«Die Idee entstand bei einer Tasse Kaffee. Wir fragten uns, wie wir die Speicherbecken unserer Wasserkraftwerke energetisch noch besser nutzen könnten. Das war im Jahr 2013. Es gab damals schon erste schwimmende Solaranlagen, aber nicht in einer alpinen Umgebung», erinnert sich Guillaume Fuchs. Fuchs ist französisch-schweizerischer Doppelbürger. Er hat in der Automobilindustrie gearbeitet, bevor er in den Bereich der erneuerbaren Energiequellen wechselte.
«Ich wollte in einer möglichst nachhaltigen Branche arbeiten», erzählt er. Inzwischen ist er bei Romande Energie beschäftigt, dem grössten Elektrizitätsunternehmen der französischen Schweiz.
Der «Lac des Toules» auf 1810 Metern Höhe ist ein Speicherbecken zur Erzeugung von Wasserkraft. Hier hat Guillaume Fuchs sein Projekt verwirklicht: Ein schwimmender Solarpark in einem alpinen Kontext.
«Die Wetterbedingungen sind hier oben extrem», sagt Fuchs. Wind, Eis und Schnee sowie Temperaturen, die zwischen -25 Grad im Winter und +30 Grad Celsius im Sommer schwanken. «Glücklicherweise habe ich mit Personen gearbeitet, die gerne schwierige Situationen lösen wollen und nicht nur Probleme sehen», sagt der Ingenieur mit einem Hauch von Ironie.
50 Prozent mehr Strom
Das Solarkraftwerk auf dem Lac des Toules besteht aus 1400 Solarpaneelen, die von 36 schwimmenden Aluminium- und Polyethylen-Strukturen getragen werden, die ihrerseits im Boden verankert sind. Die Jahresproduktion liegt bei über 800 000 Kilowattstunden (kWh). Das entspricht ungefähr dem Strombedarf von 220 Haushaltungen.
«Die Paneele sind bei niedrigen Temperaturen wirksamer, und wir können die Lichtreflexion auf der Schneedecke ausnutzen.»Guillaume Fuchs, Romande Energie
Auch wenn die anfänglichen Investitionen für eine solche Anlage (2,35 Millionen Franken) wesentlich höher sind als für eine Anlage an Land, gibt es laut Fuchs viele Vorteile für schwimmende Solarkraftwerk in alpinen Höhen.
«Die atmosphärische Schicht ist dünner und daher sind die ultravioletten Strahlen intensiver. Die Paneele sind bei niedrigen Temperaturen wirksamer, und wir können die Lichtreflexion auf der Schneedecke ausnutzen», erklärt er.
Die Verwendung von doppelseitigen Paneelen, die auf beiden Seiten mit photovoltaischen Zellen versehen sind, ermöglicht es zudem, das von der Wasseroberfläche reflektierte Licht zu nutzen. So erhöht sich die Stromproduktion. «Im Vergleich zu einer Anlage gleicher Grösse an Land produzieren wir hier etwa 50 Prozent mehr Strom», betont Fuchs.
Schnee- und eisbeständig
Die im Dezember 2019 in Betrieb genommene Solaranlage in den Walliser Alpen habe seinen ersten Winter erfolgreich überstanden, erklärt der Westschweizer Ingenieur. Das Problem des Eises, das auf dem See eine Dicke von 60 Zentimetern erreichen kann, wurde mit Schwimmkörpern gelöst, die die Struktur anheben, wenn die Wasseroberfläche gefriert. Wenn sich das Speicherbecken Ende März vollständig entleert, sinken die Plattformen auf den geebneten Seegrund.
Die Struktur kann bis zu 50 Zentimeter Schnee aushalten. Bei grösseren Mengen rutscht der Schnee von den Platten ab, sobald die ersten Sonnenstrahlen auftauchen. «Die Rückseite der Solarzellen erzeugen Strom. Dabei wird auch Wärme generiert und der Schnee rutscht weg. Nach mehreren Tests sind wir zum Schluss gekommen, dass es eine Neigung der Paneele von 37 Grad ermöglicht, den Schnee zu entfernen, ohne die Effizienz der Photovoltaikzellen zu beeinträchtigen», erklärt Guillaume Fuchs.
