In diesen Tagen verkündeten die Schweizer Detailhändler – also Coop, Migros, und so weiter – eine Erfolgsstory: Seitdem die einfachen Plastik-Säckli fünf Rappen kosten, ging der Verbrauch von 418 Millionen Stück runter auf 66 Millionen.

So weit, so gut. Das zeigt, wie sich übers Portemonnaie umweltfreundliches Verhalten steuern lässt. Aber was neben der Erfolgsstory geschah, zeigt, wie Konsumentinnen und Konsumenten mit ökologisch gut gemeinten Absichten zu falschen Entscheidungen kommen können.

Denn die Erfolgsmeldung wurde durch nicht wenige kritische bis sogar gehässige Kommentare getrübt. Ein wahrer Shitstorm ging über den kleinen Säcklein nieder. Es sei sowieso ökologisch verwerflich, solche Säcklein zu verwenden. Papiertüten seien viel umweltfreundlicher, hiess es, oder solche aus Baumwolle.

Zuerst einmal ist zu sagen, dass keine Tasche immer besser ist als irgendeine Tasche. Aber wer nach dem Gefühl entschiedet, welches Material umweltfreundlicher ist, entscheidet mitunter falsch. Das zeigen Ökobilanzen. Wissenschaftlich erhobene und nicht solche von der Verpackungsindustrie.

Also: So ein Säcklein besteht eben aus 100 Prozent rezykliertem Material. Um dieselbe Auswirkung auf die Umwelt zu erzielen, müsste man eine ungebleichte Papiertüte 43-mal verwenden. Wäre die Tüte gebleicht, also weiss, wären es schon 434-mal.

Und mit einer Baumwolltasche müsste man 7100-mal einkaufen gehen. Rechnen wir kurz um: Man geht pro Woche dreimal einkaufen, mal 52 Wochen – Resultat: Man müsste 45 Jahre lang mit dieser Tasche zum Posten gehen.

Dies, weil eben Baumwolle an sich ein nicht besonders umweltfreundliches Material ist. Sie verbraucht beim Anbau grosse Landflächen, es werden Pestizide eingesetzt, Wasser, Dünger. Alles nicht so gut für die Umwelt. Schlimmer ist nur noch Biobaumwolle. Weil dafür nochmals grössere Landflächen gebraucht werden. Mit einem Biosack müsste man 10’000-mal posten gehen. 64 Jahre lang.

Also: Auch in solchen Fragen nicht aus dem Bauch heraus entscheiden, sondern auf Fakten basiert. Gut gemeint ist nicht gut gemacht.

Und wenn schon ein Plastiksäckli nötig ist, dann bitte nach Gebrauch nicht auf die Strasse werfen. Oder ins Meer. Weil, das ist eine Sauerei.

Kleines Rätsel zum Schluss: Wie trinkt Ihr Euer Feierabend-Bier? Aus Dose oder Flasche? Viele halten Glas für umweltfreundlich. Das ist aber falsch. Bei Wegwerfverpackungen ist die Flasche 2,7-mal umweltbelastender als die Dose. Bei beiden gehe ich natürlich davon aus, dass sie rezykliert werden und nicht im Abfall landen. Und überraschend: Die Retourflasche aus Glas ist nur minim umweltfreundlicher. Am besten schneidet PET mit Recycling ab.

Richtig entscheidet, wer die Fakten kennt. Und Fakten sind es, die hier zählen: bei higgs.

Umweltbilanzierung von Verpackungsmaterialien. Bericht der dänischen Umweltbehörde: Link
Ökobilanzen von Getränkeverpackungen des Bundesamt für Umwelt (Bafu): Link

Der Faktist

Der Faktist schaut ganz genau hin. Im Dschungel der wissenschaftlichen Studienresultate behält er den Überblick. Zeigt, was zusammenhängt. Und was einfach nicht aufgeht. Der Faktist ist Beat Glogger, Gründer und Chefredaktor von higgs. Jeden Dienstag als Sendung auf Radio 1 und als Video auf higgs.
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