Das musst du wissen

  • Krebserkrankungen sind in der Schweiz die zweithäufigste Todesursache bei Kindern.
  • Diese Erkrankungen werden landesweit in einem Krebsregister erfasst – und dies seit 1976.
  • Eine Analyse zeigt: Das Krebsrisiko ist in Norden vom Kanton Zürich und im Seeland höher, insbesondere bei Hirntumoren.

Bei Kindern tritt Krebs relativ selten auf – und doch sind Krebserkrankungen in der Schweiz die zweithäufigste Todesursache im Kindesalter. Jährlich erkranken in der Schweiz etwa 250 Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren an Krebs. Über mögliche Ursachen dieser Erkrankungen ist noch wenig bekannt. Ein geringer Anteil ist genetisch bedingt, bei den meisten Erkrankungen bleibt die Ursache jedoch unklar. Verschiedene Umweltfaktoren stehen unter Verdacht, wie etwa ionisierende Strahlung wie natürliche Hintergrundstrahlung oder medizinische diagnostische Strahlung, Luftverschmutzung, elektromagnetische Felder oder Pestizide.
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Forschende des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern (ISPM) und der Schweizerischen Pädiatrischen Onkologiegruppe (SPOG) haben nun mittels Modellrechnungen in zwei Regionen der Schweiz ein höheres Risiko für Hirntumore festgestellt. Sie haben diese Resultate im Fachmagazin International Journal of Health Geographics publiziert.

Science-Check ✓

Studie: Bayesian spatial modelling of childhood cancer incidence in Switzerland using exact point data: a nationwide study during 1985–2015KommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsEs handelt sich um eine Modellierung, die auf verschiedenste Messdaten zurückgreift, Messfehler können die Resultate also verzerren. Auch nicht alle möglichen Faktoren einbezogen worden, zum Beispiel der Pestizideinsatz. Die Studie betrachtet nur die räumliche Verteilung. Phänomene, die sich über die Zeit ändern, sind also nicht abgebildet. Die Studie macht also nur zuverlässige Aussagen darüber, wo in der Schweiz in den letzten 30 Jahren das Krebsrisiko für Kinder am höchsten war. Die Ursachen kann die Studie aber nicht zuverlässig ausmachen. Hierfür braucht es weitere Studien, welche die zeitliche Entwicklung sowie weitere Faktoren untersuchen.Mehr Infos zu dieser Studie...

Präzise Berner Methode

Die Forschenden erfassten in einem statistischen Modell Daten der Wohnorte aller Kinder im Alter von 0 bis 15 Jahren aus den Volkszählungen der Jahre 1990, 2000 und 2010 bis 15. Die Wohnorte von Kindern, die im Zeitraum 1985 bis 2015 an Krebs erkrankten und im Kinderkrebsregister erfasst sind, wurden mit denen von Kindern verglichen, die keinen Krebs entwickelten. Dabei wurden präzise Standortdaten, sogenannte Geocodes, benutzt. Damit gingen sie neue Wege: In einer vorgängig publizierten Simulationsstudie konnten die Forschenden bereits zeigen, dass dieses Modell, das präzise Standortdaten verwendet, Gebiete mit einem erhöhten Risiko genauer identifiziert als die in der Krebsepidemiologie üblichen Modelle, welche räumlich aggregierte Daten verwenden – wie etwa die Fallzahlen pro Gemeinde oder Bezirk. Zudem vermag dieses Modell lokale Abweichungen der Krebsrate vom nationalen Durchschnittswert zu schätzen und sie von zufälligen Schwankungen zu unterscheiden, die aufgrund der kleinen Fallzahlen zu erwarten sind.

Das Risiko für Hirntumore variiert geographisch am meisten

Krebserkrankungen werden landesweit im Kinderkrebsregister erfasst, das seit 1976 besteht. Untersucht wurden die im Kindesalter am häufigsten vorkommenden Krebsarten: Leukämien, Lymphome und Hirntumore. Die räumliche Variation bei Hirntumoren unterschied sich am meisten: hier unterschied sich das Risiko im Vergleich zum Landesdurchschnitt um -18% bis +23% , für Leukämien (-4% bis +9%) und Lymphome (-10% bis +13%) war sie kleiner.

Kartenübersicht über Krebsarten bei Kindern in der Schweiz© International Journal of Health Geographics

Karten mit dem geschätzten Kinderkrebsrisiko in der Schweiz für den Zeitraum 1985-2015. Die Farbskala gibt an, um wie viel höher (oder tiefer) das Krebsrisiko im Vergleich zum Landesdurchschnitt ist, z.B. zeigt der Wert 1.2 ein um 20% höheres Risiko an. Die bereinigten Modelle (rechts) zeigen die Abweichung, die nach Berücksichtigung verschiedener Faktoren wie Urbanisierungsgrad (städtisch, ländlich, intermediär), sozioökonomische Lage, Sprachregion, verkehrsbedingte Luftverschmutzung und natürliche Hintergrundstrahlung verbleibt.

In einer Kartendarstellung der Resultate sind für Hirntumore zwei Regionen mit erhöhter Inzidenz zu sehen, eine im Norden des Kantons Zürich und eine im Seeland. «Weitere Analysen zeigten, dass die Risikoerhöhung insbesondere die Gruppe der embryonalen Hirntumore betrifft», sagt Roland Ammann, Co-Autor der Studie an der Universitätsklinik für Kinderheilkunde am Inselspital Bern, in einer Mitteilung.

Variation nur teilweise erklärbar

Ebenfalls untersucht wurde, ob sich die beobachteten geographischen Unterschiede durch soziokulturelle Faktoren erklären lassen, wie beispielsweise Urbanisierungsgrad, sozioökonomische Position oder auch die generelle Krebsregistration. Als weitere Erklärungsvariablen schlossen die Forschenden zwei Umweltfaktoren ins Modell ein, die in früheren Studien der Gruppe mit einem erhöhten Krebsrisiko verbunden waren: Die verkehrsbedingte Luftverschmutzung, vor allem durch Stickstoffdioxid (NO2), und die natürliche Hintergrundstrahlung, also die ionisierende Strahlung der Erde und aus dem Weltall.

Die berücksichtigten Faktoren konnten die räumliche Variabilität der Krebsrate teilweise erklären. Für Leukämie war der entscheidendste räumliche Faktor die NO2-Konzentration in der Luft. Kinder, die von einer Autobahn weniger als 100 Meter entfernt wohnen, haben demnach ein erhöhtes Risiko. Die Hintergrundstrahlung hat Einfluss auf die Risiken aller Krebsarten. Der sozioökonomische Status hat hingegen nur wenig Einfluss.

Nicht erklären konnten all diese Faktoren aber die Erhöhung der Hirntumor-Rate im Norden von Zürich und im Seeland. «Wir schliessen daraus, dass die Suche nach Umweltrisikofaktoren von Hirntumoren intensiviert werden sollte», sagt Ben Spycher vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern und Letztautor der Studie, in einer Mitteilung. Klar wird durch diese Studie also nicht, wieso das Risiko für Kinder, an einem Hirntumor zu erkranken in diesen Gebieten höher ist. Das muss nun geklärt werden.

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