Das musst du wissen
- Jeder Balkon hat seine ganz individuelle Lage und damit andere Licht-, Wind- und Temperaturverhältnisse.
- Gut wachsen aber nur jene Pflanzen, die zum Standort passen – nicht alle vertragen zum Beispiel viel Sonne oder Wind.
- Für die Biodiversität ist jeder Balkon wertvoll, egal wie klein er ist. Je vielfältiger die Pflanzen, desto besser.
Ein Tischchen und Stühle hast du bereits aus dem Keller geholt und abgestaubt – die Balkonsaison kann kommen. Jetzt fehlen dir nur noch Pflanzen, aber du weisst nicht, wie, was, wo? Mit diesen Tipps wird auch dein Balkon zur wilden Oase – die nicht nur bei Bienen und Co. gut ankommt, sondern auch bei dir selbst. Denn Pflanzen machen deinen Balkon nicht nur gemütlicher, sondern bieten sich auch als Sichtschutz etwa für die neugierige Nachbarschaft an – und wie du in einem unserer früheren Beiträge nachlesen kannst: Sie kühlen die Umgebung, weil sie Wasser verdunsten und Schatten spenden, und sind auch für deine Psyche gut. Na dann, los geht’s!
Den eigenen Balkon kennenlernen
Wenn du deinen Balkon bepflanzen möchtest, solltest du als Erstes die sogenannten Standortfaktoren prüfen, also Sonne, Temperatur und Wind: Wie viel Licht hat der Balkon, also Sonnenstunden über den Tag verteilt? Wie heiss ist es? Wie viel Wind weht? Denn diese Faktoren sind für jeden Balkon sehr individuell und ausschlaggebend für die Wahl der Pflanzen. «Oft wird unabhängig vom Standort immer das Gleiche gekauft und dann fragt man sich, wieso es nicht gut wächst», sagt Doris Tausendpfund. Sie ist gelernte Staudengärtnerin und Dozentin für urbane Biodiversität und urbane Vegetationssysteme und leitet die Forschungsgruppe Pflanzenverwertung an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Beim Standort kann man einiges falsch machen. Wenn also beispielsweise sonnenhungrige Pflanzen im Schatten stehen, oder umgekehrt. Das sei sehr trickreich, sagt die Pflanzenexpertin. Doch wer kennt den eigenen Balkon besser als die Mieter oder Eigentümerinnen selbst? Und für die neu Zugezogenen empfiehlt sich ein Schwatz mit Nachbarschaft – hier kannst du dir abgucken, was gut funktioniert oder nicht.
So weit, so gut. Deinen Standort kennst du nun also, doch die Liste der möglichen Pflanzen ist noch immer lang. Wie also weiter? Du kannst die Pflanzen nach deinem eigenen Typ auswählen, empfiehlt die Expertin Tausendpfund. Bist du jemand, der unglaublich gern giesst oder eher nicht? Es ist also nicht nur für jeden Balkon, sondern auch für jeden Typ etwas dabei. «Man hat wahnsinnig viele Möglichkeiten und kann sich wirklich austoben», meint Tausendpfund, «was ziemlich Spass macht.»
Fast alles ist erlaubt
Bei der Auswahl gebe es eigentlich keine Tabus, sagt Tausendpfund – ausser bei invasiven Neophyten, also eingeschleppten Pflanzen, die sich hierzulande stark ausbreiten und einheimische Arten verdrängen. Und was hält die Pflanzenexpertin von den in der Schweiz so beliebten Geranien? «Auch die kann man natürlich pflanzen, wenn man sie mag. Man sollte aber darauf achten, wie sie angezogen wurden.» Das heisst: Die Erde muss frei von Torf sein, weil dieser aus Mooren stammt, die sehr empfindlich sind. Wird Torf abgebaut, zerstört das nicht nur die Funktionalität der Moore, sondern auch die Artenvielfalt. Und die Setzlinge sollten nicht aus dem Ausland – meistens Afrika – stammen. Denn das bedeutet, dass sie eine lange Flugreise hinter sich haben. Ökologische Geranien sind aber schwierig zu finden, weiss Tausendpfund. Es lohne sich dennoch, nach ihnen zu suchen: «Was viele nicht wissen, ist, dass es unglaublich viele Sorten gibt.» Und bestimmte Geranien seien sogar essbar, sagt die Expertin. Nur mehrjährige der beliebten Balkon-Geranien gebe es nicht – sie müssen also jedes Jahr neu gepflanzt werden.
