Das musst du wissen

  • Soll die Schweiz die Eizellenspende erlauben? Diese Frage wird aktuell im Parlament diskutiert.
  • Erlaubt ist bereits jetzt die Samenspende. Die Voraussetzungen einer Eizellenspende wären ähnlich.
  • Trotz Risiken für Komplikationen während der Schwangerschaft sei die Erfolgsquote hoch, sagt eine Spezialistin.

Nach mehreren Rückschlägen im Parlament könnte die Eizellenspende in den kommenden Jahren in der Schweiz Realität werden. Worum geht es genau? Heidi.news sprach mit Dorothea Wunder, Gynäkologin und Spezialistin für Reproduktionsmedizin am Zentrum für medizinisch unterstützte Fortpflanzung in Lausanne und Mitglied der Nationalen Ethikkommission.

Warum wir darüber sprechen. Wenn ein Mann verheiratet und unfruchtbar ist, kann er auf eine Samenspende zurückgreifen. Für Frauen gibt es derzeit nur im Ausland eine Lösung. Denn die Schweiz ist eines der letzten europäischen Länder, das die Eizellenspende nicht erlaubt. Das könnte sich aber bald ändern. So stimmte der Nationalrat am 17. März für eine Legalisierung, und zwar für Ehepaare, bei denen die Frau unfruchtbar ist. Als nächstes muss der Ständerat darüber debattieren.

1. Worüber sprechen wir?

Bei der Eizellenspende, wie sie heute im Parlament diskutiert wird, werden einer Spenderin in einer kurzen Operation mehrere Eizellen entnommen. Diese werden im Labor befruchtet, danach wird einer der Embryonen in die Gebärmutter der künftigen Mutter eingesetzt.

  • Man spricht hier also nicht von einer Leihmutterschaft, in der eine andere Frau das Kind austrägt.
  • Die Mutter, die das Kind gebären wird, gibt ihr Erbgut nicht weiter.

In den meisten Fällen erben die Kinder die Gene des Vaters, da dessen Sperma bei der In-vitro-Fertilisation verwendet wird. Seltener verwenden Frauen eine Doppelspende, bei der sowohl die Spermien als auch die Eizellen von Spendern, respektive Spenderinnen, stammen. Diese Praxis ist beispielsweise in Spanien erlaubt.

Unsplash / Deon Black

In den meisten Fällen erben die Kinder die Gene des Vaters, da dessen Sperma bei der In-vitro-Fertilisation verwendet wird.

2. Wer sind die Spenderinnen?

Je nach Gesetzgebung des jeweiligen Landes können sich Spenderinnen spontan melden oder sie werden im Rahmen einer In-vitro-Fertilisation (IVF) gefragt. Dies wird als Egg-Sharing bezeichnet, erklärt Dorothea Wunder:

«Für eine IVF muss sich die Spenderin einer Stimulation der Eierstöcke unterziehen. In einigen Ländern wie England kann die Frau entscheiden, einen Teil der Eizellen, die ihr im Rahmen der IVF entnommen werden, an ein Spenderprogramm zu übergeben.

Die Eizellenspende darf nicht vergütet werden, da sie nicht finanziell motiviert sein darf. Andererseits ist es ethisch vertretbar, dass die Frau eine Aufwandsentschädigung erhält – schliesslich ist das Verfahren wesentlich invasiver als eine Samenspende. Es gilt also, eine Balance zu finden.»

Die Voraussetzungen ähneln jenen der Samenspende. Die Bewerberinnen müssen sich Gesprächen unterziehen, in denen sie über ihre Motivation für das Vorhaben sprechen, hinzu kommt eine medizinische Untersuchung mit Serologien. «Die Ärzte prüfen, ob die Frau bestimmte genetische Krankheiten oder Infektionen wie HIV hat», sagt Dorothea Wunder.

3. Wie wird die Spende zugeteilt?

Wie bei der Samenspende wird bei Empfängerin und Spenderin auf eine Übereinstimmung von körperlichen Kriterien wie Grösse, Herkunft, Augen-, Haut- und Haarfarbe geachtet, um das Aussehen des Kindes dem der Mutter anzugleichen.

