Das musst du wissen

  • Mit Navi-Systemen wie Google Maps verlieren wir unser räumliches Vorstellungsvermögen.
  • Nun untersuchten Geografen der Uni Zürich, wie sie das mit speziellen Karten-Apps verhindern können.
  • Resultat: Wenn Menschen während der Navi- Nutzung bewusst Landmarken wahrnehmen, behalten sie ihre Raumvorstellung.

Wenn wir einen Termin haben oder jemanden besuchen, überlassen wir es immer mehr der Kartenfunktion unseres Smartphones, uns an die richtige Adresse zu bringen. Doch was, wenn nach dem Termin, nach dem Besuch die Batterie unseres Gerätes leer ist? Dann fällt es uns schwer, den Rückweg zu finden.

«Je häufiger wir solche automatischen Navigationssysteme gebrauchen, desto mehr verlieren wir unser räumliches Vorstellungsvermögen», sagt Annina Brügger vom Geografischen Institut der Universität Zürich. Das räumliche Vorstellungsvermögen ist das, was man braucht, um sich eine 3D-Figur von der anderen Seite vorzustellen. Im Alltag nutzen wir es, um seitlich oder rückwärts einzuparken oder einer Person einen Weg von A nach B zu beschreiben. «Es ist wie mit Muskelkraft oder Kopfrechnen. Wenn man diese Fähigkeiten nicht benutzt, verliert man sie», sagt Brügger.

Deswegen stellte sich die Geografin die Frage: Wie könnte man automatische Navigation so gestalten, dass wir unsere Raumvorstellung behalten, aber trotzdem schnell und effizient ans Ziel kommen?

Mit dem Navi durch Zürich

Sie entwickelte vier verschiedene Karten-Apps, die abgestuft die Navigation entweder voll und ganz übernahmen, oder aber sie vollständig dem Menschen überliessen. Jede App testete Brügger mit 16 Probanden, die in einer ihnen unbekannten Umgebung einen bestimmten Ort in der Stadt Zürich finden mussten. Nachdem sie ihr Ziel erreicht hatten, liess Brügger ihre Studienteilnehmer ihren Weg zurück zum Ausgangspunkt finden – diesmal ohne digitale Assistenz.

So verlief der Test der Navigations-App aus Sicht einer Versuchsperson. Der umherspringende rot-gelbe Punkt stammt von einer «eye-tracking» Software und deutet die Position des Blickes an.

Zwar fanden alle zurück, aber diejenigen, die sich beim Hinweg auf die Technik verlassen hatten, machten mehr Fehler als diejenigen, die auf dem Hinweg weniger Technik-Unterstützung hatten.

So erforderte eine Version des Navigationssystems zum Beispiel, dass die Probanden auf ihrem Hinweg drei markante Stellen, etwa eine Kirche oder eine Bushaltestelle, in die Navigations-App eintragen mussten. Die Kontrollgruppe hingegen bekam drei solcher Landmarken vom System angezeigt. Aus dieser Gruppe verliefen sich jedoch zehn von sechzehn Probanden auf dem Rückweg. In der Gruppe, die sich diese Orientierungspunkte selbst notierte, waren es nur drei.

Markante Stellen aufschreiben hilft

«Durch das Aufschreiben der Landmarken haben die Probanden ihre Umwelt bewusster wahrgenommen», sagt Brügger. So haben sie ihr räumliches Vorstellungsvermögen und ihren Orientierungssinn trotz Navi-Nutzung trainiert und leichter zurückgefunden.

Die Route die Probanden mit den verschiedenen Navigationssystemen durch Zürich laufen mussten, dauerte ungefähr zehn Minuten.Annina Brügger

Die Route, die Probanden mit den verschiedenen Navigationssystemen durch Zürich laufen mussten, dauerte ungefähr zehn Minuten.

In Zukunft will die Zürcher Forschungsgruppe mit weiteren Mitteln den Einfluss von Navigationssystemen auf unser Verhalten untersuchen. Dafür arbeiten die Geografen unter anderem mit «eye-tracking» Software. Diese verfolgt, wohin der Blick beim Navigieren geht. Zum Beispiel, wie oft und in welchen Momenten die Nutzer auf die Karte schauen oder welche Umgebungsmerkmale ihr Interesse anziehen. «Wenn wir verstehen, was die Navi-Nutzung mit uns macht, dann können wir solche Systeme in Zukunft besser an uns Menschen anpassen», sagt Brügger.

Diesen Beitrag haben wir ursprünglich für nau.ch geschrieben.
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