Das musst du wissen
- Wenn wir nach leichten Straftaten von der Polizei befragt werden, verraten wir den Täter eher nicht.
- Ist das Strafmass aber hoch, liefern wir Fremde eher an die Polizei aus als Leute, die uns nahestehen.
- Das zeigt eine Studie der Universität Michigan, die fast dreitausend Menschen befragt hat.
Stell dir vor, dein bester Freund überfällt eine Modeboutique. Er kann seine Beute verstecken, wird dann aber geschnappt. Polizeibeamte befragen dich zu dem Fall. Jetzt bist du im Dilemma: Verrätst du ihn oder hältst du dicht? Zu dieser Frage hat ein Team von Psychologinnen und Psychologen der Universität Michigan geforscht und die Resultate im Fachmagazin Personality and Social Psychology Bulletin veröffentlicht.
Science-Check ✓
Studie: Punish or Protect? How Close Relationships Shape Responses to Moral ViolationsKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Studie beinhaltet zehn Online-Befragungen mit je 99 bis 603 Teilnehmern. Alle sind entweder Studenten oder Arbeitende beim Onlineservice Amazon Mechanical Turk. Die Repräsentativität ist nicht gegeben. Ausserdem handelt es sich um hypothetische Entscheidungen.Mehr Infos zu dieser Studie...Die Resultate bestätigen, was wir wohl alle instinktiv wussten: Enge Freunde verraten wir nicht so schnell an die Polizei wie Täter, die uns fremd sind. Doch darüber hinaus befanden die Forscher Folgendes: Wir schützen unsere Freunde umso besser, je schlimmer die Straftat war.
Das heisst: Bekommen wir zum Beispiel mit, dass jemand illegal Musik herunterlädt, werden wir das vor der Polizei eher nicht zugeben, egal, wie gut oder schlecht wir den Täter kennen. Bricht ein enger Bekannter aber in einen Laden ein, dann beschützen wir ihn eher als einen Fremden, der dasselbe getan hat.
Wie gross dieser Unterschied mit zunehmendem Schweregrad der Straftat ist, zeigt die Grafik.
Legende: Rote Punkte stehen für Leute, die uns nahestehen, blaue für solche, die wir nicht gut kennen. Obwohl wir beide bei schwachen Straffällen eher decken, verraten wir Fremde bei schlimmen Straftaten viel eher als Bekannte.
Ob die Straftaten von einem Fremden oder einem engen Bekannten begangen wurden, spielte keine Rolle dafür, wie schlimm die Probanden die Straftaten einstufen. Doch ihr Umgang damit ist je nach Täter anders. Bei nahen Bekannten und Verwandten gaben viele Befragte an, sie würden die Person zwar vor der Polizei schützen, mit ihr aber über die Tat reden. So können sie mild bestrafen, indem sie dem Täter ins Gewissen reden. Gleichzeitig beschädigen sie die persönliche Beziehung nicht, werden aber trotzdem ihrem moralischen Kompass gerecht – finden also einen Weg aus dem Dilemma.