Markus Sax erscheint an diesem kühlen Morgen Punkt sieben Uhr im T-Shirt. In einer Hand hält er ein Tablet, in der anderen eine schwarze Styroporkiste. Sax ist Projektleiter in der Gruppe Digitale Produktion bei Agroscope, dem Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung. Wir sind im idyllischen Tänikon. Mit seiner geheimnisvollen Kiste marschiert Sax über die regenfeuchte Wiese. Er hat es auf die Blacke abgesehen, die Königin aller Unkräuter.

Nach ein paar Dutzend Metern, als sich die Schuhe schon mit Wasser vollgesaugt haben, bleibt er stehen: «Hier haben wir ein paar schöne Exemplare.» Aus der Wiese ragen drei Blacken wie grüne Türmchen. Die Samenstände beginnen gerade zu reifen. Auf einem angrenzenden Feldweg öffnet Sax den Deckel seiner Kiste und zieht eine Drohne hervor: vier kräftige Rotoren, ein weisses Chassis und darunter befestigt eine Kamera. Sax setzt das Tablet auf die Fernsteuerung und gibt den Flugplan ein. Dazu zieht er ein rechteckiges Feld über dem Luftbild der Wiese auf. Eine Reihe von parallelen Linien durchziehen das Rechteck: An ihnen wird die Drohne entlangfliegen. Im nächsten Moment ist sie auch schon in der Luft. Auf ihrem Weg schiesst sie alle zwei Sekunden ein Bild. Später setzt ein Computerprogramm diese zu einem einzigen, hochauflösenden Luftbild zusammen.

«Die Pfahlwurzel der Blacke dringt tief in den Boden ein und entzieht diesem die Nährstoffe, die eigentlich für das Gras gedacht sind.»
Markus Sax, Projektleiter Digitale Produktion, Agroscope

Anhand des zusammengesetzten Fotos erkennt ein Computerprogramm mit künstlicher Intelligenz die Standorte aller Blacken und errechnet ihre Koordinaten auf den Zentimeter genau. Anschliessend schickt es die Daten an einen Roboter, der später mit einer gezielten Ladung Herbizid jeder einzelnen Blacke den Garaus macht. Auf diese Weise spart der Landwirt Zeit, und die Umwelt bekommt nur ein Minimum an Gift ab. Das ist zumindest das Ziel von Sax und seinen Forschungs- und Industriepartnern. Dazu zählen die Ostschweizer Fachhochschule sowie die Schweizer Agrargenossenschaft Fenaco. Bis das aber alles reibungslos funktioniert, dauert es noch ein paar Jahre. Im Moment testen die Forschenden Teilschritte.

Dass ein unauffälliges Unkraut wie die Blacke Robotik und künstliche Intelligenz auf den Plan ruft, kommt nicht von ungefähr. Die Blacke ist die erklärte Feindin aller Landwirte. Kühe verschmähen die Pflanze, weil sie als Ampfergewächs viel Oxalsäure enthält. Und das ist nicht ihre einzige unangenehme Charaktereigenschaft. «Blacken bilden grosse Blätter, die dem umliegenden Gras das Sonnenlicht wegnehmen», erklärt Sax. Die Gräser sterben ab, und dadurch sinkt der Ertrag der Wiese. Ein weiteres Problem schafft sie unter dem Boden. «Ihre Pfahlwurzel dringt tief in den Boden ein und entzieht diesem die Nährstoffe, die eigentlich für das Gras gedacht sind.»

Terminator versus Super-Unkraut

Die Pfahlwurzel ist es auch, die Generationen von Landwirten seit Jahrhunderten die Zeit wegfrisst. «Mäht man das Kraut einfach ab, treiben wieder neue Sprösslinge aus», sagt Sax. Um das Kraut dauerhaft zu beseitigen, muss die Wurzel mit einem «Blackeneisen» möglichst tief ausgestochen werden. Bei einer Hektare kann man gut und gern einen ganzen Tag nur mit dieser Arbeit verbringen. Eine andere Variante ist die chemische Bekämpfung mit einem Herbizid, mit dem die ganze Wiese übersprüht wird. Da es spezifisch die Blacken abtötet, bleibt das Gras unbeschadet. Allerdings gelangt das Gift auch in den Boden und danach ins Grundwasser. Zu allem Überfluss kehrt das Problem alle Jahre wieder zurück, wie ein böser Fluch. «Eine Pflanze bildet bis zu sechzigtausend Samen. Diese bleiben im Boden bis zu dreissig Jahre keimfähig», so Sax. Die Arbeit mit den biologischen Zeitbomben ist endlos, Forschung zu ihr lohnt sich.

Blacke auf einer Wiese.flickr/Andreas Rockstein

Dank grosser Blätter, Pfahlwurzeln und Zehntausenden von Samen ist die Blacke aus Wiesen kaum wegzubringen.

Im Büro zeigt Dejan Šeatović, Professor für Messtechnik und Mechatronik an der Ostschweizer Fachhochschule in Rapperswil, wie ein Roboter zum Unkrautjäger wird. Vor ihm auf dem Tisch liegt ein grosser Bogen Papier mit einer aufgedruckten Wiese von oben. Šeatović hält eine Webcam darüber. Am Bildschirm neben ihm erscheint das Kamerabild. Wie durch Zauberei leuchten alle Blacken darin pink auf. Dieses Kunststück vollbringt ein kleines Kästchen, an das die Kamera angeschlossen ist. «Eine Grafikkarte auf Steroiden», sagt Šeatović stolz. Sie wird mit der Gesichtserkennungs-Software von Facebook betrieben. «Wir haben sie zuvor mit Tausenden von Blackenbildern gefüttert und ihr so beigebracht, das Unkraut zu erkennen.»

