Das musst du wissen
- Bakterien, die gegen gängige Antibiotika resistent sind, gibt es heute fast überall, sogar in der Arktis.
- Die übermässige Verwendung von Antibiotika beschleunigt die Verbreitung resistenter Bakterien, warnen die Forscher.
- Allerdings ist noch nicht sicher, ob die Bakterien wirklich in die Arktis migriert sind oder dort natürlich vorkommen.
Sie kommen mittlerweile fast überall vor: Bakterien, denen gängige Antibiotika nichts mehr anhaben können. Es gibt sie in Menschen, Tieren, in Böden, in Gewässern. Die resistenten Bakterien tragen bestimmte Resistenzgene, die ihnen Abwehrmechanismen gegen die Antibiotika verleihen. Und diese Gene können die Bakterien leicht untereinander austauschen. So verbreiten sie sich immer weiter – sogar bis in entlegene Gebiete in der Arktis, wie Forschende der Universität Newcastle, nun melden.
Die Forschenden hatten im Jahr 2013 in Spitzbergen, eine zu Norwegen gehörende Inselgruppe im arktischen Ozean, Bodenproben gesammelt und diese im Labor analysiert. Aus den gesamthaft 40 Proben von acht verschiedenen Standorten isolierten sie das enthaltene bakterielle Genmaterial und durchsuchten dieses nach bekannten Resistenzgenen. Sie wurden fündig: ganze 131 Resistenzgene waren in den Proben. Gesamthaft verleihen sie Bakterien Schutz gegen neun verschiedene Antibiotikaklassen.
Besonders überrascht hat die britischen Forschenden, dass sie auch ein Gen namens «blaNDM-1» fanden, das erst fünf Jahre bevor die Bodenproben gesammelt wurden, zum erstem Mal in Indien entdeckt wurde. Das Gen verleiht Bakterien eine Resistenz gegen fast alle gängigen Antibiotika. 2010 wurde es in indischen Flüssen nachgewiesen. Und zwar in zwei verschiedenen Bakterienarten, die natürlicherweise in unserem Darm vorkommen, die jedoch Infektionen auslösen, wenn sie an anderen Stellen im Körper gelangen.
Dass diese Resistenz nun auch im der entlegenen Arktis auftaucht, ist für die Forschenden aus Newcastle ein Alarmsignal. Die Ergebnisse zeigten, wie schnell und weitreichend sich Antibiotika-Resistenzen inzwischen weiterverbreitet haben, sagt Studienleiter David Graham. Vor allem die übermässige Verwendung von Antibiotika und die Verschmutzung von Gewässern mit Fäkalien beschleunige die Verbreitung von gefährlichen Multiresistenzen stark. Graham vermutet, dass resistente Bakterien im Darm und Kot von Zugvögeln bis nach Spitzbergen gelangt sind.
Allerdings sind bereits erste Zweifel an dieser Schlussfolgerung aufgekommen. Auf Twitter schreibt beispielsweise der Mikrobiologe Nick Loman von der Universität Birmingham, die Resistenzen müssten nicht migriert sein, sondern könnten natürlich in Bodenbakterien vorkommen.
Can anyone find this paper? I'm immediately sceptical. https://t.co/JP46HVqkcf
— Nick Loman (@pathogenomenick) January 28, 2019
Immerhin ist es nicht das erste Mal, das Resistenzgene in entlegenen Gebieten gefunden werden. 2015 untersuchte eine Studie Bakterien im kanadischen Permafrost und fand in 5000 Jahre altem Eis ebenfalls verschiedene Resistenzgene – also lange bevor die Medizin anfing, exzessiv Antibiotika einzusetzen.
Wie gravierend das Ergebnis aus Newscastle tatsächlich ist, lässt sich also vorerst gar nicht so einfach einzuschätzen. Wir bleiben am Thema dran.