Das musst du wissen

  • Rund zehn Prozent der auf Youtube konsumierten Videos drehen sich um Nachrichten.
  • Die Mehrheit dieser News-Videos stammt von etablierten Medien, die eher politisch links orientiert sind.
  • Die Menge an rechtsradikalen Inhalten ist gering und zwischen 2016 und 2019 kaum gewachsen.
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Youtube ist voll von Fallgruben, die Konsumentinnen und Konsumenten in den «Kaninchenbau» hinabführen – zu englisch «down the rabbit hole». Das heisst: Der neugierige User wird über Algorithmen, die Empfehlungen generieren, immer weiter gelotst, er gerät vom Hundertsten ins Tausendste – und manchmal endet diese Reise bei kruden rechtsradikalen Videos. Youtube steht im Verdacht, eine Radikalisierung durch seine Algorithmen zu befördern. Doch stimmt dies tatsächlich? Eine Radikalisierung wissenschaftlich einwandfrei zu belegen ist äusserst schwierig, zu viele Faktoren spielen dabei eine Rolle. Amerikanische Forschende sind der Frage dennoch nachgegangen. Ihre Studie ist im Fachmagazin Pnas erschienen.

Science-Check ✓

Studie: Examining the consumption of radical content on YouTubeKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Studie basiert auf einer grossen Datenmenge, was sie grundsätzlich solid macht. Allerdings handelt es sich bei allen Probanden um Amerikanerinnen und Amerikaner, die Resultate lassen sich also nicht verallgemeinern. Die Studie hat noch weitere Einschränkungen: Die Daten umfassen nur den Desktop-Konsum, mobile Geräte sind nicht eingeschlossen. Auch ist zum Beispiel möglich, dass die empfohlenen Beiträge eher in einem neuen Browser-Tab geöffnet werden, dieser Zusammenhang erscheint in diesen Daten nicht. Auch macht die Studien nur Aussagen über die gesamte Bandbreite der Youtube-Nutzer und der Youtube-Videos. Sie schliesst nicht aus, dass spezifischer Content spezifische Communities radikalisieren kann. Die Studie kann also Hinweise geben, das Thema ist aber sehr komplex und muss weiter erforscht werden.Mehr Infos zu dieser Studie...

Rechtsradikale Community ist klein

Für die Studie analysierten die Forschenden das Konsumverhalten von 300 000 Amerikanerinnen und Amerikanern zwischen 2016 und 2019. Die Forschenden beschränkten sich auf News-Videos – diese machten rund zehn Prozent der auf Youtube angesehenen konsumierten Inhalte aus. Sie untersuchten, ob der Anteil rechtsradikaler, konsumierter Inhalte über diesen Zeitraum zunahm. Mit rechtsradikal sind hier Gruppen gemeint, die klar rassistische Ansichten propagieren.

Dies konnten die Forschenden allerdings nicht feststellen. Die klare Mehrheit der Nachrichten-Konsumenten auf Youtube ist politisch eher links ausgerichtet und konsumiert etablierte Medien. Die rechtsradikale Youtube-Community ist demgegenüber relativ klein – in dieser Stichprobe sogar die zweitkleinste nach der linksradikalen Community. Eine genaue Zahl nennen die Forschenden nicht.

Auch scheint es eine eingefleischte Gemeinschaft zu sein, die sich über das gesamte Internet hinweg in rechtsradikalem Rahmen bewegt. Für User war es dementsprechend doppelt so wahrscheinlich, über den Link auf einer rechtsradikalen Plattform wie Breitbart auf ein rechtsradikales Youtube-Video zu stossen, als dass sie es durch eine Youtube-Empfehlung fanden.

Zudem ist es nicht wahrscheinlicher, dass Konsumenten ein rechtsradikales Video am Ende ihrer Youtube-Session oder während längerer Sessions ansehen. Dies ist ein weiterer Hinweis, dass die Plattform zumindest im Bereich News nicht unbedingt schuld an einer Radikalisierung ist. Ohnehin schlossen rund 80 Prozent der untersuchten Youtube-Sessions nur ein Video ein – viele Nutzer schauen also gezielt genau einen Film.

Die Empfehlungen von Youtube bescheren rechtsradikalen Inhalten also zwar Zuschauer, diese kommen aber meist bereits mit entsprechenden Ansichten auf die Plattform.

Reaktionäre Inhalte wachsen

Aufstrebend sind jedoch andere ideologische Strömungen, die die Forschenden als «Anti-Woke» bezeichnen. «Woke» ist ein englischer Ausdruck, der sich auf ein erwachtes Bewusstsein für mangelnde soziale Gerechtigkeit und Rassismus bezieht. «Anti-Woke»-Gruppen hingegen positionieren sich reaktionär. Ihre Youtube-Channels beziehen Opposition gegen progressive Bewegungen für mehr soziale Gerechtigkeit und sehen Universitäten und Medien als voreingenommen, wenn nicht sogar als gekauft, an.

Diese Gruppierungen sind laut der neusten Studie auf Youtube auf Wachstumskurs und die Anti-Woke-Community grösser als jene der Rechtsradikalen. Zwar gibt es zwischen den beiden Communities grosse Überschneidungen – Hinweise dafür, dass Anti-Woke-Channels als Türöffner in die rechtsradikale Szene dienen, fanden die Forschenden allerdings ebenfalls keine. Stattdessen scheint sich mit «Anti-Woke» eine eigene Strömung zu entwickeln.

Die Forschenden fassen zusammen: «Unsere Resultate geben keine Hinweise auf den populären Vorwurf, Youtube treibe seine User dazu, radikalere politische Inhalte zu schauen». Youtube solle eher als Teil eines grösseren Informations-Netzwerks über das gesamte Internet hinweg betrachtet werden, in dem Verschwörungstheorien, Falschinformationen und propagandistische Inhalt breit verfügbar seien einfach entdeckt und auch aktiv gesucht würden.

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