Das musst du wissen

  • Jeder glaubt zu wissen, wo er politisch steht. Doch nur jeder Zweite merkt es, wenn man seine Meinung manipuliert.
  • Viele erfinden dann sogar Gründe für Ansichten, die sie vorher eigentlich nicht hatten.
  • Das legt eine Psychologie-Studie nahe, in der Probanden manipulierte Meinungen sogar längere Zeit beibehielten.

Was wir politisch für richtig und für falsch halten, das wissen wird doch – oder? Nicht unbedingt, denn offenbar lassen sich unsere politischen Ansichten sehr leicht manipulieren und sogar ins Gegenteil verkehren.

Das haben Psychologen aus Schweden herausgefunden, indem sie über 300 Versuchspersonen einer Studie regelrecht austricksten. Sie baten die Probanden, zu verschiedenen Themen ihre Meinung abzugeben, beispielsweise zu kostenloser Hausaufgabenhilfe an Grundschulen. Die Versuchspersonen setzten jeweils ein Kreuz auf einer Skala von «komplett einverstanden» zu «gar nicht einverstanden». Danach verfälschten die Forschenden die Angaben in die gegenteilige Richtung – etwa von «eher einverstanden» zu «eher nicht einverstanden». Als die Studienteilnehmer ihre Antworten dann noch einmal überprüfen sollten, merkte nur die Hälfte, dass man ihnen eine falsche Meinung untergejubelt hatte.

«Der Grund dafür ist, dass viele gar keine dezidierte Meinung zu ganz konkreten Fragestellungen haben», sagt Jörg Hupfeld-Heinemann, Sozialpsychologe an der Universität Bern. «Entschieden wird häufig aufgrund von allgemeinen Wertevorstellungen, nicht konkreten Argumenten.» Jene Probanden, die eine starke Meinung hatten – etwa «komplett» oder «gar nicht» einverstanden, gaben auch an, sich dieser sehr sicher zu sein. Solche Personen merkten es dann auch, wenn sie ausgetrickst wurden.

Doch wenn wir selbst gar nicht so genau wissen, wo wir eigentlich stehen, ist es relativ einfach, uns durch solche Tricks zu beeinflussen. In dem Moment, so Hupfeld-Heinemann, schliessen wir von dem, was wir gesagt haben sollen, darauf, wie wir denken. Nach dem Motto: Ich habe es ja gesagt, also muss es stimmen.

Sich selbst überzeugen

Überraschenderweise behielten die Versuchspersonen ihre neue falsche Meinung auch über einige Zeit bei. So waren eine Woche später viele eigentliche Befürworter kostenloser Schulhilfe immer noch eher dagegen. Noch stärker war die Abweichung von der ursprünglich geäusserten Ansicht dann, wenn die Versuchspersonen während des Experiments ihre falschen Meinungen begründen sollten. «Weil die Probanden dabei nach positiven Argumenten suchten – nämlich um ihre vermeintliche Position zu rechtfertigen – manifestierte sich diese in ihnen noch stärker», so Hupfeld-Heinemann. Es passierte also das, was von Sokrates bis zum heutigen Strafverteidiger all jene versuchen, die im Überzeugungsgeschäft tätig sind: Die Menschen überzeugten sich selbst.

Diese Art der Manipulation müsse aber nicht unbedingt negativ sein, sagt Hupfeld-Heinemann. «Es zeigt doch, dass Menschen sich mit guten Argumenten umstimmen lassen. Und das am besten dann, wenn sie diese selber finden.»

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