«Ausserdem muss die Blutgruppe der Spenderin mit jener der Empfängerin übereinstimmen», präzisiert Dorothea Wunder:

«Dies geschieht nicht aus Gründen der Kompatibilität oder der Gefahr, dass die Eizelle ‹abgestossen› wird. Sondern weil man nicht möchte, dass das Kind im Biologieunterricht erfährt, wie es gezeugt wurde, wenn es feststellt, dass seine Blutgruppe nicht mit der seiner Eltern übereinstimmt. Wir gehen bei der Samenspende genau gleich vor, indem wir die Blutgruppe des Spenders mit der des Vaters abgleichen.»

Wenn die Spende in der Schweiz legalisiert wird, können die Eltern die Spenderin nicht auswählen:

  • Wie bei der Samenspende kennt nur der zuständige Arzt sowohl die Identität der Spenderin als auch die der Empfängerin.
  • Die Informationen über die Spenderin werden unmittelbar nach der Geburt des Kindes beim Eidgenössischen Amt für das Zivilstandswesen registriert, falls das Kind seine Herkunft kennen möchte, wenn es volljährig ist.
  • Es wird notwendig sein, ein Register für Eizellenspenden einzurichten.

4. Wie läuft die Spende ab?

Die Spenderin erhält zu Beginn ihres Zyklus zehn Tage lang eine Hormonbehandlung durch Injektionen unter die Haut. Dies stimuliert die heranreifenden Eizellen im Eierstock und verhindert gleichzeitig den Eisprung. Das Verfahren wird während zehn Tagen durch mehrere Ultraschallkontrollen genau überwacht. «Das Zeitfenster für die Entnahme der Eizellen ist sehr kurz», sagt Dorothea Wunder.

Die Prozedur findet im Operationssaal statt und dauert eine knappe Viertelstunde. Die Spenderin erhält eine Vollnarkose oder wird sediert, da das Verfahren schmerzhaft ist und die Frau sich auf keinen Fall bewegen darf. Das Vorgehen ist sehr präzise: Eine dünne Nadel wird durch die Vaginalwand in den Eierstock eingeführt, um die Eizellen zu entnehmen. Der Arzt steuert dies mithilfe einer Ultraschallsonde. Dorothea Wunder erklärt:

«Wir drücken auf die Vagina, um so nah wie möglich an den Eierstock heranzukommen und die vorhandenen Follikel zu entnehmen, unabhängig von ihrer Grösse. Normalerweise erhält man zwischen fünf und 15 Eizellen.»

5. Was geschieht mit den entnommenen Eizellen?

Die Eizellen werden nur wenige Stunden später im Labor befruchtet. Die Embryonen werden dann fünf Tage lang kultiviert, bis sie das Blastozystenstadium erreicht haben, erklärt Dorothea Wunder:

«Es ist äusserst selten, dass alle Eizellen befruchtet werden. Im Durchschnitt sind es von den zehn entnommenen vielleicht sechs bis sieben. Und manchmal erreichen nur zwei das Blastozystenstadium.»

Unsplash / Camylla Battani

Im Jahr 2017 kamen in der Schweiz 85 990 Kinder zur Welt. Mehr als die Hälfte auf natürlichem Weg.

Wenn man den Embryo am fünften Entwicklungstag in die Gebärmutter der Mutter überträgt, ist die Erfolgsquote so hoch, dass nur ein Embryo in die Gebärmutter transferiert wird, erklärt Dorothea Wunder:

«Indem wir nur einen Embryo im Blastozystenstadium transferieren, können wir die Rate von Zwillingsschwangerschaften von zwanzig Prozent auf weniger als fünf Prozent senken. Das ist ein sehr gutes Ergebnis, wenn man bedenkt, dass etwa zwei Prozent der Schwangerschaften ohne künstliche Befruchtung Zwillinge sind. Und es verringert das Risiko für Komplikationen während der Schwangerschaft, der Geburt und vor allem gesundheitliche Schäden für das ungeborene Baby erheblich.»