Liegt die Zukunft von Solarenergie auf dem Wasser?
Der erste schwimmende Solarpark wurde 2007 in Japan gebaut, gefolgt von Projekten in Ländern wie Frankreich, Italien, Südkorea, Spanien und den Vereinigten Staaten von Amerika. Derzeit sind weltweit über hundert schwimmende Solarkraftanlagen in Betrieb; die installierte Kapazität hat seit 2014 erheblich zugenommen.
Die schwimmenden Paneele können an allen Wasserläufen platziert werden, von Industriebecken und Tagebauseen (stillgelegte Minen) bis zu Meeresbuchten. Das weltweit grösste schwimmende Solarkraftwerk befindet sich in der chinesischen Provinz Anhui, während das südfranzösische Werk Piolenc mit 47 000 Photovoltaik-Paneelen den europäischen Rekord hält.
Nach Überzeugung einiger Branchenexperten stellen schwimmende Anlagen die Zukunft der Solarenergie dar, da Wasser die Paneele kühlt und damit deren Effizienz erhöht. Vor allem verringern sie Landnutzungskonflikte, weil sie der Landwirtschaft und dem Baugewerbe kein Land entziehen. Solarenergie auf Wasser besitzt das Potential, in verschiedenen Teilen der Welt zu expandieren, stellt ein Bericht des Solar Energy Research Institute von Singapur und der Weltbank fest.
Kombination von Solar- und Wasserkraft
In der Schweiz war der Albigna-Staudamm in Graubünden der erste, der teilweise mit Sonnenkollektoren abgedeckt wurde. Auf der Staumauer des Muttsees im Kanton Glarus wird das erste grosse alpine Solarkraftwerk gebaut (6000 Panels auf einer Fläche von 10 000 Quadratmetern).
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Erweiterung des Solarparks geplant
Ziel von Guillaume Fuchs und Romande Energie ist es, das Pilotprojekt zu optimieren. Wenn die Versuchsphase die bisher gesammelten Ergebnisse bestätigt, sollte der erste schwimmende Solarpark in den Alpen auf etwa ein Drittel der Oberfläche des Toules-Sees ausgedehnt werden. Die Anlage wird rund 22 Millionen kWh pro Jahr liefern, was dem Bedarf von 8000 Haushalten entspricht.
Der Ingenieur hofft zudem, die Technologie auf andere Seen in der Schweiz und im Ausland zu übertragen. Aber bestimmte Bedingungen müssten dafür erfüllt sein, betont er. «Der See muss infrastrukturell zugänglich sein, er darf sich nicht in einem Schutzgebiet befinden und muss natürlich in einem Gebiet mit Sonnenkraft-Potenzial liegen. Gemäss unserer Studie gibt es in der Schweiz rund zehn Alpenseen, die eine solche Solaranlage beherbergen könnten.»
Und wie steht es um den Umwelt- und Naturschutz? Das Projekt am Lac des Toules wurde von der lokalen Sektion des WWF akzeptiert, da es sich um einen Standort handelt, der bereits für die Energieproduktion genutzt wird. Dort haben Fauna und Flora aufgrund der jährlichen Entleerung des Stausees sowieso keine Möglichkeit sich zu entfalten.
In Erwartung einer Studie über die Auswirkungen einer solchen Anlage auf das Phytoplankton sprechen sich Umweltverbände jedoch für andere Lösungen aus. Ihrer Meinung nach sollten vorab bereits bebaute Flächen in besiedelten Gebieten für die Installation von Solarpaneelen genutzt werden, etwa Infrastrukturen wie Dächer, Fassaden und Parkplätze, bevor ein grosser Teil der künstlichen Seen abgedeckt werde, sagte Michael Canova von Pro Natura in der Neuen Zürcher Zeitung.