Das musst du wissen
- In Interviews sprechen Fussballer oft vom Gefühlszustand des Teams. Tatsächlich können Emotionen ansteckend sein.
- So funktioniert’s: Spieler ahmen unbewusst die Körperhaltung von Kollegen nach – und mit ihr das dazugehörige Gefühl.
- Lässt ein Spieler zum Beispiel nach einer vergebenen Chance den Kopf hängen, so verunsichert er damit seine Kameraden.
Die Fussball-WM in Russland ist gestartet und mit ihr der obligate Reigen an Spielerinterviews. Schwitzende Stars japsen nach den Partien ihre Spielanalysen ins Mikrofon und sagen dabei Sätze wie: «Wir hatten Angst vor dem Gegner» oder «wir haben uns verunsichern lassen». Doch kann eine Mannschaft als Ganzes wirklich Emotionen wie Angst oder Unsicherheit verspüren? Gibt es ein fühlendes «Wir»?
Zumindest so etwas Ähnliches, sagt Jan Rauch, Sportpsychologe an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Zwar sind Emotionen etwas Individuelles und der Gemütszustand einer ganzen Mannschaft schwer messbar. Aber eine Studie aus dem Jahr 2007 zeigte, dass die Gefühle einzelner Spieler sich tatsächlich mit dem Gemütszustand ihrer Teamkollegen deckten – dass es also durchaus kollektive Emotionen gibt.
Körpersprache verbreitet Emotionen
Ein gemeinsames Gefühl geht meist von einzelnen Spielern aus, die mit ihrer Stimmung die Kameraden anstecken. Wie genau das funktioniert, dazu gibt es verschiedene Theorien. «Eine plausible Erklärung ist, dass Emotionen durch die Körpersprache weitergegeben werden», sagt Roland Seiler, Sportpsychologe an der Universität Bern. Lässt ein Stürmer zum Beispiel nach einer vergebenen Chance Kopf und Schultern hängen, so ahmen seine Kollegen diese Haltung unbewusst nach. Die neue Körperhaltung erzeugt dann in ihnen das dazugehörige Gefühl: Enttäuschung. Das wissen auch Trainer, sagt Roland Seiler. «Ein guter Trainer bringt seine Spieler dazu, nach einem ihnen zugedachten, aber verfehlten Pass nicht den Kopf zu schütteln.» Denn das löst Schuldgefühle aus und kann das Spiel des Passgebers negativ beeinflussen.
Natürlich bringen auch Siege oder Niederlagen ein kollektives Gefühl und auch das nützen Trainer aus: «So etwas hatte sicher Nati-Coach Vladimir Petković im Sinn, als er seine Mannschaft letzte Woche gegen Japan auflaufen liess», spekuliert Roland Seiler. Denn gegen Japan, die Nummer 61 der Weltrangliste, konnte der Trainer ein Erfolgserlebnis provozieren. Und der Mannschaft mit dem Sieg eine Dosis Euphorie einimpfen.
Scheinbar hat es gewirkt. Denn mit Blick auf die erste Schweizer WM-Begegnung gegen Brasilien dominierte die Zuversicht: Sowohl Mittelfeldspieler Granit Xhaka als auch die Stürmer Mario Gavranović und Haris Seferović gaben zu Protokoll, durch die Partie Selbstvertrauen gewonnen zu haben. Ein kollektives Gefühl beschrieb ausserdem Xhaka: «Wir haben keine Angst vor Brasilien.»