Das musst du wissen
- Zum 500. Todestag von Leonardo da Vinci fragen wir: Soll man ihn als Künstler oder Wissenschaftler ehren?
- Doch den so suchenden wie kreativen Geist macht eben genau die Verbindung von Ästhetik und Forschung aus.
- So hat er Fantasy-Geräte entwickelt, die real nachgebaut, zwar nicht funktionieren, die es heute aber alle gibt.
Leonardo da Vinci (1452-1519) ist am 2. Mai vor 500 Jahren gestorben. Klar, wird der idealtypische Universalgelehrte der Renaissance gefeiert! Es bleibt aber die Frage, ob man ihn heute hauptsächlich als Künstler oder eher als Wissenschaftler ehren soll. Sagen wir es mal so: Gerade weil er in beiden Gebieten virtuos unterwegs war, werden heute noch neckische Kürzel für Discovery-Missionen wie DAVINCI (Deep Atmosphere Venus Investigation of Noble gases, Chemistry, and Imaging), wissenschaftliche Institute wie das Leonardo da Vinci-Zentrum für Bionik der TU München oder das Da-Vinci roboter-assistierte Chirurgiesystem nach ihm, dem unermüdlichen Naturbeobachter, benannt. Das Beste an Leonardo dürfte sein in allen Bereichen wilder, assoziativer, nach neuen Lösungen suchender Geist gewesen sein – ganz zu fassen ist er aber bis heute nicht.
Der Pazifist und seine Kriegsgeräte
So ist es eigentlich auch egal, dass man beim Nachbau von da Vincis spektakulärsten Erfindungen wie dem Panzer, der wie eine Art Schildkröte aussieht, dem Automobil, dem Tauchanzug mit Schnorchel oder dem wirklich mit einer gigantischen Himmelsschraube versehenen Hubschrauber merken musste, dass sie gar nicht funktionieren. Ob nun kalkuliert, weil, wie man vermutet, Leonardo als Pazifist kein Kriegsgerät auf Bestellung herstellen wollte, aus Urheberschutz, damit ihm niemand seine Erfindungen klauen konnte, oder schlicht auf Grund von falschen Berechnungen ist nicht restlos geklärt.
Denn nicht Fragen der praktischen Umsetzung haben Leonardos Neugier auf allen Gebieten – von der Kartografie über die Ingenieurskunst bis zur präzisen Studie der Anatomie – primär angetrieben, sondern sein Interesse an zeichnerisch-technischer Genauigkeit und ästhetischen Problemlösungen. Als Beispiel mag seine berühmte Darstellung des vitruvianischen Menschen stehen, jene aus der Überlieferung des antiken Architekten Vitruv bekannte geometrische Beschreibung einer menschlichen Masseinheit, die dank Leonardos Zeichnung bis heute populär ist. Sie erschien in so vielfältigen Formen wie etwa lange Jahre als Signet bei Manpower oder als Vorlage im Zeichenunterricht.
Verbindung von Wissenschaft und Kunst
Leonardo da Vinci ist nimmersatter Forscher und dabei begnadeter Visualisierer zahlreicher eigner und fremder Ideen – auch sein berühmtestes Werk, die Mona Lisa, verdankt ihre geheimnisvolle Wolkigkeit schliesslich dem unermüdlichen Pröbeln Leonardos mit neuen Techniken des Farbauftrags. Das wichtigste Vermächtnis da Vincis ist nicht an einzelnen Erfindungen festzumachen, sondern vielmehr an seiner Methode, die Möglichkeiten der einen Disziplin, der Kunst, mit den Erkenntnissen der anderen, der Wissenschaft, überraschend und fantasievoll zu verbinden. Und damit utopische Ideen in eine Welt zu bringen, die sich heute eher in Dystopien zu verlieren droht und den frischen, unverfrorenen Forscherdrang eines Leonardo da Vinci dringend gebrauchen kann.