Mist! Gerade vom Einkaufen zurückgekehrt und erst zuhause bemerkt, dass die Milch fehlt. Diese Situation kennen bestimmt viele. Ärgerlich, wenn uns unser Gedächtnis im Stich lässt. Doch wir können unser Gehirn trainieren.

Immer wenn wir etwas lernen oder etwas erleben, bilden sich frische Verbindungen zwischen den Nervenzellen im Gehirn, zwischen den Neuronen – und das, bis ins hohe Alter. Die Fähigkeit des Gehirns, sich stetig zu verändern, nennen Hirnforscher Neuroplastizität. Sie sorgt dafür, dass langfristig einstudierte gedankliche Prozesse beinahe automatisch ablaufen. Denn: Je öfter wir eine kognitive Leistung vollbringen, desto potenter sind die neuronalen Netze, die wir dazu brauchen und desto einfacher fällt sie uns. Indem unser Gehirn flexibel bleibt, fällt es uns leichter, Neues zu lernen und uns an Dinge zu erinnern.

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Auch unbekannte Umgebungen zu erkunden, bereichert unser Gehirn. Sitzt man nun aber zum Beispiel im Homeoffice Tag für Tag zuhause und ist die grösste Abwechslung plötzlich, wenn man sich vom Arbeitszimmer ins Wohnzimmer begibt, sieht es mit der stimulierenden Wirkung düster aus. Doch genau dieses wohlvertraute Wohnzimmer lässt sich leicht zu einem Spielplatz fürs Gedächtnis umbauen.

Die Loci-Methode

Eine Methode, das Gehirn zu trainieren und gleichzeitig beim Einkaufen nichts zu vergessen, ist, sich eine Gedächtnisstütze zu konstruieren. Und das geht so: Rufe dir das Zimmer vor Augen. Starte bei der Tür und nummeriere im Kreis sieben Gegenstände darin. Ordne dann jedem Gegenstand ein Objekt auf deiner Einkaufsliste zu. Noch besser funktioniert dieser Trick, wenn du die Zutaten mit einer absurden Eigenschaft ausstattest: Ein blauer Apfel liegt auf dem Sofa, an der Stehlampe hängt ein riesiges Paket Zucker, die Zimmerpflanze teilt ihren Topf mit einem summenden Tetrapack Milch und so fort. So kannst du die Einkaufsliste zuhause lassen, ohne eine Besorgung zu vergessen. Die Anzahl der Objekte kannst du nach und nach erhöhen. Dieser Trick beruht darauf, dass wir Informationen leichter abrufen können, wenn sie in einen Kontext eingebettet sind. Ein solcher Kontext kann eben ein dir wohlbekanntes Zimmer sein, oder aber du ordnest deinen Gesichtspartien die zu erinnernden Gegenstände zu. Wir denken zwar auf dem Weg in die Migros nicht ständig an Äpfel, Zucker und Milch, die Assoziation mit den Möbeln gehen deswegen aber nicht verloren. Unter Neurologen ist diese Strategie als Loci-Methode bekannt. Locus ist lateinisch und bedeutet so viel wie Ort oder Platz. Laut einer unter vielen Studien, die sich mit der Loci-Methode beschäftigen, schnitten Studenten, welche diese Strategie beim Lernen auf eine Prüfung anwendeten, besser ab als jene, die das nicht taten .

Flexibilität des Gehirns trainieren

Doch das ist noch nicht alles, was das Zuhause an Gehirntraining bietet. Dafür eignen sich alle unbekannten Herausforderungen. Zum Beispiel schon morgens beim Zeitunglesen. Dreht man nämlich die Zeitung auf den Kopf und liest sie zur Abwechslung verkehrt herum, ist das Gehirn gefordert. Wenn man regelmässig ungewohnte Gehirnübungen macht, wirkt sich das positiv auf das Gedächtnis aus, da das Gehirn flexibel und bereit neue Aufgaben bleibt. Rätsel sind für Ungeübte geeignet, wer jedoch routinemässig rätselt, dem bringt es nicht viel, das Sudoku auf der letzten Seite auszufüllen – die Nervenbahnen dafür im Gehirn funktionieren bereits einwandfrei.

Die Ambitionierteren können eine neue Fertigkeit lernen, wie etwa Jonglieren. Wenn du noch weiter gehen willst: Lerne eine fremde Sprache oder ein Musikinstrument. Wem das zu zeitintensiv ist, der kann sich bei der nächsten Mahlzeit einmal ganz bewusst auf seinen Geschmackssin konzentrieren. Welche Nuancen sind erkennbar, welche Kräuter würzen das Gericht? Aufmerksamkeit, Wahrnehmung und Erinnerung sind nämlich eng miteinander verbunden. Fördert man einen Bereich, wirkt sich das auch auf die anderen positiv aus. All diese Tätigkeiten aktivieren die Neuronen im Gehirn und stärken die Nervenbahnen.

Pausen sind zentral

Bei den ganzen geistigen Turnübungen darf man aber eines nicht vergessen: Pausen spielen beim Lernen und Erinnern eine zentrale Rolle. Erst beim Abschalten verfestigen sich die gelernten Inhalte. Am besten begibt man sich für einige Minuten in einen abgedunkelten Raum und reduziert Ablenkungen auf ein Minimum. Patienten, die eine neurologische Verletzung wie beispielsweise einen Schlaganfall erlitten hatten, profitieren davon besonders. Dies zeigte sich in einer Studie: Probanden hatten die Aufgabe, sich 15 Wörter zu merken. Wenn sie anschliessend eine kurze Pause einlegten, konnten sie dreimal mehr Wörter wiedergeben, als wenn sie danach weitere Aufgaben ausführten. Im Rahmen der gleichen Studie sollten sie sich eine Geschichte anhören und eine Stunde später einige Fragen dazu beantworten. Ohne die Gelegenheit, sich auszuruhen, konnten sie lediglich sieben Prozent der Fakten in der Geschichte abrufen. Konnten sie sich allerdings kurz entspannen, stieg diese Zahl auf 79 Prozent.

Auch deine Wohnung kann also zu einem Parcour fürs Gehirn werden. Nur: Allgemein intelligenter werden wir dadurch leider nicht. Das Training ist auf das Gedächtnis limitiert. Aber es ist doch schon etwas, wenn wir uns den erneuten Gang zur Migros ersparen können, weil wir beim ersten Mal an alles gedacht haben.

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