Wenn du besonders ökologisch unterwegs sein möchtest, schau aber genau darauf: Ist die Pflanze einjährig oder mehrjährig? Der Vorteil letzterer liegt auf der Hand: Du musst nicht jedes Jahr von vorne beginnen. Aus ökologischer Sicht ist ebenfalls wichtig, ob der Behälter aus Plastik oder natürlichen Materialien ist. Und Tausendpfund rät, sich nicht für in kürzester Zeit hochgezüchteten Pflanzen zu entscheiden. Solche erkennst du an einer mastigen Erde und Stängeln, die aussehen, als ob sie beim nächsten Windstoss abbrechen. Das Problem dabei: Sie wurden verwöhnt und wollen dann natürlich, dass du sie nachher auch verwöhnst. In vielen Fällen gehen sie dann aber relativ schnell ein.
Je vielfältiger, desto besser
Wenn du Insekten fördern möchtest, solltest du dir blühende Pflanzen zulegen, die den Tieren Nektar und Pollen bieten. Hier bist du bei Wildstauden auf der sicheren Seite, weil man weiss, dass die heimischen Tiere darauf abgestimmt sind. Aber auch andere Blütenpflanzen werden angeflogen, weiss Tausendpfund. Dabei gilt insgesamt: Je vielfältiger, desto besser. Wenn du nun aber denkst: «Ich wohne im fünften Stock, ist das nicht viel zu hoch für Krabbelviecher?» Keine Sorge, versichert Tausendpfund, die Höhe sei keine Grenze, um insbesondere mobile Insekten anzulocken.
Ihr Geheimtipp, der nicht nur Insekten, sondern eben auch dem Menschen schmeckt: Küchenkräuter. Die Vielfalt sei unglaublich, sagt die Pflanzenexpertin, und es gebe sogar Wildstauden. Das sind mehrjährige, nicht verholzende Pflanzen, die nicht durch Züchtungen verändert wurden – sie sind also auch in der Natur so zu finden. Solche Wildstauden oder andere mehrjährige Pflanzen könne man jetzt bereits pflanzen, weiss Tausendpfund. Bei frostempfindlichen Arten sei es hingegen ratsam, die Kalte Sophie am 15. Mai abzuwarten, also den letzten Frost im Frühjahr. Und wo sollst du einkaufen? Tausendpfund empfiehlt, beispielsweise auf Märkte zu gehen oder sich in Gärtnereien beraten zu lassen. Da gibt es Pflanzen in verschiedenen Preisklassen und Grössen, als Setzlinge oder Samen. Wenn du genug Platz und Sonne hast, kannst du die Samen in der Wohnung anziehen. Fast besser findet Tausendpfund aber, die Samen direkt zu sähen.
Der Topf – je grösser, desto besser
Sind die Pflanzen erstmal ausgesucht, kannst du auch die passende Erde kaufen – für Gemüse, Kräuter etc. – und natürlich Gefässe. «Fast immer wird der Topf zu klein gekauft«, weiss Tausendpfund. Ihr Tipp: Eine Grösse grösser als man intuitiv nehmen würde. Das Problem mit zu kleinen Gefässen: Pflanzen fällt es darin viel schwieriger zu wachsen, weil sie weniger Platz für ihre Wurzeln haben, weniger Wasser gespeichert werden kann und dadurch die Feuchtigkeit und Wärme mehr schwankt. Ein weiterer Tipp der Expertin ist, die Töpfe nahe aneinander zu stellen. Denn Töpfe, die alleine stehen, trocknen vor allem an den Randbereichen schneller aus. Und: Schichtmässig planen, also das ganze Gefäss bepflanzen, sodass kaum noch direkt die Erde zu sehen ist. Auch das hilft, die Erde feucht zu halten. Zum Wässern am besten geeignet sei Regenwasser, sagt Tausendpfund – was sich auf Balkonen aber meist nicht so leicht sammeln lässt. Doch egal ob Regen- oder Leitungswasser, du solltest darauf achten, dass der Boden noch leicht feucht ist. Er sollte nicht zu sehr austrocknen – das merkst du, wenn es die Erde so stark zusammenzieht, dass du einen Rand sehen kannst.
Zum Schluss rät die Expertin, genau zu beobachten und zu dokumentieren, was auf dem eigenen Balkon funktioniert – gerade, weil man es wieder vergisst. Und sie sagt: «Meistens gelingt es am Anfang nicht, aber das kann man ja auch entwickeln.» Das Motto der diesjährigen Balkonsaison darf also getrost lauten: Einfach mal ausprobieren!