Das musst du wissen

  • Smart Citys zeichnen sich aus durch Entwicklungskonzepte, mit denen sie effizienter und nachhaltiger werden sollen.
  • In der Schweiz gibt es bereits smarte Projekte, von intelligenter Strassenbeleuchtung bis zu grossen Energieprojekten.
  • Problematisch an Smart Citys kann die grosse Ansammlung von Daten und der Umgang damit sein.
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Frühmorgens liegt die Birmensdorferstrasse in Urdorf in schummrigem Licht. Alle Strassenlaternen sind auf etwas weniger als die Hälfte ihrer Leuchtkraft gedimmt. Doch sobald sich ein Auto nähert, werden die Lampen heller, bis die Beleuchtung mit voller Leistung strahlt. Beruhigt sich der Verkehr wieder, wird das Leuchten schwächer und die Strasse kehrt ins Schlummerlicht zurück.

Bereits seit 2016 ist diese Strasse im Kanton Zürich mit sogenanntem verkehrsbeobachtendem Licht ausgestattet. Ermöglicht durch Videosensoren, die den Verkehr beobachten und die Beleuchtung an der aktuellen Auslastung anpassen. Einzig die Zebrastreifen bleiben immer ganz ausgeleuchtet – zur Sicherheit der Fussgänger. Das Projekt ist laut den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich ein voller Erfolg. Denn da die Strassenlampen nicht immer mit voller Kraft laufen, brauchen sie 30 Prozent weniger Energie. Zusätzlich freuen sich Anwohner über weniger Lichtemissionen.

Das Projekt Birmensdorferstrasse gehört, wie so viele, zu den Bestrebungen, unsere Städte «smarter» zu gestalten. Doch was bedeutet das überhaupt? Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten, denn wer nach einer Definition sucht, stösst bei Projektseiten bloss auf wenig aussagekräftige Begriffe wie «Akteure», «intermodal» oder «Wissensaustausch». «Smart Citys ist der Name für ein Entwicklungskonzept für die Städte der Zukunft», erklärt Benjamin Szemkus, der Geschäftsleiter des Verbands Smart City Hub Switzerland. Mitglieder des Verbands sind verschiedene Schweizer Städte, sowie drei bundesnahe Betriebe. Sie wollen die Entwicklung von Smart Citys in der Schweiz vorantreiben. Szemkus präzisiert den Begriff folgendermassen: «Die Städte sollen ressourcenschonender, nachhaltiger, inklusiver und effizienter sein.» Dabei stehe immer eine hohe Lebensqualität für die Bewohnenden im Mittelpunkt. Möglich machen können dies auch neue Technologien.

Was macht Städte smart?

Doch damit ist nicht geklärt, was eine Stadt smart macht. Auch hier gibt es zahlreiche Interpretationsmöglichkeiten. Dies erkennt man daran, was verschiedene Schweizer Städte als Smart City Initiative anpreisen. Eine Bandbreite an Projekten findet man unter dem Begriff «smart»: Von banalen Chatbots und digitalen Parkkarten über eine Abfallentsorgung mit Elektro-Lastwagen bis hin zu gross angelegten Projekten, die das Heizsystem ganzer Stadtteile nachhaltiger gestalten sollen. Ist es wirklich sinnvoll, all diese Konzepte unter einem Begriff zusammenzufassen oder ist die Smart City nur ein Marketing-Begriff, um Ideen zu verkaufen? «Teils ist natürlich auch Altes im Schlagwort Smart City verpackt», räumt Benjamin Szemkus ein. «Es ist ein Weg, um verschiedene Organisationen ins Boot zu holen. Doch es steckt noch mehr dahinter.»

Dieser Meinung ist auch Vicente Carabias. Er ist der Koordinator der Plattform Smart Cities & Regions an der ZHAW «Was beim Smart City Konzept neu ist, ist ein themenübergreifender Ansatz.» Verschiedenste städtische Infrastrukturen und Bereiche werden also vernetzt und gemeinsam entwickelt im Sinne einer Sektorkopplung. Als Beispiel nennt Carabias die Elektromobilität. Sie sei eine Schnittstelle zwischen Energie und Verkehr. Dabei könne man aber noch weiter gehen und dieses System zusätzlich als dezentrale Speicherlösung nutzen. Für Smart City Entwicklungen sei ausserdem eine enge Zusammenarbeit zwischen den Städten, Hochschulen und der Wirtschaft sowie der Bevölkerung wichtig.

So nutzen wir Energie effizient

Ein wichtiger Teil der Idee Smart City ist eine nachhaltige und effiziente Energienutzung. Dabei spielt eine grosse Rolle, wie wir unsere Gebäude heizen. Denn über die Hälfte der Endenergie in der Schweiz wird durch das Heizen mit Erdgas, Heizöl und Elektrizität verbraucht. Dem sollen Projekte wie der «Energieverbund Altstetten und Höngg» entgegenwirken. Bis im Jahr 2035 zieht das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich Versorgungsleitungen in die beiden Quartiere und versorgt sie mit erneuerbaren Energien. Rund 30 000 bestehende Haushalte sowie ein neues Eishockey-Stadion sollen von dem Projekt profitieren. Die Energie ist zu 85 Prozent CO₂-neutral und wird in einem lokalen Klärwerk aus gereinigtem Abwasser und der Verwertung von Klärschlamm gewonnen. Hier wird also im Nachhinein die Infrastruktur «smart» vernetzt und nachhaltig modifiziert.