Jetzt braucht es nur noch einen Roboter, der jeder Blacke eine kleine Dosis Herbizid verpasst. Die Wahl fiel auf das Modell Spot der US-amerikanischen Firma Boston Dynamics. Es sieht aus wie ein kopfloser, gelber Hund. Allerdings ist es erst gerade frisch gekauft, und die Forschenden müssen es noch mit Herbiziddüsen ausrüsten. Bis es so weit ist, testet Sax das Konzept schon mal an einem herkömmlichen Spritzgerät. Dabei handelt es sich um einen Anhänger, der mit GPS, Elektronik und einer Reihe von Spritzdüsen auf einem Ausleger ausgerüstet ist. «Wir ziehen den Anhänger mit dem Traktor über das Feld», erklärt Sax. «Sobald eine der Düsen die Koordinaten einer Blacke streift, gibt sie einen kurzen Strahl Herbizid ab.» Die ersten Versuche zeigen, dass mit dieser Methode im Vergleich zur kompletten Einnebelung einer Wiese neunzig Prozent des Herbizids eingespart werden.

Zustand von Weizen ermitteln

Eine Bürotür weiter sitzt Francesco Argento, der auch in der Forschungsgruppe Digitale Produktion arbeitet. In Zusammenarbeit mit der ETH Zürich und Swiss Future Farm versucht er, ein ähnlich gravierendes landwirtschaftliches Umweltproblem mit Drohnentechnologie in den Griff zu kriegen: die Überdüngung der Weizenfelder. Bis heute wird Stickstoff mit der grossen Kelle ausgebracht, und überall im Feld dieselbe Menge. «Die Pflanzen können davon nur dreissig bis siebzig Prozent tatsächlich aufnehmen», erklärt Argento. Der Rest ist Überschuss und landet meist als Nitrat in Grundwasser, Bächen oder Seen, oder er geht als Lachgas – ein Treibhausgas – in die Luft. Dabei wäre der Boden an manchen Stellen durch die Aktivität von Bakterien und Pilzen gut genug mit Nährstoffen versorgt. Oder es ist noch immer Dünger vom letzten Jahr gespeichert.

Das menschliche Auge sieht den Pflanzen nur sehr schlecht an, wie gut sie bereits mit Dünger versorgt sind. Hingegen können Roboteraugen, sprich Multispektralkameras, kombiniert mit der richtigen Software mit einem Blick den Ernährungsstatus des Weizens erfassen. Dafür erstellt Argento mit der Drohne ein Luftbild des Weizenfelds. Aber nicht im sichtbaren Bereich, sondern im sogenannten Nahinfrarotspektrum. In ihm zeigen Pflanzen sozusagen ihren Gemütszustand an. «Wenn Pflanzen viel Nahinfrarotstrahlung reflektieren, dann geht es ihnen gut. Reflektieren sie nur wenig davon, stehen sie unter Stress», erklärt Argento. Gestresst werden können Pflanzen sowohl durch Überdüngung als auch bei zu wenig Dünger.

«Völlig autonome Roboter dürfen noch nicht alleine auf das Feld. Ein Mensch muss immer dabei sein.»Dejan Šeatović, Professor für Messtechnik und Mechatronik

Aus den Drohnenbildern erstellt ein Programm anschliessend eine Karte zum Ernährungsstatus des Weizenfeldes. Es sieht aus wie ein Schachbrettmuster, wobei der Farbton der jeweiligen Kachel angibt, ob der Weizen darin noch Stickstoff benötigt oder nicht. Anschliessend werden die Daten an den Düngerstreuer übermittelt. Wenn der Landwirt mit ihm über das Feld fährt, streut dieser je nach Kachel mehr oder weniger Stickstoffpellets. Erste Resultate zeigen, dass sich mit dieser Methode eine Düngerersparnis von durchschnittlich 15 Prozent erreichen lässt. Das Schöne dabei für die Landwirte: Sie haben keine Ertragseinbussen, denn die Pflanzen bekommen genau die Menge an Nährstoffen, die sie brauchen. Nicht so schön ist, dass die finanzielle Einsparung derzeit dennoch lediglich vier Prozent beträgt. Das entspricht rund neunzig Franken pro Hektare. «Die Düngerpreise sind tief, die Mengen spielen darum finanziell keine grosse Rolle», so Argento.

In Zukunft könnten wohl Roboter wie Spot auch die punktgenaue Düngung der Felder übernehmen. «Technisch wären wir in zwei Jahren so weit», sagt Šeatović. Voraussetzung ist allerdings ein flächendeckendes 5G-Netz. Nur so können die grossen Datenmengen zwischen Drohnen, Computern und Robotern überhaupt in sinnvoller Zeit übermittelt werden. Und es geht auch um Kontrolle. «Völlig autonome Roboter dürfen noch nicht alleine auf das Feld. Ein Mensch muss immer dabei sein», sagt Šeatović. Aber mit 5G könnte diese Hürde fallen. «Damit kann ich in Rapperswil in einem Büro sitzen und eine Drohne oder einen Feldroboter in Tänikon in Echtzeit überwachen und notfalls innert dreissig Millisekunden abschalten.»

Horizonte Magazin

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