie, die nun im Fachmagazin Science erschienen ist.

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Wieso gerade pflanzliche Stoffe? «Tiere haben einen sehr ähnlichen Stoffwechsel wie wir», sagt Stephanie Ganal-Vonarburg, Professorin am Departement für biomedizinische Forschung der Universität Bern und Mitautorin der Studie. Deshalb entstehen bei der Verdauung tierischer Nahrung Abbauprodukte, die der menschliche Körper gut kennt». Nicht so bei pflanzlicher Nahrung: «Pflanzen betreiben ganz andere Stoffwechselprozesse. Werden pflanzliche Stoffe im Körper umgewandelt, entstehen deshalb andere Stoffwechselprodukte. Körperfremde Produkte, die zu Allergien, Immunerscheinungen oder im Extrem zu Vergiftungen führen können.»

Science-Check ✓

Studie: Microbial–host molecular exchange and its functional consequences in early mammalian lifeKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsEs handelt sich um eine Übersichtsstudie, welche bisherige Erkenntnisse zusammenfasst. Die Studie weist dabei vor allem auf die beträchtlichen Wissenslücken der Forschung hin. Belege dafür, dass die pflanzlichen Abbauprodukte des Mikrobioms dem Ungeborenen schaden, gibt es bisher nicht. Es handelt sich um Vermutungen auf Grund der Planzentadurchlässigkeit für andere Stoffe, die erst noch untersucht werden müssen.Mehr Infos zu dieser Studie...

Was gelangt durch Plazentaschranke?

Bei diesem Stoffwechsel sind bei uns oft Bakterien im Darm beteiligt, die zum sogenannten menschlichen Mikrobiom gehören. Diese Bakterien können manche pflanzlichen Stoffe aufknacken, bei welchen die körpereigenen Zellen kapitulieren müssen. Dabei können eben auch leicht giftige Abbauprodukte entstehen, die bei einem erwachsenen Menschen meist durch die Leber abgebaut werden. Einem Ungeborenen aber könnten sie schaden. Das Problem: Wir wissen noch kaum, welche Bakterien welche pflanzlichen Stoffe umwandeln – und welche davon durch die Planzentaschranke in das Kind gelangen können. Denn die Plazentaschranke lässt bei weitem nicht alles durch. «Wir wissen sehr, sehr wenig über die Übertragung von pflanzlichen Stoffen durch die Plazenta», sagt Ganal-Vonarburg. Die Forschung hat sich bisher auf die Wirkung von künstlichen, chemischen Stoffen auf Ungeborene befasst, nachdem es bei Medikamenten zu schweren Konsequenzen gekommen war. Was mit den pflanzlichen Abbauprodukten nach Umwandlung durch das mütterliche Mikrobioms aber passiert, ist unerforscht. Klar ist: das Kind bekommt das Mikrobiom der Mutter zu spüren – auch wenn es selber wahrscheinlich noch nicht von Bakterien besiedelt ist.

Mikrobiom der Mutter wichtig

Die Bakterien im Darm haben unzählige Funktionen. Sie besiedeln die Darmoberfläche und besetzen so den Platz – Krankheiterreger haben es schwieriger, sich einzunisten. Die Bakterien verstoffwechseln auch unsere Nahrung und tragen so zur besseren Energiegewinnung des Körpers bei. Ausserdem produzieren sie Stoffe, zum Beispiel Vitamin K. Und: sie sind wichtig für die Reifung und die Aktivierung des gesamten Immunsystems. «Man weiss, dass das Mikrobiom bei Immunkrankheiten eine Rolle spielt», sagt Ganal-Vonarburg. Bei entzündlichen Darmerkrankungen zum Beispiel, aber auch bei Allergien oder Asthma.

Das Mikrobiom der Mutter hat deshalb Einfluss auf das Gedeihen des Kindes. So helfen Bakterien der Mutter beispielsweise bei der Aufnahme der sogenannten Retinoide, mit Vitamin A verwandte Produkte, aus der Nahrung und diese Retinoide gelangen durch die Planzentaschranke zum Kind. Sie sind wichtig für die Entwicklung der Sehkraft und den Aufbau des Immunsystems, wie in Tierstudien gezeigt wurde. Wenn es aber Stoffe mit positiver Wirkung gibt, die durch die mütterlichen Mikroben produziert werden, dann gibt es wahrscheinlich auch solche mit negativer Wirkung. «Auch bei der Einnahme von pflanzlichen Stoffen ist Vorsicht geboten. Man sollte nicht übertreiben», sagt Ganal-Vonarburg. Ihr Ziel: Irgendwann zu wissen, wie ein «perfektes» mütterliches Mikrobiom aussehen würde. Und wie sich diese durch Probiotika, bakterielle Ernährungsergänzung, verbessern liesse, damit der Nachwuchs noch gesünder auf die Welt kommt. Probiotika für werdende Mütter gibt es zwar schon. Deren Wirkung ist aber oft nicht erwiesen.

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