Der Artikel wurde nach Recherchen von Watson angepasst. Die Behauptung von Philip Nitschke, dass er im Gespräch mit mehreren Gruppen in der Schweiz war, um die Sarco-Kapsel nächstes Jahr zu lancieren, konnte nicht verifiziert werden. Keine der wichtigsten Sterbehilfe-Organisationen der Schweiz, weder Dignitas noch Exit Deutsche Schweiz oder Ex International beabsichtigen gemäss Watson-Recherchen, die Technologie einzusetzen. Die Aussagen diesbezüglich wurden daher aus dem Artikel entfernt.

Im Jahr 2020 starben in der Schweiz rund 1300 Menschen durch Sterbehilfe. Sie wurden von den beiden grössten Sterbehilfe-Organisationen des Landes betreut: Exit (keine Verbindung zu Exit International) und Dignitas. Die derzeit gängige Methode ist die Einnahme von flüssigem Natrium-Pentobarbital.

Nach der Einnahme des Medikaments schläft die Person innerhalb von zwei bis fünf Minuten ein, bevor sie in ein tiefes Koma fällt und bald darauf stirbt. Die Kapsel namens «Sarco» bietet einen anderen Ansatz für einen friedlichen Tod, ohne die Notwendigkeit rezeptpflichtiger Substanzen.

Ein Gespräch mit Philip Nitschke, dem Gründer des in Australien registrierten Unternehmens Exit International, über die sargähnliche «Sarco»-Kapsel und darüber, welchen Platz er ihr im Schweizer Sterbehilfe-Sektor einräumt.

Herr Nitschke, was ist «Sarco», und wie funktioniert sie?

Es handelt sich um eine im 3D-Verfahren gedruckte Kapsel, die von der Person, die sterben will, von innen aktiviert werden kann. Die Maschine kann zum Sterben an jeden beliebigen Ort gebracht werden. Das kann in einer idyllischen Umgebung im Freien sein oder zum Beispiel in den Räumen einer Sterbehilfe-Organisation.

Die Person steigt in die Kapsel und legt sich hin. Das ist sehr bequem. Der Person wird eine Reihe von Fragen gestellt, und wenn sie diese beantwortet hat, kann sie den Knopf im Inneren der Kapsel drücken. Dadurch wird erst der Mechanismus aktiviert. Die Person kann sich also alle Zeit der Welt dafür nehmen.

Die Kapsel ist auf einem Gerät montiert, das den Innenraum mit Stickstoff flutet und den Sauerstoffgehalt von 21 sehr schnell auf ein Prozent reduziert. Die Person fühlt sich ein wenig desorientiert und kann sich auch leicht euphorisch fühlen, bevor sie das Bewusstsein verliert. Der ganze Vorgang dauert etwa dreissig Sekunden. Der Tod tritt durch Hypoxie und Hypokapnie ein, also durch einen Mangel an Sauerstoff bzw. Kohlendioxid. Es gibt keine Panik, kein Erstickungsgefühl. [In einer Umgebung, in welcher der Sauerstoffgehalt unter einem Prozent liegt, würde laut Philip Nitschke nach dem Verlust des Bewusstseins der Tod nach etwa fünf bis zehn Minuten eintreten].

In welchem Stadium befinden Sie sich bei der Entwicklung des Geräts und der Bereitstellung für den Einsatz?

Letztes Jahr haben wir uns über die Rechtmässigkeit des Einsatzes von «Sarco» in der Schweiz bei der Sterbehilfe beraten lassen. Diese Prüfung ist abgeschlossen. Wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis und dass wir nichts übersehen haben. Es gibt überhaupt keine rechtlichen Probleme.

Bisher gibt es zwei «Sarco»-Prototypen, und der dritte «Sarco» wird jetzt in den Niederlanden gedruckt. Wenn alles gut geht, sollte die dritte Maschine 2022 in der Schweiz einsatzbereit sein.

Der erste «Sarco» wird von September 2021 bis Februar 2022 im Museum für Sepulkralkultur im deutschen Kassel ausgestellt. Die zweite Maschine erwies sich als ästhetisch nicht ansprechend. Aus diesem und verschiedenen anderen Gründen ist sie nicht die beste für einen Einsatz.

Mehrere zusätzliche Projekte von «Sarco» haben sich aufgrund der Pandemie verzögert. Zum Beispiel die Entwicklung einer Kamera, mit der die Person mit den Menschen draussen kommunizieren kann. Es muss eine Aufzeichnung der informierten Zustimmung der Person gemacht werden. Das haben wir in Auftrag gegeben, der nächste Schritt ist jetzt die Herstellung dieser Kamera.

Ihr erklärtes Ziel ist es, den Sterbeprozess weg von der Nutzung von Medikamenten zu bringen. Was bedeutet das?

Zurzeit müssen ein oder mehrere Ärztinnen oder Ärzte involviert sein, um das Natrium-Pentobarbital zu verschreiben und die geistige Fähigkeit der Person zu bestätigen. Wir wollen jede Art von psychiatrischer Begutachtung aus dem Prozess herausnehmen und der Person die Möglichkeit geben, die Methode selbst zu steuern.

Unser Ziel ist es, ein Screening-System mit künstlicher Intelligenz zu entwickeln, um die geistige Leistungsfähigkeit der Person festzustellen. Natürlich gibt es eine Menge Skepsis, vor allem von Seiten der Psychiatrie. Aber unsere ursprüngliche konzeptionelle Idee ist, dass die Person einen Online-Test macht und danach einen Code erhält, um Zugang zu «Sarco» zu erhalten.

Hier findest du Hilfe

Du steckst in einer Krise und weisst nicht mehr weiter? Lass dir helfen! In der Schweiz gibt es zahlreiche Stellen, die rund um die Uhr für Menschen in Krisen da sind:

Die Dargebotene Hand: Telefon 143

Pro Juventute (für Kinder und Jugendliche): Telefon 147

Weitere Adressen und Informationen

Dieser Text erschien zuerst bei swissinfo und wurde von Christian Raaflaub aus dem Englischen übertragen.
Diesen Beitrag teilen
Unterstütze uns

regelmässige Spende