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Ist ein Medikament, das das Risiko für eine bestimmte Krankheit um ein Drittel senkt, ein gutes Medikament? Intuitiv würden wir wohl sagen: ja.
Ist eine Technologie, die die Häufigkeit eines bestimmten Tumors auf das Zweieinhalbfache steigert, gefährlich? Auch hier sagt man intuitiv: ja.
Das ist aber beides mal nicht zwingend so.
Nehmen wir eine Studie, die ein präventiv wirkendes Medikament vorstellt. Mit der neuen Pille hat sich die Anzahl erkrankter Personen um ein Drittel reduziert.
Wir können also die Krankheitsfälle um ein Drittel senken, wenn alle Leute das Medikament vorsorglich nehmen. Aber ist das sinnvoll?
Das kann man nur beurteilen, wenn man weiss, wie häufig die Krankheit überhaupt ist.
In der erwähnten Studie wurde eine Pille gegen Herzkreislaufkrankheiten getestet. Diese Krankheiten sind bei uns die häufigste Todesursache und der dritthäufigste Grund für Hospitalisierung.
In der Studie haben von den 3400 Probanden, die keine Pille erhielten, deren 299 eine Herzkreislauferkrankung erlitten, mit Pille 200.
Ein Drittel weniger Erkrankungen.
Das bedeutet auf die Schweizer Bevölkerung umgerechnet: Anstatt jährlich 114 000 Herzkreislauf-Fällen hätten wir jedes Jahr um die 40 000 Erkrankte weniger. Ob es sich dafür lohnt, allen Leuten eine Pille zu verschreiben, ist aber auch noch nicht gesagt.
Wären hingegen nur ganz wenige Leute von der Krankheit betroffen – sagen wir drei pro Jahr – wäre eine Reduktion um ein Drittel genau eine Person. Für diesen Effekt macht es kaum Sinn, alle Leute das Medikament präventiv schlucken zu lassen.
Jetzt drehen wir den Spiess um. Eine andere Studie zeigt, dass Frauen, die mehr als zehn Jahre intensiv ihr Mobiltelefon gebrauchen, ein 2,5-faches Risiko für ein Akusticusneurinom haben – das ist ein gutartiger Tumor auf dem Hörnerv.
Zweieinhalbmal mehr Krebs!* Das klingt dramatisch.
Aber wir müssen wieder berücksichtigen, wie häufig dieser Krebs überhaupt ist. Die Wahrscheinlichkeit für ein Akusticusneurinom beträgt 0,001 Prozent. Oder anders gesagt: pro Million Menschen bekommen normalerweise jedes Jahr 10 einen solchen Tumor.
Das heisst, wenn eine Million Menschen mehr als zehn Jahre intensiv mit dem Handy telefonieren, gibt es statt 10 solche Krebsfälle, deren 25.
Und wen es betrifft, ist nicht vorauszusehen. Das relativiert die Gefährlichkeit doch enorm.
Ich sage nicht, dass der Krebs für diejenigen, die daran erkranken, kein Problem sei. Natürlich ist er für Betroffene ein Problem. Aber neben den 25 Erkrankten haben eben 999 975 Personen mehr als 10 Jahre ohne Schaden zu nehmen telefoniert. So gefährlich ist die Technologie also nicht.
Also sagt die Tatsache allein, dass ein Risiko um ein Drittel sinkt oder eine Krankheit 2.5-mal häufiger auftritt, rein gar nichts aus. Man muss immer die absoluten Zahlen kennen: Wie viele Erkrankungen werden verhindert, wie viele Leben gerettet?
Der Faktist
