Benedikt Meyer
Benedikt Meyer ist Historiker und Autor. Mit «Im Flug» hat er die erste wissenschaftliche Geschichte der Schweizer Luftfahrt geschrieben, mit «Nach Ohio» seinen ersten Roman veröffentlicht. Bei higgs erzählt er in der «Zeitreise» jeden Sonntag Episoden aus der Geschichte der Schweiz. Von den Wanderungen der Helvetier bis Erasmus von Rotterdam, vom Mord in Augusta Raurica bis zu Catherine Reponds tragischem Ende und von Henri Dunant bis zu Iris von Roten.
Der Aufstieg der Schweizer Banken zu international relevanten Finanzhäusern begann mit dem Ersten Weltkrieg. Während der «Grande Guerre» flossen Gelder aus ganz Europa in die Schweiz – und dieser Trend hielt auch nach Kriegsende an. Denn während bei den einen die Hyperinflation herrschte, erhöhten die andern die Steuern für den Wiederaufbau. Von beidem nicht betroffen waren die Vermögen in der Schweiz – sie wurden meist gar nicht deklariert.
Frankreich und Deutschland reagierten: Sie entsandten Spione, welche Schweizer Bankiers bestachen, um an Informationen über deren Kunden zu kommen. 1931 wurde in Zürich der Deutsche Agent Arthur Pfau enttarnt – ein internationaler Skandal. 1932 verhaftete die französische Justiz den Direktor der Pariser Filiale der Basler Handelsbank in Flagranti bei der Beihilfe zur Steuerflucht – ebenfalls ein internationaler Skandal. Und die Liste der Skandale liesse sich fast beliebig verlängern.
Ebenfalls ein Skandal war 1933 der Beinahe-Crash der Volksbank. Die zweitgrösste Schweizer Bank war infolge der Weltwirtschaftskrise so in Schieflage geraten, dass sie vom Bund mit 100 Millionen Franken gerettet werden musste – einem Betrag, der fast einem Viertel des Bundesbudgets entsprach. Schliesslich implementierte das Parlament 1935 ein Gesetz, das den massiv gewachsenen Finanzmarkt regulieren sollte.
Dieses hielt nebst vielem anderen unter Artikel 47 fest, dass die Weitergabe von Kundendaten mit Geldbussen oder Gefängnis bestraft wurde. Das war die Geburtsstunde des Bankgeheimnisses.
Aus der Spionageabwehr wurde ein Trumpf des Schweizer Finanzplatzes. Dieser profitierte davon, dass der Franken stark, das politische System stabil und das Land auch im Zweiten Weltkrieg verschont blieb.
Spätestens nach 1945 avancierte die Schweiz zu einem der weltweit grössten Finanzplätze. Sie wurde zur Drehscheibe des internationalen Kapitals und zwischen 1955 und 1975 war der Zufluss an Geld so gross, dass er gebremst werden musste. Mit mässigem Erfolg: Einige rasante Jahrzehnte später – am Anfang des 21. Jahrhunderts – verwalteten Schweizer Banken das Zehnfache des Schweizer Bruttoinlandprodukts und einen Drittel aller transnationalen Privatguthaben der Welt. Viele dieser Gelder stammten aus zweifelhaften Geschäften – was zu berechtigten Schwarzgeld- und Geldwäschereiskandalen führte.
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Welchen Anteil das Bankgeheimnis am Aufstieg des Schweizer Finanzplatzes hatte, ist schwer zu beziffern. Auch, welche Schäden die Steuerflucht in anderen Staaten hinterlassen hat. Im Zug der Finanzkrise und der dadurch nötigen Rettung der UBS im Jahr 2008, wurde das Bankgeheimnis (für Ausländer) de facto abgeschafft. Illegale Vermögen liegen nun andernorts. Für den Schweizer Finanzplatz könnte dies wieder ein Vorteil sein.
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