Wie viel Plastik befindet sich im Trinkwasser oder im Essen, das wir tagtäglich zu uns nehmen? «Bevor wir sagen können, wie viel Plastik ein Glas Wasser oder ein Gericht enthält, müssen wir die Partikel messen können», antwortet die US-amerikanische Geochemikerin Denise Mitrano, die als Assistenzprofessorin an der ETH tätig ist.
Die Realität sei sehr komplex. «Kunststoffpartikel können extrem klein sein und daher nicht von den gängigen Analyseinstrumenten erfasst werden», fügt die Wissenschaftlerin an.

Denise Mitrano

Geboren wurde Denise Mitrano am 28. Januar 1986 in Salisbury, New Hampshire (USA). Sie promovierte in Geochemie an der Colorado School of Mines und zog 2013 in die Schweiz.
Zunächst arbeitete sie an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) und anschliessend an der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag), wo sie begann, sich mit Mikro- und Nanokunststoffen zu beschäftigen.
Seit 2020 ist Denise Mitrano Assistenzprofessorin für Umweltchemie anthropogener Materialien an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ).

Eine innovative Methode könnte nun neue Horizonte in Bezug auf die verschwindend kleinen Mini-Plastikteilchen eröffnen, die nur Bruchteile von wenigen Millionstel Millimetern gross sind. Mit einem neuartigen, von Mitrano entwickelten Verfahren, um diese Partikel nachzuverfolgen, lässt sich nämlich aufzeigen, wie sich Mikro- und Nanokunststoffe in Wasser, Boden und lebenden Organismen verbreiten.

Die Tageszeitung «Blick» schrieb über Mitrano: «Sie jagt Mikroplastik in Gewässern.» Wie kam es dazu? «Ich wollte schon immer Lösungen für Probleme finden. Inspiriert wurde ich für diese Arbeit durch die von mir entwickelten Methoden zur Messung von Metall-Nanopartikeln», sagt die Wissenschaftlerin.

Nützliche Metalle

Das Novum in dem von der ETH-Forscherin ausgedachten Verfahren besteht darin, auf chemischen Weg Plastikteilchen mit Metallen zu markieren. Verwendet werden Edelmetalle wie Palladium oder Indium. «Der Vorteil ist, dass sich Metalle viel genauer und schneller messen lassen als Kunststoff-Partikel.»

Das Verfahren wurde angewandt, um etwa die Wirksamkeit einer Kläranlage in Bezug auf die Filterung der mikroskopisch kleinen Plastikpartikel im Wasser zu untersuchen. «Die gute Nachricht ist, dass über 95 Prozent der Mikro- und Nanoplastik-Teilchen, die ins Abwasser gelangen, im Klärschlamm verbleiben», sagt Mitrano.

Das Problem der Plastikverschmutzung werde dadurch jedoch nicht gelöst. «Nanokunststoffe reichern sich im Klärschlamm an. In der Schweiz werden sie verbrannt, aber in anderen Ländern werden sie zur Düngung von Feldern verwendet», gibt die Geochemikerin zu bedenken.

Mitrano analysierte auch eine Trinkwasser-Aufbereitungsanlage, um herauszufinden, ob diese in der Lage ist, Nanokunststoffe herauszufiltern. Zu diesem Zweck hat sie einige der Reinigungsstufen der Anlage in der Stadt Zürich nachgebaut. «Die langsame Filtration mit Sandfiltern hat sich als besonders effektiv erwiesen», sagt sie.

In einem anderen Experiment untersuchte sie, wie Weizenpflanzen in Hydrokulturen (Pflanzen in Wasserbehältern ohne Erdreich) Kunststoffe absorbieren. Die Nanokunststoffe erreichten die Blätter, und die Pflanzen reagierten in einer Art Stressreaktion, indem sie die Menge an Kohlenhydraten in den Wurzeln erhöhten. «Das ist ein Verteidigungsmechanismus. Wir konnten jedoch keinen Rückgang der Chlorophyllproduktion oder toxische Wirkungen auf die Zellen feststellen, auch nicht bei hohen Kunststoffdosen», sagt Mitrano.

