Die häufigste Ursache für Vergiftungsnotfälle bei Kindern sind Putzmittel. Bei der Notrufnummer 145 von Toxinfo Suisse gingen letztes Jahr über 6000 Anrufe wegen möglicher Vergiftungen von Kindern mit Haushaltprodukten wie Bad- und WC-Reinigern ein. Dass solche Produkte unerreichbar für Kinder aufbewahrt werden sollten, ist den meisten Eltern bewusst. Doch wissen sie überhaupt, wie giftig Entkalker und Co. wirklich sind?

Das wollte der Psychologe Michael Siegrist von der ETH Zürich mit seinem Team in einer Studie herausfinden. Die Forschenden liessen dazu 60 Laien einschätzen, wie gefährlich 33 gängige Reinigungs- und Waschmittel sind, wenn diese versehentlich verschluckt werden. Die Probanden konnten dabei jede Flasche in die Hand nehmen, die Gefahrensymbole betrachten und die Warnhinweise lesen. Danach mussten sie die Produkte nach ihrer Gefährlichkeit ordnen. Diese Einschätzung verglichen die Forscher danach mit derjenigen von Experten.

Entkalker enthält Säure

Bei elf der 33 Produkte unterschätzten die Laien die Gefährlichkeit. Am weitesten lagen sie daneben, wenn auf den Flaschen ein Ökolabel prangte. Im Gegensatz dazu stuften sie nichtökologische Produkte als gefährlicher ein, als sie eigentlich sind. «Wir waren überrascht, wie stark sich die Leute bei Ökoprodukten verschätzen», sagt Studienleiter Siegrist. So hielten die Laien etwa einen ökologischen Entkalker für ungefährlich. Vor einem nicht ökologischen Entkalker hingegen hatten sie viel grösseren Respekt und stuften ihn als eines der giftigsten Produkte ein. «Eigentlich sind aber beide gleich gefährlich», sagt Siegrist. Denn beide enthalten starke Säuren, die beim Verschlucken oder bei Augenkontakt das Gewebe verätzen können.

Verantwortlich für die Fehleinschätzungen ist laut Siegrist der sogenannte Heiligenschein-Effekt. Durch diesen beeinflussen einzelne positive Eigenschaften von Dingen deren Gesamteindruck so stark, dass sie die Nachteile überstrahlen. So lassen sich Menschen vom Vorteil von Ökoprodukten – der guten Abbaubarkeit und Umweltverträglichkeit – derart positiv stimmen, dass sie andere Aspekte wie deren Giftigkeit verharmlosen.

Symbole täuschen Kinder

Dass diese Fehleinschätzungen fatale Folgen haben können, erlebt Christine Rauber, Leitende Ärztin von Toxinfo Suisse. «Wir betreuen auch schwere Vergiftungsfälle, die durch Ökoprodukte entstanden sind.» Hinzu komme, dass die ökologischen Mittel häufig Abbildungen von Zitronen oder anderen Früchten auf der Verpackung tragen, so Rauber. Das berge die Gefahr, dass Kinder sie für Lebensmittel halten. «Man sollte sich daher nicht von Labels beeinflussen lassen und strikt auf die Gefahrensymbole achten.»

Die Erstversion dieses Beitrags erschien am 20. Mai 2016. Der Einstieg wurde mit aktuellen Zahlen angepasst.
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