Das musst du wissen

  • In der Schweiz gibt es 130 Imame, die regelmässig und bereits seit längerer Zeit aktiv sind.
  • Der Bildungsweg dieser Imame ist sehr unterschiedlich, wie eine neue Studie zeigt.
  • Je nach Gemeinschaft ist der Bildungsweg stark vorgegeben oder aber kaum strukturiert.

Die Imame in der Schweiz sind höchst unterschiedlich ausgebildet. Dies zeigen die Ergebnisse der Studie von Hansjörg Schmid, geschäftsführender Direktor des Schweizerischen Zentrums für Islam und Gesellschaft (SZIG), und Noemi Trucco. Die Autoren nahmen Personen in den Blick, die längerfristig als religiöse Experten in muslimischen Gemeinden tätig sind und dort oft mit weiteren Betreuungspersonen etwa im Bereich der Jugend- und Frauenarbeit kooperieren.

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Studie: Bildungsangebote für Imame – ein Ländervergleich aus Schweizer PerspektiveKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Studie basiert auf Expertenwissen und zeichnet ein zuverlässiges allgemeines Bild. Repräsentativ ist sie aber nicht.Mehr Infos zu dieser Studie...

Imame müssen sich finanzieren

Die vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) geförderte Studie zeigt, wie die insgesamt rund 130 Imame in der Schweiz in verschiedenen sprachlichen Gemeinschaften rekrutiert werden. Die meisten Imame, circa 55, stellt die türkische Gemeinschaft. Dann folgt die albanische, die arabische und die bosnische Gemeinschaft. Inzwischen sind auch erste in der Schweiz aufgewachsene Personen als Imame tätig.

Die Finanzierung ist eine der grössten Herausforderung für die Imame selber sowie für die muslimischen Gemeinden. «Nicht alle Gemeinden, die sich einen fest angestellten und gut qualifizierten Imam wünschen, sind in der Lage, einen solchen zu finanzieren», schreiben die Forschenden. Es handle sich um ein teilweise stark von Freiwilligenarbeit geprägtes Feld.

Kein einheitlicher Bildungsweg

Die in der Schweiz tätigen Imame hätten sehr unterschiedliche Bildungswege durchlaufen, die stark mit der persönlichen Biographie verknüpft seien. Während manche sich das religiöse Wissen autodidaktisch angeeignet haben, können andere ein Universitätsstudium vorweisen. Die Autoren führen dies darauf zurück, dass sich im Islam keine feste Institution mit hierarchischen Strukturen herausgebildet hat, die über zentrale Glaubensinhalte wacht. «Es existiert folglich kein einheitlicher, formalisierter, von einer offiziellen Institution sanktionierter islamischer Bildungsweg».

Die von den Imamen am meisten frequentierten Ausbildungseinrichtungen sind auf dem Balkan, in der Türkei, in Ägypten und Saudi-Arabien zu finden und weisen unterschiedliche Profile auf. Ökonomische Anreize durch Stipendien, Lernmöglichkeiten für die arabische Sprache und persönliche Interessen prägen neben theologischen Ausrichtungen die Wahl des Studienortes. Aber auch die Tradition spielt einer Rolle, denn die Wege der Imame sind in den verschiedenen Gemeinschaften unterschiedlich strukturiert:
So ist die Ausbildung bei türkischsprachigen Verbänden klar geregelt. Einen Sonderfall stellen hier die Diyanet-Imame dar: Dies sind in der Türkei ausgebildete, staatlich finanzierte Imame, die in andere Länder entsandt werden und so auch zum aussenpolitischen Instrument werden.

Auch bei den bosnischen Gemeinden gibt es aufgrund der Dekretierung der Imame durch den Grossmufti in Sarajevo ein höheres Mass an Zentralisierung. Am wenigsten strukturiert ist das Feld der arabischsprachigen Gemeinden.

Mangelndes berufspraktisches Angebot

Die Bildungsangebote für Imame unterscheiden sich in den europäischen Ländern stark. Während in Frankreich theologische Studien weitgehend den Herkunftsländern und privaten Institutionen überlassen werden, wurden in Deutschland, Österreich und den Niederlanden Studiengänge für islamische Theologie an staatlichen Universitäten aufgebaut. Berufspraktische Angebote für Imame fehlen dort jedoch und muslimische Gemeinden bevorzugen meist Absolventen klassischer Bildungseinrichtungen aus muslimischen Ländern.

Laut Autoren zeige die Studie, dass Forderungen nach einer ausschliesslich in der Schweiz absolvierten Imamausbildung an der komplexen Wirklichkeit stark internationalisierter Bildungswege vorbeigingen. «Denkbar sind Kombinationen von Studien- und Weiterbildungsangeboten im Ausland wie im Inland. Pauschalurteile ausgehend vom Studienort eines Imams helfen nicht weiter. Vielmehr sollten die Imame als Individuen mit ihren Bildungsmotivationen in den Blick genommen und davon ausgehend Anreize gesetzt werden, um sich weiterzubilden», so die Autoren.

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