Eine Kreditkarte pro Woche

Etwa achtzig Prozent des Mikroplastiks stammen aus einem Abbau-Prozess grösserer Kunststoffteile, die sich in der Umwelt befinden. Zum Beispiel: Kunststoffsäcke, Flaschen, Fischernetze oder Plastikfolien, die in der Landwirtschaft und im Bauwesen zum Einsatz kommen. Die restlichen zwanzig Prozent werden direkt in die Natur freigesetzt, beispielsweise durch Reifenabrieb, das Waschen von Wäsche oder die Verwendung von Kosmetika.

Die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) geht davon aus, dass in der Schweiz jährlich rund 615 Tonnen Mikroplastik in Boden und Wasser gelangen. Spuren von Kunststoff-Rückständen wurden in grossen Seen und Flüssen im Flachland sowie in Gletscher-Schmelzwasser und Alpenflussläufen gefunden.

Plastik aus der Umwelt landet auch in unserem Essen. Laut einer vom WWF in Auftrag gegebenen Studie der australischen Universität Newcastle aus dem Jahr 2019 nehmen wir jede Woche durchschnittlich fünf Gramm Plastik zu uns – das entspricht dem Gewicht einer Kreditkarte. Die grösste Menge an Plastikpartikeln wird durch den Verzehr von abgefülltem Wasser, Schalentieren, Bier und Salz aufgenommen.

Mikroplastik könnte der menschlichen Gesundheit schaden, auch wenn es für diese These noch keine wissenschaftlichen Beweise gibt. «Wir wissen, dass Plastik ein langlebiges Material ist und in vielen Ökosystemen vorkommt. Ansonsten gibt es noch viele Unbekannte», sagt Mitrano.

Es gibt tatsächlich verschiedene Arten von Kunststoffen, die alle ihre eigenen Eigenschaften aufweisen. Ausserdem fügen die Hersteller dem Plastik Zusatzstoffe, Stabilisatoren und andere Chemikalien hinzu. Laut Mitrano muss ermittelt werden, welche Aspekte der Kunststoff-Verschmutzung für den Menschen und die natürlichen Lebensräume gefährlich und welche weiteren Folgen für die Umwelt zu erwarten sind.

»Eine hervorragende Forscherin»

Die von Mitrano entwickelte Methode wird zumindest indirekt zur Verringerung der Plastikverschmutzung beitragen können. «Es ist immer eine Frage der Kosten und des Nutzens, aber wenn wir einem Landwirt aufzeigen können, dass die von ihm auf den Feldern verwendete Plastikfolie starke negative Auswirkungen auf die Umwelt hat, wird er sich vielleicht für biologisch abbaubare Materialien entscheiden», sagt die Forscherin.

Die Wissenschaft könne auch die Industrie auf besonders problematische Materialen hinweisen, damit Alternativen entwickelt werden.
Für ihre Arbeit über Mikroplastik wurde Mitrano mit dem Marie Heim-Vögtlin-Preis 2021 ausgezeichnet. Mit diesem Preis würdigt der Schweizerische Nationalfonds jedes Jahr eine «hervorragende Nachwuchsforscherin». Der Preis ist mit 25 000 Franken dotiert. «Die Gewinnerinnen sind inspirierende Vorbilder», meint der SNF.

«Dieser Preis ist eine grosse Ehre für mich. Damit habe ich wirklich nicht gerechnet», strahlt Mitrano. «Der Preis zeigt die Wichtigkeit unserer Forschungsergebnisse auf, ist aber auch eine gute Möglichkeit, die Stellung der Frauen in den Wissenschaften zu stärken.»

In der Medienmitteilung wird Mitrano wie folgt zitiert: «Ich weiss aus eigener Erfahrung, wie sehr inspirierende weibliche Vorbilder helfen, und finde es nun umso schöner, dass ich selbst für Nachwuchsforscherinnen ein Vorbild sein kann.»

Die Namensgeberin des Preises, Marie Heim-Vögtlin, wurde 1868 als erste Schweizerin zum Studium an der medizinischen Fakultät der Universität Zürich zugelassen. Sie zählt zu den Vorreiterinnen im Kampf der Frauen für den Zugang zu akademischer Bildung.

Dieser Text erschien zuerst bei swissinfo und wurde von Gerhard Lob aus dem Italienischen übertragen.
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