Das musst du wissen
- Zu Beginn der Coronapandemie kauften die Menschen deutlich mehr Toilettenpapier als üblich.
- Dazu verleitete sie vor allem ihre Angst, aber auch individuelle Charaktereigenschaften spielten eine Rolle.
- Behörden können durch ihre Mitteilungen das Empfinden und damit das Kaufverhalten der Bevölkerung beeinflussen.
Wer sind diese Menschen, die wegen der Coronakrise haufenweise WC-Papier kauften und was trieb sie dazu? Ein Forscher-Trio, bestehend aus einer Ökonomin und zwei Psychologen, hat sich daran gemacht, diese Frage zu beantworten. Ihre Studie ist im Fachmagazin Plos One erschienen. Demnach horten ältere Menschen mehr Toilettenpapier als jüngere, Nordamerikaner mehr als Europäer und ängstliche, gewissenhafte Personen mehr als solche, die der Pandemie gelassen gegenüberstehen.
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Je schneller das Coronavirus sich ausbreitete, desto grösser war die Nachfrage nach Toilettenpapier. Einige Händler in Deutschland berichteten, dass der Verkauf innerhalb weniger Wochen um bis zu 700 Prozent stieg. Ebenso bestätigen britische Verteiler die Zunahme. Auch in der Schweiz besorgten die Kunden im März mehr Klorollen. Laut einer Statistik, die auf der Nutzung einer App als Einkaufsliste beruht, betrug die Zunahme der Nachfrage allerdings „bescheidene“ 111 Prozent. Viele Produzenten kamen mit den Lieferungen nicht mehr nach. Während einige Kunden also einen riesigen Vorrat an WC-Papier anlegten, konnten die anderen keines mehr ergattern. Deshalb fanden alternative Produkte Einsatz als Toilettenpapier, was vermehrt zu verstopften Rohren führte verstopften Rohren. Um solche Konsequenzen in Zukunft zu verhindern, wollten die Forschenden die zugrundeliegenden Auslöser für Hamsterkäufe ausfindig machen.
Angst frisst Klopapier
Sie taten dies, indem sie via soziale Medien Probanden für eine Online-Umfrage rekrutierten. Es nahmen knapp 1000 Personen aus den USA, Kanada und Europa an der Studie teil. Die Probanden füllten einen Fragebogen zu ihrer Persönlichkeit aus, der sechs grosse Charakterdomänen abdeckt: Ehrlichkeit-Bescheidenheit, Emotionalität, Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Erleben. Dieses sogenannte Hexaco-Modell gilt in der Wissenschaft als gut überprüft und allgemein etabliert. Zudem gaben sie auf einer Skala von eins bis zehn an, wie sehr sie sich von der Coronapandemie bedroht fühlten. Dann beschrieben sie ihr Klopapier-Kaufverhalten.
Science-Check ✓
Studie: Influence of perceived threat of Covid-19 and HEXACO personality traits on toilet paper stockpilingKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Studie umfasst pro Land nur wenige Teilnehmer, ob von ihnen auf die globale Bevölkerung geschlossen werden kann, ist fragwürdig. Sie beruht zudem auf der Selbsteinschätzung der Probanden. Auch handelt es sich um Personen, die sich selber online meldeten – sie sind also nicht unbedingt repräsentativ für die gesamte Bevölkerung. Die untersuchten Variablen erklärten nur 12 Prozent des vermehrten Toilettenpapier-Kaufs. Der Einfluss von anderen Faktoren, zum Beispiel psychologischen, bleibt ungeklärt und müsste in weiteren Studien einbezogen werden. Die Studie gibt also lediglich Hinweise.Mehr Infos zu dieser Studie...Aus den Ergebnissen schlossen die Forschenden, dass vor allem die Angst die Leute zum Hamstern antreibt. Wer sich von der Pandemie übermässig bedroht fühlt, kauft mehr Toilettenpapier. Die Emotionalität wiederum beeinflusst das Angstempfinden, sodass gefühlsbetonte Menschen eher hamstern als rationale. Auch gewissenhafte, vorausschauende Menschen beteiligen sich eher daran. Damit ist die Frage nach der Motivation allerdings noch nicht geklärt. Klopapier hamstern rettet schliesslich weder Leben noch Arbeitsstellen. Die Autoren unterstützen deswegen die Theorie, dass WC-Papier für einen beachtlichen Teil der Bevölkerung ein Symbol der Sicherheit darstellt.
Kommunikation entscheidend
Pragmatischere Ansätze könnten erklären, wieso ältere Menschen vermehrt zu den Papierrollen greifen als jüngere: Da sie anfälliger für einen schweren Krankheitsverlauf sind, bereiten sie sich vermutlich eher für eine strikte Selbstisolation vor. Dass Amerikaner mehr Toilettenpapier vorrätig zuhause haben, liegt laut Autoren auch daran, dass sie dort in grösseren Packungen erhältlich sind als in Europa.
Indes konnten die untersuchten Charaktereigenschaften nur einen kleinen Teil des überdurchschnittlichen Kaufverhaltens erklären – lediglich zwölf Prozent. Es muss also noch andere Faktoren geben, die die persönliche Gefährdungsempfindung und damit das Konsumverhalten steuern.
Die Forschenden betonen die Rolle der öffentlichen Kommunikation: Lokale und nationale Behörden könnten durch die Art der Kommunikation beeinflussen, wie bedrohlich eine bestimmte Situation auf die Bevölkerung wirke und so das individuelle Kaufverhalten verändern. Am besten schütze es gegen irrationales Horten limitierter Waren, Gelassenheit zu vermitteln. Wie aber Gelassenheit vermitteln, wenn gerade sie zu sorgloserem Verhalten und damit zu mehr Ansteckungen führen kann? Die Antwort auf diese Frage steht auf einem anderen Blatt.