Kaum jemand ahnte die Umwälzung, die sich anbahnte, als vor über 50 Jahren ein mit Blechkisten beladenes Schiff im Hafen von Rotterdam anlegte. Die «Fairland» war einige Wochen zuvor von der Ostküste der USA aufgebrochen und erreichte am 3. Mai 1966 Europa. Es war das erste Mal, dass ein Containerschiff den Atlantik überquert hatte – und damit das einläutete, was Ökonomen heute als Containerrevolution bezeichnen.
Nur wenige Jahre zuvor – noch Mitte des 20. Jahrhunderts – wurden Waren entweder lose oder in Säcken und Holzkisten auf Schiffe verladen. Das manuelle Umschlagen der Frachten bedeutete, dass Schiffe doppelt so lange in den Häfen lagen, wie sie auf See unterwegs waren. Das machte den Handel auf dem Seeweg sehr teuer.
Über die langen Wartezeiten in den Häfen ärgerte sich auch Malcolm McLean, ein amerikanischer Speditionsunternehmer und ehemaliger Lastwagenfahrer. Er kam auf die Idee, einen einheitlichen Metallbehälter zu benutzen, der schnell und reibungslos zwischen Schiffen, Lastwagen und Zügen umzuladen wäre. Obwohl niemand seinen Plan ernst nahm, kaufte McLean vier kleine Tanker und liess diese so umbauen, dass Metallcontainer an Deck befestigt werden konnten. 1956 ging so das erste Containerschiff auf Fahrt zwischen zwei US-amerikanischen Häfen. Der Siegeszug des Containers hatte begonnen.
Drastische Verbilligung
Grund war die gesteigerte Effizienz: Riesenkräne konnten die mit Waren gefüllten Metallkisten 40-mal schneller hin- und herhieven als Menschen. Dadurch sanken die Preise drastisch. Fahrten kreuz und quer über die Weltmeere wurden erschwinglich. Und über die Jahrzehnte nahm mit immer grösseren Schiffen der Effizienzgewinn stetig zu. Konnte das erste Schiff 58 Container transportieren, bieten die jüngsten, 400 Meter langen Megaschiffe Platz für über 21’000 (siehe Grafik).
Boom des Welthandels
Ob Kleider, Computer oder Lebensmittel: Rund 90 Prozent aller Konsumgüter werden heute in den bunten Metallkisten verschifft. 1,6 Milliarden Tonnen Waren in 120 Millionen Containern durchkreuzen jährlich die Weltmeere. In einer Studie von 2016 rechnet der deutsche Ökonom Daniel Bernhofen vor: Für die Globalisierung des Handels war die Einführung des Containers wichtiger als jedes Handelsabkommen. Zwischen 1960 und 1990 wuchs der Welthandel nicht zuletzt deshalb auf das Siebenfache. Hauptprofiteur ist laut Bernhofen Asien, insbesondere China. «Ohne die Containerrevolution wäre China nicht zur Weltfabrik geworden», sagt er. Erst durch den billigen Containertransport sei es möglich geworden, Konsumgüter in Asien herzustellen und von dort aus in die ganze Welt zu liefern.
Auf der Kehrseite steht die Umweltbilanz der Ozeanriesen (siehe Karte). Diese stossen zwar im Vergleich mit anderen Verkehrsmitteln am wenigsten CO2 pro Tonne und Kilometer aus. Schlecht sieht es aber bei anderen umwelt- und gesundheitsschädlichen Gasen aus, die aus der Verbrennung billigen Schweröls entstehen. Dieses ist eigentlich ein Abfallprodukt aus den Erdölraffinerien und enthält 3,5 Prozent Schwefel – mehr als 3500-mal so viel wie der in Europa übliche Autodiesel. Dadurch belasten Schiffsabgase die Luft in Hafenstädten wie Hamburg stärker als der gesamte Strassenverkehr. Die Abgase enthalten Schwefel- und Stickstoffoxide sowie Feinstaub, der teils direkt ausgestossen wird, teils durch chemische Reaktionen in der Luft entsteht. Die Substanzen können zu Bronchienverengung, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Lungenkrebs führen. Einer Studie von 2007 zufolge sterben jährlich 60’000 Menschen weltweit an den Folgen der Feinstaubemissionen von Schiffen.
Ungenügende Vorschriften
Reguliert werden die Dreckschleudern der Meere aber kaum. Kein einzelnes Land muss für die Emissionen auf hoher See geradestehen. Auf die Schifffahrt sind die internationalen Umwelt- und Klimaverträge nicht anwendbar. Zwar existiert mit der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO), der 171 Seehandel treibende Staaten angehören, ein Aufsichtsorgan. Doch für Sönke Diesener vom Naturschutzbund Nabu in Deutschland ist die IMO «eine sehr träge Organisation». Denn sie verlangt den Einsatz sauberer Schiffsbrennstoffe nur in sogenannten Emissionskontrollgebieten, unter anderem an der Ost- und der Nordsee und an den Küstengebieten der USA und Kanadas. Hier dürfen Schiffe seit 2015 nur noch Marinediesel verbrennen, der höchstens 0,1 Prozent Schwefel enthält. «Das ist ein erster Schritt», sagt Umweltschützer Diesener. Doch auch der relativ saubere Brennstoff ist immer noch 100-mal dreckiger als Diesel von der Tankstelle. Ausserdem müssen die Reedereien durch die Vorschrift nicht zwingend darauf umsteigen. Viele Schiffe sind stattdessen in den letzten Jahren mit Abgasreinigern bestückt worden. «So lassen sich auch mit billigem Schweröl die Grenzwerte einhalten», sagt Diesener. Die Filter stehen aber in der Kritik: Einige davon nutzen zum Waschen der Abgase Meerwasser und geben die verseuchte Mischung ins Meer zurück – mit unbekannten Folgen.
Problematisch bleibt zudem, dass die zehn weltgrössten Häfen in Asien, wo die Luftverschmutzung durch Schiffe am schlimmsten ist, von strengen Schwefelausstoss-Grenzwerten ausgenommen werden. In Hongkong, Shanghai und anderen Städten sind schwarze Rauchfahnen aus der Schwerölverbrennung weiterhin erlaubt. Für Diesener ist klar: «Mit Schweröl betreiben Reedereien im Grunde Sondermüllverbrennung auf hoher See.» Der schmutzige Kraftstoff gehöre deshalb schnellstens verboten. Immerhin führt die IMO ab 2020 eine weltweite Obergrenze von 0,5 Prozent Schwefelgehalt ein. Zusätzlich erarbeitet die Seeschifffahrtsorganisation derzeit eine Strategie zur weiteren Reduktion der Treibhausgasemissionen und will in diesem Frühjahr ein Papier dazu verabschieden.
Die Erstversion dieses Beitrags erschien am 15. April 2016. Der Schluss wurde um die aktuellen Entwicklungen ergänzt.