Das musst du wissen

  • Die Schweizer Bevölkerung glaubt im europäischen Vergleich eher selten an Verschwörungstheorien.
  • Wer Facebook oder Youtube nutzt, glaubt allerdings häufiger an Verschwörungstheorien als andere.
  • Die sozialen Netzwerke funktionieren nach unterschiedlichen Regeln – das beeinflusst auch unsere Wahrnehmung.
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Heute nutzen über achtzig Prozent der Schweizer Bevölkerung soziale Medien. Damit setzen wir uns unzähligen Informationen aus, die es in der klassischen medialen Berichterstattung so nicht gibt. Da die Autorenschaft von Social-Media-Beiträgen mitunter wenig Wert auf Fakten legt, entsteht ein Nährboden für Verschwörungstheorien. Doch wie stark soziale Medien zur Verbreitung von Verschwörungstheorien beitragen, hängt stark von der Plattform ab. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie einer europäischen Forschungsgruppe, die in den Sage Journals veröffentlicht wurde.

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Studie: Does the platform matter? Social media and COVID-19 conspiracy theory beliefs in 17 countriesKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Studie legt nur relative Massstäbe an und erhebt keine absoluten Werte: Eine Kontrollgruppe von Personen, die keine sozialen Medien nutzen, wurde nicht untersucht. Twitter unterbindet also relativ zu Youtube Verschwörungstheorien – ob eine Person auf Twitter häufiger an Verschwörungstheorien glaubt als eine Person, die keine soziale Medien nutzt, erfahren wir nicht. Darüber hinaus können die Daten verzerrt sein: Einerseits entsprach die Stichprobe der Befragten nicht genau dem Bevölkerungsschnitt, andererseits wurden nicht alle sozialen Medien untersucht.Mehr Infos zu dieser Studie...

Vorweg eine gute Nachricht: In der Schweiz sind Verschwörungstheorien im europäischen Vergleich eher wenig verbreitet. Dies zeigt der Vergleich von 16 europäischen Ländern und Israel: Die Teilnehmenden der Studie wurden mit mehreren Covid-bezogenen Falschmeldungen konfrontiert, deren Wahrheitsgehalt sie einschätzen sollten. Gemeinsam mit den deutschsprachigen und skandinavischen Ländern sowie Grossbritannien gehört die Schweiz zu den Ländern, in denen die Teilnehmenden Verschwörungstheorien am häufigsten als solche erkannten und ablehnte. In Frankreich, Italien, Spanien und Belgien glaubten bereits mehr Menschen an die Falschmeldungen, während die Theorien in Osteuropa und Israel am meisten Zustimmung fanden.

Doch nicht nur das Land, sondern auch die Plattform spielt eine Rolle. Die Forschenden der Kommunikationswissenschaften fragten die Teilnehmenden nach ihrem Social-Media-Konsum. Dabei zeigte sich: Von den fünf untersuchten sozialen Medien zeigten sich Nutzerinnen und Nutzer von Youtube besonders empfänglich für Verschwörungstheorien, gefolgt vom Facebook Messenger, WhatsApp und Facebook. Auf allen Plattformen war der Glaube an Verschwörungen überdurchschnittlich – einzig Twitter lag deutlich unter dem Durchschnitt.

Die Gründe für die grossen Unterschiede sehen die Forschenden in der unterschiedlichen Funktionsweise der Plattformen: Facebook und die Messenger-Dienste basieren auf symmetrischen Bindungen – also gegenseitigen Freundschaften. Die individuellen Netzwerke sind damit kleiner, persönlicher und basieren stärker auf gemeinsamen Interessen, was das gegenseitige Vertrauen steigert und Verschwörungstheorien befeuert. Bei Twitter sind die Bindungen asymmetrisch – man folgt Berühmtheiten, politischen oder medialen Persönlichkeiten. Damit setzen sich Menschen auf Twitter einem diverseren Meinungsumfeld aus, in dem Standpunkte auch häufiger angegriffen werden. Zudem prüft Twitter seine Inhalte deutlich strenger als andere Plattformen, in den Messenger-Diensten findet gar keine Moderation statt. Youtube stellt einen Sonderfall dar: Während der Austausch wie bei Twitter auf asymmetrischen Bindungen beruht, spielt der Youtube-Algorithmus eine viel grössere Rolle bei der Sichtbarkeit der Inhalte: Er empfiehlt vor allem Inhalte aus der eigenen Informations-Blase – damit können sich die Konsumierenden in ihrem Glauben an Verschwörungstheorien bestärken.

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