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Ein Forschungsteam der Universität Heilbronn hat 21,8 Millionen Tweets analysiert, die von Februar bis April 2020 zum Thema Covid-19 abgesetzt worden sind. Dabei standen zwei Fragen im Vordergrund: Welches ist die Quelle der geteilten Informationen? Und: Wie hat sich die Nachricht in Europa verbreitet?

Dazu haben die Forschenden eine Spezial-Software eingesetzt, die Tweets in Echtzeit erfasst. Und zwar nicht nur die Texte oder Bilder, sondern auch Informationen wie Zeit- und Ortsangaben, sowie die verlinkten Quellen.

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So entstand eine örtliche und zeitliche Karte. Wenn man die Karte genauer ansieht, fällt auf, dass im Februar bis April Covid-19 auf Twitter vor allem in Italien, der Schweiz, Norddeutschland und Südengland ein Thema war. Weiter noch im Raum Madrid. Dies zeigt, dass sich die Verbreitung der Information und die Ausbreitung von Sars-CoV-2 in den europäischen Ländern deckt. Man informiert sich also, wenn die Pandemie bei einem selbst ausbricht.


Verbreitung von Tweets über Covid-19 in Europa von Februar bis April 2020. Quelle: Pobiruchin M et al.

Um zu sehen, was an Inhalten geteilt wird, haben die Forschenden verschiedene Kategorien erstellt. Verweisen die Links beispielsweise auf Zeitungen, öffentlich-rechtliche Nachrichten, andere Social-Media-Plattformen oder öffentliche Stellen wie zum Beispiel das Robert-Koch-Institut. Daraus ergab sich eine Rangliste zur Herkunft der verbreiteten Information.

Resultat: Ein Drittel der beobachteten Tweets enthielt Links zu externen Quellen. Die am häufigsten geteilten Informationen stammten von Social-Media-Plattformen. Rund 20 Prozent sind es, die auf andere Social-Media-Plattformen verweisen.

Immerhin rund 12 Prozent der Beiträge verwiesen auf traditionelle Medien oder lokale Nachrichtenquellen. Schlimm sieht es für die Kategorie «Regierung und öffentliche Gesundheitspflege» aus.

Top 50 der durch Twitter-User verbreiteten Informationskanäle


1. twitter.com
2. youtu.be
3. instagram.com
4. paper.li
5. youtube.com
6. facebook.com
7. linkedin.com
8. theguardian.com
9. google.com
10. tinyurl.com
11. nytimes.com
12. chng.it
13. cnn.com
14. bbc.co.uk
15. washingtonpost.com
16. pscp.tv
17. medium.com
18. fiverr.com
19. bbc.com
20. amzn.to
21. ift.tt
22. avaaz.org
23. wordpress.com
24. trib.al
25. cdc.gov
26. arcgis.com
27. who.int
28. nyti.ms
29. worldometers.info
30. reuters.com
31. yahoo.com
32. apple.news
33. cnbc.com
34. openstream.co
35. bloomberg.com
36. goo.gl
37. elpais.com
38. ouest-france.fr
39. joinzoe.com
40. francetvinfo.fr
41. scmp.com
42. zazoom.it
43. reut.rs
44. shoutcast.com
45. zazoom.info
46. forbes.com
47. topicza.com
48. nypost.com
49. businessinsider.com
50. dy.si

Unter den Top 50 der geteilten Quellen waren nur gerade zwei Informationskanäle: Die Zentren für Krankheitskontrolle und -prävention (CDC) der USA auf Platz 25 und die WHO auf Platz 27. Weit abgeschlagen das erste wissenschaftliche Fachmagazin «Nature» – auf Rang 116. Oder anders gesagt: nur gerade ein Prozent der Verweise im Zusammenhang mit Covid-19 ging auf wissenschaftliche Quellen.

Immerhin kann die verantwortliche Forscherin Monika Pobiruchin dem ganzen auch noch einen positiven Befund für die traditionellen Medien abgewinnen: Wenn wissenschaftliche Originalquellen sehr selten direkt geteilt werden, unterstreiche dies «die Bedeutung von Medien bei der Vermittlung von komplexen Sachverhalten in allgemein verständlicher Sprache für die breite Öffentlichkeit.»

Aber wenn die Hauptquelle für Tweets andere Social-Media-Kanäle sind, bedeutet das nichts Gutes für die Verlässlichkeit der auf Twitter geteilten Inhalten.

Wie kann man das ändern? Traditionelle Medien und die Wissenschaft müssen ihre Präsenz auf Twitter massiv ausbauen.

Der Faktist

Der Faktist schaut ganz genau hin. Im Dschungel der wissenschaftlichen Studienresultate behält er den Überblick. Zeigt, was zusammenhängt. Und was einfach nicht aufgeht. Der Faktist ist Beat Glogger, Gründer und Chefredaktor von higgs. Jeden Dienstag als Sendung auf Radio 1 und als Video auf higgs.
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