Viele Bauherren planen intelligente Energieversorgung von Anfang an mit ein. Zum Beispiel stampft eine Genossenschaft in Köniz im Kanton Bern ein Quartier für rund 2000 Bewohner aus dem Boden. Etwa die Hälfte der in der Siedlung verbrauchten Energie stellt die Siedlung selbst her – aus einer Kombination aus Solaranalgen, Erdsonden und Holzverbrennung.

Doch das ist erst der Anfang. Denn künftig könnte es immer mehr Häuser geben, die mehr Energie produzieren als sie selbst verbrauchen. Dafür können verschiedene Methoden eingesetzt werden – beispielsweise klassische Solarstromanlagen oder Wärmepumpen. Eines dieser Plusenergie-Häuser präsentiert sich heute zum Beispiel als Migros-Filiale im Kanton St. Gallen. Diese wurde 2017 eröffnet und produziert 16 Prozent mehr Energie als sie verbraucht.

Von Daten und Vertrauen

Eine vollkommen vernetzte Stadt sammelt unzählige Daten. Wo, von wem und wie werden unsere Daten gespeichert und verwaltet? Benjamin Szemkus, Geschäftsleiter des Verbands Smart City Hub Switzerland weiss, dass dies schwierige Fragen sind. «Den Datenschutz dürfen wir auf keinen Fall stiefmütterlich behandeln. Er muss bei jedem Projekt von Anfang an mitberücksichtigt und transparent kommuniziert werden.» Dennoch ist er überrascht, wie viele Schweizerinnen und Schweizer ihre Daten bereitwillig per Handy mit verschiedensten Firmen teilen. Bei «ihren» Verwaltungen reagieren die Leute dann oft sehr sensibel.

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Das kann Erik Schönenberger verstehen. Er ist Geschäftsleiter der Digitalen Gesellschaft Schweiz, die sich für Bürger- und Konsumentenschutz im digitalen Zeitalter einsetzt. «Problematisch ist, dass wir beim Staat keine Ausweichmöglichkeit haben», erklärt Schönenberger. «Wenn ein privates Unternehmen meine Daten will, kann ich auf seine Dienste verzichten. Bei der staatlichen Institutionen geht das nicht.»

Das heisse natürlich nicht, dass alle Smart City-Projekte datenschutztechnisch bedenklich seien. «Es gibt unterschiedliches Gefährdungspotential. Ein Verkehrszähler an einer Strassenecke ist unbedenklich, gefährlich wird es allerdings, wenn wir uns in Richtung Massenüberwachung bewegen», sagt Erik Schönenberger. Er denke da an Kameraüberwachung in der ganzen Stadt, mit der es möglich ist, ein Bewegungsprofil zu erstellen, beispielsweise mit Gesichtserkennung. Dieses Extrem gelte es zu verhindern. Es sei vor allem wichtig, persönliche Daten datenschutzkonform zu behandeln und zielgerecht einzusetzen. Vicente Carabias von der ZHAW-Plattform Smart Cities & Regions pflichtet dem bei. «Wer Daten erhebt, muss diese so weit anonymisieren, dass man keine Rückschlüsse auf Personen ziehen kann.»

Doch welche Entwicklungen dürfen wir in den nächsten Jahren erwarten? Forschende des Instituts für nachhaltige Entwicklung an der ZHAW fragten 32 Expertinnen und Experten, wie realistisch es ist, dass sich bestimmte siebzehn neue Technologien in der Schweiz bis 2035 durchsetzen. Dabei waren sich über die Hälfte der Befragten einig, dass intelligente Zähler, sogenannte Smart Meter, bis dahin in allen Schweizer Haushalten vorhanden sein würden. Sie messen den Verbrauch von Strom, Wasser oder Gas. Die mit diesen Geräten gewonnen Daten sollen dabei helfen, nur dann Energie zu verbrauchen, wenn es wirklich nötig ist. Auch optimiertes Matching von Stromangebot und -nachfrage, Smart-Home-Funktionen und das Smartphone als «Passepartout» sieht mindestens die Hälfte der Befragten als eine realistische Entwicklung in den nächsten 15 Jahren. Was laut der Befragung allerdings nicht so bald zur Normalität wird, sind selbstfahrende Elektromobile oder flächendeckend Energiespeicher in Haushalten. Die Smart City wird also noch für einige Zeit Ideal statt Realität bleiben.

Science-Check ✓

Studie: Konzepte für die Zukunft –
eine Delphi-Umfrage zu Smart Cities liefert konkrete Ansätze
KommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Ergebnisse dieser Studie basieren auf einer Expertenbefragung. Mit den Zukunftsprognosen von 32 Forschenden können allerdings keine allgemeingültigen Schlüsse gezogen werden.Mehr Infos zu dieser Studie...
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