Das musst du wissen

  • Seeleute stecken derzeit auf Schiffen rund um den Globus fest.
  • Viele von ihnen leiden unter Erschöpfung, Angst, Nervosität, Stress, depressiven und vereinzelt unter Suizid-Gedanken.
  • Teilweise sind sie seit über einem Jahr auf einem Schiff.
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Derzeit sitzen rund 400 000 Seeleute wegen der Corona-Pandemie auf Güterschiffen rund um den Globus fest – und dies teilweise schon seit über einem Jahr. Corona-Restriktionen verunmöglichen ihnen den Landgang. Die Situation schlägt sich auch auf die Psyche der Seeleute nieder – und rückt in den Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen.

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Eine der ersten Untersuchungen hierzu führte bereits im vergangenen Jahr die Psychologin Ana Slišković an der Universität Zadar in Kroatien durch. Ihre Studie basierte auf einer Online-Umfrage und schloss 752 Seeleute aus aller Welt ein. Die Matrosen machten im Frühling 2020 detailreiche Berichte über ihre Situation. Jene, die sich zum Zeitpunkt der Umfrage an Bord eines Schiffes befanden, rangen mit Erschöpfung, Angst, Nervosität, Stress, depressiven und vereinzelt auch mit Suizid-Gedanken. «Die mentale und körperliche Ermüdung stellt eine ernstzunehmende Bedrohung für die Sicherheit der Seeleute an Bord dar», schreibt Slišković in der Studie.

Science-Check ✓

Studie: Seafarers' well-being in the context of the COVID-19 pandemic: A qualitative studyKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des Autors...Die Stichprobe könnte verzerrt sein, da sie nicht randomisiert ist. Das heisst, es könnten mehr Seefahrer mitgemacht haben, die negatives zu berichten hatten. Auch handelte es sich mehrheitlich um Seefahrer höheren Ranges, also um Kapitäne und Ingenieure. Die Resultate der Studie können deshalb nicht auf alle Seefahrer generalisiert werden. Die Stichprobe ist aber relativ gross, vor allem für eine Population, die gerenell schwer zu erforschen ist. Die Studie kann deshalb Hinweise geben.Mehr Infos zu dieser Studie...

Erste quantitative Studien, die im Dezember erschienen sind, bieten weitere Einblicke. 671 Seeleute gaben zwischen Juli und September 2020 Antworten. So berichteten knapp 73 Prozent der Teilnehmer, sie seien ängstlich und besorgt; rund 42 Prozent gaben an, sich in den letzten sieben Tagen entweder mehrmals oder täglich niedergeschlagen und hoffnungslos gefühlt zu haben. Laut einer anderen Befragung sorgten sich 85 Prozent von 400 befragten Seeleuten um die mentale Gesundheit ihrer Kollegen an Bord. 84 Prozent wiederum fürchteten um ihre berufliche Zukunft und die Verlängerung ihrer Arbeitsverträge.

Die Krisensituation wird dadurch verschärft, dass einige der Seeleute laut der International Labour Organization bereits seit fast anderthalb Jahren auf See sind. Laut der Maritime Labour Convention von 2006 sind elf Monate das gesetzliche Maximum. Einige Besatzungen sind nicht ausreichend verpflegt und erhalten keine medizinische Hilfe. Trotz des erzwungenen Langzeitaufenthalts an Bord bekommen nicht alle Besatzungsmitglieder eine Verlängerung ihres Arbeitsvertrags. Auch der Kontakt zu Nahestehenden ist für die Seeleute nicht selbstverständlich: Knapp die Hälfte hat Schwierigkeiten, ihre Familien zu kontaktieren. Der Zugang zum Internet stellt ein Problem dar und oft ist dieses teuer und langsam.

Die Forscherinnen der Maritime World University-Studie empfehlen deshalb, Seeleute als «key workers» einzustufen. Dadurch könnte ihnen unter anderem Impfpriorität zuerkannt werden und sie würden von bestimmten Reisebeschränkungen ausgenommen.

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