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Wer hat die Welt erschaffen? Über diese Frage diskutierte ich kürzlich in einer Runde. Ein Mann, der sich selbst als gläubig bezeichnet, meinte: es erfülle ihn mit Ehrfurcht, dass alles durch einen (gemeint war Gott) erschaffen worden sei. Und er fügte bei, meine Welt müsse sehr arm sein, weil ich sie mit nüchternem, wissenschaftlichem Blick betrachte. So sei ich nicht mehr fähig, über die Schöpfung zu staunen. Und es fehle mir an Ehrfurcht.
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Gerade das Gegenteil ist der Fall. Wenn ich mir vorstelle, dass eine Macht, Kraft oder eben Gott diese Welt nach seinem Plan erschaffen hat, wird es geradezu banal. Ein Allwissender hatte halt die Idee und hat sie umgesetzt. Er weiss alles und kann auch alles. Da kann ich gar nicht staunen.

Viel mehr deprimiert mich an dieser Vorstellung, dass der Schöpfer einige krasse Fehler gemacht hat. Warum – um nur ein Beispiel zu nennen – hat er zu Beginn das Licht so geschaffen, dass es beim Menschen, der Krone seiner Schöpfung, Hautkrebs verursacht?

Wenn ich hingegen die Welt mit dem Blick des Naturwissenschaftlers betrachte und weiss, dass alles durch eine Folge von Abermilliarden von Zufällen entstanden ist – dann erfasst mich Ehrfurcht.
Ich staune darüber, dass jedes Atom im Stein, im Baum, im Tier und Mensch gleich aufgebaut ist und gleich funktioniert. Ich staune darüber, dass sich irgendwann in Form eines langen Moleküls namens DNA ein genetischer Code entwickelt hat, der in allen Lebewesen universell ist. Ich staune, wie in unserem Körper die Blutgerinnung über eine Kaskade biochemischer Vorgänge über insgesamt 13 Stufen abläuft, oder wie er gelernt hat, sich selbst zu reparieren. Und wenn ich daran denke, dass jeder Gedanke, jedes Gefühl und damit dann auch jede psychologische und soziale Interaktion im Innersten auf physikalischen, chemischen und biologischen Vorgängen beruhen – und wir trotzdem vieles noch nicht erklären können.

Dann erfasst mich – und man möge entschuldigen, dass mir jetzt gerade dieser Ausdruck in den Sinn kommt, dann erfasst mich ein geradezu überirdisches Staunen über die Natur. Und dann frage ich mich, warum Physik, Chemie und Biologie nicht mehr Menschen interessiert, um damit die Welt zu verstehen. Oder eben, über sie zu staunen.

Der Faktist

Der Faktist schaut ganz genau hin. Im Dschungel der wissenschaftlichen Studienresultate behält er den Überblick. Zeigt, was zusammenhängt. Und was einfach nicht aufgeht. Der Faktist ist Beat Glogger, Gründer und Chefredaktor von higgs. Jeden Dienstag als Sendung auf Radio 1 und als Video auf higgs.
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