Das musst du wissen

  • Der Berner Chirurg Max Aebi setzte Patienten Implantate ein, obwohl er wusste, dass sie in Studien durchgefallen waren.
  • Der Mediziner sass damals im Beirat der Herstellerfirma Ranier Technology. Gegen ihn läuft eine Strafuntersuchung.
  • Die Medien machten den Fall 2018 publik – nun bestätigt ein Untersuchungsbericht die Vorwürfe.

Schwere Körperverletzung: So lautet der Vorwurf der Berner Staatsanwaltschaft gegen Chirurg Max Aebi, der in der Hirslanden-Klinik Salem-Spital in Bern tätig ist. Von 2011 bis 2014 hat er sieben Patienten ein Bandscheiben-Implantat eingesetzt – und dies obwohl er wusste, dass es zu Komplikationen führen kann. Aufgedeckt wurden die Missstände ursprünglich von einem internationalen Konsortium investigativer Journalistinnen und Journalisten. Ein unabhängiges Gutachten der Hirslanden-Gruppe erhärtet diese Vorwürfe nun – Aebi selber stand für den Bericht nicht zur Verfügung. Der Bericht lässt zwar «keine abschliessende Beurteilung des Verhaltens von (Aebi) in straf- oder haftungsrechtlicher Hinsicht» zu, wie im Bericht klargestellt wird. Doch er zeigt die zwielichtige Rolle des Chirurgen im Detail auf.

2010 erhielten die ersten Patienten das Bandscheiben-Implantat Cadisc-L, denn im diesem Jahr wurde das Implantat von der britischen Konformitätsbewertungsstelle British Standards Institution zertifiziert – und das Implantat damit freigegeben. Dies, obwohl zuvor zwei Studien an Affen erhebliche Probleme offenlegten. Bei der ersten Studie funktionierte die Transplantation nicht richtig, bei der zweiten kam es in den Monaten nach der Transplantation zu Komplikationen. Im Auftrag der Herstellerfirma Ranier Technology Ltd. analysierte ein Wissenschaftler die Röntgenbilder dieser zweiten Studie. Er konstatierte «beunruhigende Veränderungen zwischen Implantat und Knochen.»

Nur: Die Studienresultate wurden verschwiegen. In publizierten Artikeln zeichneten die Firma sowie deren Scientific Advisory Board stattdessen ein positives Bild der Implantate. Pikant: Max Aebi war Mitglied des Gremiums und an der Entwicklung des Produkts beteiligt, wusste über die Probleme mit dem Implantat also Bescheid. Als Teil des Beirats hatte er aber ein finanzielles Interesse am Erfolg des Implantats, hält der Untersuchungsbericht fest. Anlässlich einer Sitzung des Beirats im Jahr 2009 sagte Aebi laut Bericht: «Das ist bloss eine radiologische Überblicksstudie, das hat nichts mit der Realität zu tun.»

In einer klinischen Studie testeten Wissenschaftler der britischen Herstellerfirma Ranier Technology Ltd. das Implantat 2010 an 29 Patienten. Eine klinische Prüfung nach drei Monaten verlief ohne negative Ergebnisse. Die schwerwiegenden Komplikationen sollten erst nach drei oder vier Jahren auftreten.

Obwohl der Chirurg Max Aebi also über die Probleme mit dem Implantat Cadisc-L genauestens Bescheid wusste, setzte er sie zwischen 2011 und 2014 in sieben Operationen ein. Seine Funktion bei Ranier verschwieg er seinem Arbeitgeber, der Privatklinik-Gruppe Hirslanden, obwohl solche Mandate laut Rahmenvertrag transparent gemacht werden müssen.

Bis 2014 häuften sich Meldungen beim Hersteller Ranier, wonach die Implantate fehlerhaft seien: Sie zersetzten sich im Rücken, was zu Schmerzen führte und weitere Operationen nötig machte. Damals waren europaweit bereits bei fast 200 Patienten solche Implantate eingesetzt worden. Das Unternehmen rief das Produkt im März 2014 deshalb zurück. Während Rainer Technology den Ärzten empfahl, bei den Patienten, die schon ein Implantat hatten, Nachuntersuchungen durchzuführen, blieb Aebi untätig und informierte auch die Leitung der Klinik nicht. Damit hat er seine Sorgfaltspflicht nicht wahrgenommen, heisst es im Bericht. Gegen ihn läuft eine Untersuchung der Berner Staatsanwaltschaft, es gilt die Unschuldsvermutung. Ranier Technology Ltd. ging 2015 in Konkurs.

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