6. Ist der Verlauf der Schwangerschaft gleich wie bei einer natürlichen Empfängnis?

Die zukünftige Mutter kann sich entscheiden, ob sie den Embryo

  • mit einer Hormonbehandlung erhält, um ihre Gebärmutter auf die Aufnahme des Embryos vorzubereiten,
  • oder indem sie den Transfer des Embyros auf ihren spontanen Zyklus abstimmt, also wenn die Gebärmutterwand auf die Aufnahme eines Embryos vorbereitet ist.

Dorothea Wunder:

«Wenn die Patientin sich für ihren natürlichen Zyklus entscheidet, wird der Embryo so lange eingefroren, bis die Frau spontan die Periode bekommt. Denn danach ist die Gebärmutter bereit für eine Empfängnis. Das bedeutet, dass man den Zyklus der Frau mithilfe von Ultraschall und Blutentnahmen sehr genau verfolgt, da dieses Zeitfenster sehr kurz ist.

Wenn der Embryo nicht eingefroren wird, stimulieren künstliche Hormone die Gebärmutter der werdenden Mutter im Vorfeld , damit sie am Tag X bereit ist. Eine Behandlung mit Progesteron – einem weibliches Geschlechtshormon – sorgt dafür, dass ihre Gebärmutterschleimhaut für die Einnistung des Embryos günstig ist.»

Das Risiko von Komplikationen während der Schwangerschaft ist «signifikant höher», wenn der Fötus aus einer Eizellspende stammt, sagt die Gynäkologin:

«Es kann zu einer ernsten Schwangerschaftserkrankung kommen, der sogenannten Präeklampsie, und manchmal auch zu Problemen mit den Blutplättchen, was zu Blutungen führen kann. Manchmal muss die Schwangerschaft abgebrochen werden, weil das Leben der Mutter in Gefahr ist. Dies kann zu einer Frühgeburt führen.

Die zugrunde liegenden biologischen Mechanismen kennen wir nicht gut, vermutlich sind sie aber auf die Immunologie zurückzuführen. Es ist bekannt, dass Probleme bei der Plazenta auftreten. Trotzdem ist die Erfolgsrate noch immer sehr gut und liegt bei 65 bis achtzig Prozent pro Embryotransfer.»

7. Hat die Spende einen Einfluss auf die Fruchtbarkeit der Spenderin?

«Absolut nicht», antwortet Dorothea Wunder, die mit einem hartnäckigen Mythos aufräumen möchte:

«Die Menopause hängt nicht mit der Anzahl der pro Monat verbrauchten Eizellen zusammen, sondern mit der Degeneration der Eizellen-Stammzellen im Eierstockgewebe. Darum verschiebt auch die Einnahme der Pille über zehn Jahre die Menopause nicht um zehn Jahre nach hinten.»

Auch in Bezug auf das Risiko von Brust- oder Eierstockkrebs sei nichts zu befürchten, sagt die Gynäkologin und meint abschliessend:

«Da in der Schweiz die Samenspende erlaubt ist, gibt es meiner Meinung nach keinen Grund, die Eizellenspende zu verbieten. Die Spende ist extrem sicher. Solange man akzeptiert, dass es eine Trennung zwischen der Genetik und der Elternrolle gibt, sollte es keine Diskriminierung zwischen Mann und Frau geben.

Was noch definiert werden muss, sind Fragen zum Alter der Empfängerin sowie zur Aufwandsentschädigung der Spenderin. Dies, um der Eizellenspende einen ethischen Rahmen zu geben.»

Dieser Beitrag wurde erstmals auf Heidi.news veröffentlicht. Er wurde von Corinne Goetschel aus dem Französischen übersetzt.

Heidi.news

Hier gibt es Wissenswertes aus der Westschweiz. Die Beiträge stammen von unserem Partner-Portal Heidi.news, wir haben sie aus dem Französischen übersetzt. Heidi.news ist ein Online-Portal, das im Mai 2019 lanciert wurde und das sich unter anderem auf die Berichterstattung über Wissen und Gesundheit spezialisiert. Die Partnerschaft zwischen Heidi.news und higgs ist durch eine Kooperation mit dem Schweizerischen Nationalfonds SNF entstanden.
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